Neue Sammelabschiebung nach Afrika? Guinea-Anhörungen in Braunschweig

Neue Sammelabschiebung nach Afrika geplant? Vorladungen für guineische, togoische und kamerunische Flüchtlinge

Für den 16.-27.7.07 sind bundesweit afrikanische Flüchtlinge zu einer Sammelanhörung vor einer Delegation aus Guinea nach Braunschweig vorgeladen. Außerdem müssen am 5.7. mindestens 20 togoische Flüchtlinge aus Mecklenburg-Vorpommern zu ihrer Botschaft nach Berlin. Und etwa 150 kamerunische Flüchtlinge aus Brandenburg sind ab dem 9.7. zu Anhörungen nach Köln vorgeladen. All dies deutet darauf hin, dass eine weitere Sammelabschiebung in diese (und andere?) afrikanische Länder geplant ist. Bisher fanden solche Abschiebungen per EU-Charter aus Hamburg oder Düsseldorf statt. Bitte warnt alle potenziell betroffenen Flüchtlinge und gebt alle Informationen weiter an info@fluechtlingsrat-hamburg.de oder Tel.: 0173-4108642!

Termine der (uns bekannten) bisherigen Sammelabschiebungen nach Afrika, die alle auf unserer homepage www.fluechtlingsrat-hamburg.de zu finden sind (sowie Infos zu den Guinea-Anhörungen):

– 25.5.04 HH: Togo, Kamerun

– 13.9.04 HH: Benin, Togo, Burkina Faso

– 14.9.05 HH: Togo, Nigeria, Benin

– 24.4.06 HH: Togo, Benin, Guinea

– 18.9.06 HH: Togo, Guinea, Benin

– 15.2.07 HH: Kamerun, Ghana

– 25.4.07 Düsseldorf: Togo, Kamerun

Die Zielländer sind schon in auffälliger Weise identisch mit den jetzt bekannt gewordenen Vorladungen!

Guinea-Anhörungen vom 16.07. bis 27.07 in Braunschweig !

Aus einer „Anordnung der Teilnahme an der Sammelvorführung für guineische Staatsangehörige in Braunschweig“, die hier jemand erhalten hat, geht hervor, dass in Braunschweig vom 16.07.2007 bis zum 27.07.2007 so genannte „Guinea-Anhörungen“ stattfinden werden. Da von diesen Vorführungen wieder bundesweit Flüchtlinge – nicht nur aus Guinea – betroffen sein werden, folgt hier eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse um die letzten Anhörungen und zum Umgang damit.

Zur Erinnerung: ßhnliche Anhörungen fanden bereits 2005 in Hamburg und Anfang 2006 in Dortmund (sowie zuletzt auch in der Schweiz) statt. Dabei wurden Flüchtlinge aus verschiedenen Bundesländern vorgeladen, die nach eigenen Angaben teilweise auch aus anderen afrikanischen Ländern stammten. Die Delegation sollte „ihre Identität klären“ und ihnen gegebenenfalls Papiere ausstellen. Was von solchen „Identifizierungen“ zu halten ist, ging schon aus offiziellen Stellungnahmen hervor: Laut Aussage des Leiters der Zentralen Ausländerbehörde Dortmund entschied die Delegation aus Guinea „aufgrund der Aussprache und der Gesichtsform“ über die guineische Staatsangehörigkeit (Welt, 07.04.06). Wie in der Folge von Flüchtlingen aus Guinea und deren Rechtsanwalt gegenüber der Presse erklärt wurde, war der Leiter der guineischen Delegation, die sowohl in Hamburg, in Dortmund als auch später in der Schweiz war, N’Faly Keita, in Guinea selbst als Schleuser bekannt. Er beschaffte dort Guineern gefälschte Papiere, brachte sie nach Europa und nahm ihnen die Papiere wieder ab, sobald der „Zielort“ erreicht war. Die Skandalisierung und breite Berichterstattung in der lokalen Presse über diese „Doppelfunktion“ des Leiters der guineischen Delegation führte jedoch nicht dazu, dass die Gültigkeit der von ihm ausgestellten Papiere infrage gestellt wurde. So wurde dementierte das Innenministerium NRW sofort Berichte, nach denen zumindest die Abschiebung der betroffenen Flüchtlinge aus NRW, denen die „dubiose Delegation“ aus Guinea Reisepapiere ausgestellt hatte, ausgesetzt werden sollte. Mittlerweile dürften die meisten der damals vorgeführten Flüchtlinge abgeschoben worden sein.

Selbst wenn diesmal die guineische Delegation ohne ihren vorherigen Leiter anreisen sollte, bleibt das Verfahren mehr als zweifelhaft: Dass mit den „Identifizierungen“ solche Delegationen gegen entsprechende finanzielle Entlohnung dem deutschen Staat eine „Gefälligkeit“ erweisen, ist deutlich. Das Verfahren hat sich als sichere Möglichkeit erwiesen, eine Abschiebung von Flüchtlingen aus afrikanischen Ländern durchzusetzen, die keine Papiere haben und/oder denen die Botschaft keine ausstellt. : So soll in Dortmund selbst jemand, der zwar erschienen ist, aber bei der Vorführung kein Wort gesagt hat, als Guineer „erkannt“ worden sein. In Bremen protestierten im Juni 2006 Flüchtlinge, denen von der Delegation Papiere ausgestellt worden waren, gegen ihre geplante Abschiebung nach Guinea: ihren eigenen Aussagen zufolge kamen sie hauptsächlich aus Sierra Leone.

Versuche, gegen das Erscheinen vor der Delegation juristisch vorzugehen, waren nur in wenigen Fällen erfolgreich: So entschied das Verwaltungsgericht Bremen anlässlich der Vorführungen in Hamburg im November 2005, dass es fraglich sei, ob die Vorführung „in den Räumlichkeiten der Ausländerbehörde Hamburg“ … „durch § 82 Abs. 4 AufenthG gedeckt“ sei: „Die Ausländerbehörde Hamburg dürfte nicht die für den Antragsteller im Sinne von § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG „zuständige Behörde“ sein“ (VG Bremen, 03.01.2006, AZ: 4 V 2731/05). Bei den Anhörungen in Dortmund hatte eine Anwältin aus Köln Erfolg mit einem Antrag gegen die Anordnung der „sofortigen Vollziehung“. Allerdings gab das Verwaltungsgericht dem Antrag vor allem aus formalen Gründen statt: es handele sich bei der Vorladung der Ausländerbehörde um eine Zwangsmaßnahme, die einer richterlichen Anordnung des Amtsgerichts bedurft hätte (VG Köln, Beschl. v. 24.03.2006 – 23 L 477/06 -). Mit den (bisher noch nicht in Kraft getretenen) ßnderungen des Aufenthaltsgesetzes werden die Delegationsvorführungen nun nachträglich legitimiert werden: § 82 (4) wird dahingehend ergänzt werden, dass auch das Erscheinen vor „ermächtigten Bediensteten des Staates“ (bisher nur bei der „zuständigen Behörde und den Vertretungen des Staates“) angeordnet werden kann.

Die uns vorliegende „Anordnung“ enthält eine Mischung aus Fehlinformationen und Drohungen. Die Mitglieder der Delegation – denn darum handelt es sich nun wahrscheinlich wieder einmal – werden als „Angehörige der guineischen Botschaft“ bezeichnet: „In der Zeit vom 16.7.2007 bis zum 27.07.2007 findet eine Sammelvorführung für guineische Staatsangehörige durch die Zentrale Ausländerbehörde Dortmund in Braunschweig statt. Dabei werden Mitarbeiter der guineischen Botschaft Ihre Angaben zu Ihrer Herkunft überprüfen und Sie bei der Passbeschaffung unterstützen. … Ihre persönliche Vorsprache bei den Mitarbeitern der guineischen Botschaft in den Räumen der Zentralen Ausländerbehörde Braunschweig ist das mildest mögliche Mittel zur Beschaffung eines Nationalpasses, da ansonsten Ihr persönliches Erscheinen bei der guineischen Botschaft in Berlin erforderlich wäre. Dies wäre mit erheblich höherem Zeit- und Kostenaufwand verbunden. …“ Weiterhin wird mit Sanktionen gedroht, falls jemand bei dem Termin nicht erscheinen sollte: der Vorgeladene müsse dann „damit rechnen, dass künftige Duldungen in ihrer Geltungsdauer drastisch verkürzt werden und auch der räumliche Geltungsbereich bis auf die Grenzen der Stadt verkleinert wird“ (d.h. die sog. Residenzpflicht dann auf die Stadt beschränkt wird). Auch eine „Zwangsvorführung“ wird angedroht.

Die bisherigen Erfahrungen haben deutlich gezeigt, dass ein Erscheinen vor dieser Delegation in der Regel zur Abschiebung führt. Wie schon ausgeführt, ist beim Nicht-Erscheinen aber mit persönlichen Konsequenzen wie der Verschärfung der Residenzpflicht und der Kürzung der finanziellen Unterstützung zu rechnen. Daher muss sich jede/r überlegen, ob er diese Konsequenzen tatsächlich tragen kann. Falls nicht bleibt den Betroffenen natürlich – außer dem Versuch, mit anwaltlicher Hilfe dagegen vorzugehen – wenig anderes, als derVorladung Folge leisten.

Abschließend noch ein kurzer Hinweis: Es gibt einen neuen Amnesty-Bericht über die Situation in Guinea während des Ausnahmezustandes (GUINEA: „SOLDIERS WERE SHOOTING EVERYWHERE“, AI, 27.06.2007): web.amnesty.org/library/Index/ENGAFR290032007.

Initiative gegen Rassismus und Ausgrenzung Dortmund

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