VG Köln: Keine Grundlage für Widerruf von Asylanerkennung Irak

Das nachfolgende Schreiben des Verwaltungsgerichts Köln an den Oldenburger Rechtsanwalt Ekkehard Hausin, in denen die Leitsätze einer Entscheidung vom 10.6.2005 (Az.18 K 4074/04. A) im Widerrufsverfahren eines irakischen Flüchtlings referiert werden, verdeutlicht, dass das VG Köln – im Unterschied zu anderen Verwaltungsgerichten – keine hinreichende Begründung für den Widerruf von Asylanerkennungen irakischer Flüchtlinge zu erkennen vermag. Das Schreiben dürfte eine gute Argumentationshilfe für Stellungnahmen in anderen Widerrufsverfahren darstellen.

gez. Kai Weber

Verwaltungsgericht Köln

Verwaltungsgericht Köln Postfach 10 37 44 50477 Köln

Herren Rechtsanwälte
Hausin, Herr und andere
Cloppenburger Straße 391

26133 Oldenburg

450/2004 1 sch

Sehr geehrte Herren Rechtsanwälte,

in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

gegen
Bundesrepublik Deutschland

wird darauf hingewiesen, dass die Kammer in der Sitzung vom 10.06.2005 in Widerrufsverfahren irakischer Staatsangehöriger entschieden hat.

Die Leitsätze zu dem Verfahren 18 K 4074/04. A lauten:

1. Der ßberprüfung von Widerrufsbescheiden in rechtshängigen Verfahren ist § 73 Abs. 1 S. 1 Asylverfahrensgesetz in der seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetz zum 01.01.2005 geltenden Fassung zugrundezulegen ( § 77 Abs. 1 AsylVfG). Auf dieser Grundlage kann auch die Feststellung widerrufen werden, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 vorliegen, obwohl diese Vorschrift am 01.01.2005 außer Kraft getreten ist,

2. Bei der Anwendung des § 73 AsylVfG 2005 sind das Aufenthaltsgesetz und die Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG vom 29.04.2004 zu berücksichtigen. Die für Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Widerrufsbescheiden maßgebliche Rechtslage hat sich daher entscheidungserheblich verändert.

3. Die Frage, wann eine entscheidungserhebliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Herkunftsstaat im Sinne von § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG 2005 angenommen werden kann, ist in ßbereinstimmung mit der sogenannten Wegfall- der- Umstände- Klausel in Artikel 1 C (5) der Genfer Flüchtlingskonvention zu beurteilen, die nunmehr wörtlich von Art. 11 Abs. 1 Buchst. E) der Qualifikationsrichtlinie übernommen worden ist. Die Feststellung des Wegfalls der Verfolgungsgefahr setzt daher einen grundlegenden, stabilen und dauerhaften Charakter der Veränderungen voraus; sie ist nicht nur spiegelbildlich auf den Wegfall der ursprünglich die Verfolgung begründenden Umstände beschränkt.

Angesichts der hochgradig instabilen Lage im Irak kann von einer dauerhaften und stabilen ßnderung der politischen Verhältnisse in diesem Sinne gegenwärtig nicht ausgegangen werden. Der Sturz des Regimes von Saddam Hussein alleine reicht für eine solche Annahme nicht aus. Dies gilt für den gesamten Irak.

4. Bei der Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG 2005 ist darüber hinaus entsprechend Art. 1 C (5) GFK und Art. 11 Abs. 1 Buchst. e) der Qualifikationsrichtlinie erforderlich, dass es der Flüchtling aufgrund des Wegfalls der Umstände nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Die Berücksichtigung dieser Schutzklausel im Rahmen des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG 2005 ist auch bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist im Wege gemeinschaftskonformer Auslegung gefordert.

Anerkannten Flüchtlingen irakischer Staatsangehörigkeit ist aufgrund der gegenwärtigen Situation im Irak eine Rückkehr unzumutbar im Sinne der Schutzklausel, da schon ihre physische Sicherheit im Falle einer Rückkehr nicht gewährleistet ist. Sie können es daher ablehnen, den Schutz ihres Herkunftslandes in Anspruch zu nehmen.

5. § 73 Abs. 2a AsylVfG 2005 ist auf Grund des § 77 Abs. 1 AsylVfG und mangels einer hiervon abweichenden ßbergangsvorschrift im Zuwanderungsgesetz auch auf solche Widerrufsverfahren anwendbar, in denen das Bundesamt vor dem 01.01.2005 über den Widerruf entschieden hat, diese Entscheidung aber noch nicht bestandskräftig geworden, sondern im Zeitpunkt der Rechtsänderung noch rechtshängig gewesen ist.

In sogenannten Altfällen ist eine entsprechende Anwendung des 73 Abs. 2a AsylVfG 2005 in der Art geboten, dass nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der positiven Statusentscheidung ein Widerruf nur noch im Wege der Ermessensentscheidung möglich ist. Dies folgt unter Berücksichtigung der Integrationspolitischen Zielsetzungen daraus, dass Kern der Neuregelung in § 73 Abs. 2a AsylVfG 2005 ist, eine Verbindung zwischen der Aufenthaltsposition des Asylberechtigten und den Möglichkeiten einer Widerrufsentscheidung herzustellen.

Auf einen Verstoß gegen § 73 Abs. 2a AsylVfG 2005 können sich die Betroffenen auch berufen, weil die Neuregelung nicht lediglich im öffentlichen Interesse besteht, sondern auch den Interessen des Asylberechtigten dient.
Im Hinblick darauf wird angefragt, ob auf mündliche Verhandlung verzichtet wird. Um kurzfristige Mitteilung wird gebeten.(…)

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