[aktualisiert am 12. November 2020]
Am 7. April 2020 wurde der 15-jährige Êzîde Arkan Hussein Khalaf in Celle erstochen. Der Jugendliche war mit seiner Familie aus dem Nordirak nach Niedersachsen geflüchtet und lebte seit 2015 in Celle.
Am 21. Oktober 2020 fiel nun das Urteil gegen den Täter Daniel S. Das Landgericht Lüneburg urteilte auf verminderte Schuldfähigkeit aufgrund einer paranoiden Schizophrenie und wies Daniel S. auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie ein. Das Gericht wertete das Geschehen als Totschlag, während die Anwälte der Familie des getöteten Jugendlichen eine Verurteilung wegen Mordes forderten. Dass das Urteil bereits am dritten Prozesstag gefallen ist, ist angesichts der wichtigen Frage nach einem möglichen rassistischen Motiv des Täters durchaus ernüchternd. Ursprünglich waren sechs Verhandlungstage vorgesehen.
Bereits 24 Stunden nach der Tat hatten Polizei Celle und Staatsanwaltschaft Lüneburg ein rassistisches Motiv ausgeschlossen. Die Behörden lenkten sprachlich erst ein, als sich êzîdische und andere zivilgesellschaftliche Organisationen mit einer deutlichen Stellungnahme öffentlich zu Wort gemeldet hatten und der Störungsmelder (ZEIT Online) Recherchen zum Täter veröffentlicht hatte. Die Recherchen hatten nämlich gezeigt, dass „der Verdächtige eine Nähe zu rechtsextremen Verschwörungstheorien“ aufweist. Dass nun das Landgericht Lüneburg keine rassistischen Motive zu erkennen vermochte, obwohl die Polizei rassistische Aussagen von Daniel S. direkt nach der Tat sogar schriftlich vermerkt hat, muss zumindest verwundern.
Der freie Journalist Michael Trammer hatte über den Prozessauftrakt berichtet:
Heute: 1. Verhandlungstag Sicherungsverfahren um Schuldfähigkeit von Daniel S., der Tötung von Arkan K., 15-jähriger geflüchteter Êzide, in #Celle im April einräumte, aber sagte, er habe niemand töten wollen. Hinterbliebene hoffen auf Gerechtigkeit. Frage nach Motiv bleibt. pic.twitter.com/Z3MLJZve5Z
— Michael Trammer (@mic_tra) October 6, 2020
Kilinc benennt auch klar möglichen rassistischen Hintergrund: "Er verwendet die Worte Kanaken – Kanaken verfolgen mich. Und plötzlich fährt da ein ausländischer Mitbürger lang, den sticht er nieder. Wir sehen die Verbindung da." Rechtlich müsse dies aber erst nachgewiesen werden.
— Michael Trammer (@mic_tra) October 6, 2020
Die Rechtsvertretung der Familie von Arkan K. hat nach Urteilsspruch des Landgerichts Lüneburg zwischenzeitlich Rechtsmittel eingelegt. Über diese muss der Bundesgerichtshof entscheiden.
Presseberichte
Tödliche Attacke: Revision im Fall Arkan K., in: Cellesche Zeitung vom 29. Oktober 2020
Urteil im Fall Arkan K. ist gefallen, in: Cellesche Zeitung vom 23. Oktober 2020
15-Jährigen in Celle getötet: Täter kommt in die Psychiatrie, in: NDR vom 21. Oktober 2020
Radfahrer getötet: Mann offenbar vermindert schuldfähig, in: NDR vom 14. Oktober 2020
„Cannabis ist fatal“, in: Cellesche Zeitung vom 14. Oktober 2020
15-Jährigen erstochen: Angeklagter bestreitet Tötungsabsicht, in: NDR vom 6. Oktober 2020
Was löste tödliche Messerattacke in Celle aus? In: Cellesche Zeitung vom 6. Oktober 2020
Beschuldigter bestreitet Tötungsabsicht, in: Cellesche Zeitung vom 6. Oktober 2020
»Wir sind über das Wasser gekommen und hier in Blut ertrunken«, in: nd vom 14. April 2020
Hintergrund
Gedenken an getöteten 15-jährigen Arkan Hussein Khalaf, Meldung vom 7. Mai 2020
Erklärung nach der Tötung von Arkan Hussein Khalaf in Celle, Meldung vom 14. April 2020
15-jähriger Êzîde in Celle erstochen, Meldung vom 9. April 2020
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