Grafschafter Nachrichten 11.05.2010
1600 Jahre Flucht und Vertreibung
250 Roma feierten Frühlingsfest „Herdelezi“ in Nordhorn: Dialog zwischen den Kulturen fördern
Zum Dialog der Kulturen und zur Feier des „Herdelezi“, dem Frühlingsfest der Roma, hatten der Nordhorner „Arbeitskreis Flüchtlingshilfe“ und der Verein „Romana Aglonipe“ (Roma in Niedersachsen) am Sonntag in das Jugendzentrum eingeladen. Rund 250 Roma aus der näheren und weiteren Umgebung hatten sich schon gegen Mittag eingefunden, um das Büfett und die inhaltlichen Programmpunkte vorzubereiten. Eine Foto-Ausstellung zur Lebenssituation der Roma im ehemaligen Jugoslawien zeigte eindrucksvoll die ärmliche Situation im Kosovo.
Von Albrecht Dennemann – Nordhorn. Mit einem Grußwort eröffnete Landrat Friedrich Kethorn das Fest. Die bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Filiz Polat (Bramsche) unterstrich die Bedeutung des Abschiebestopps für die Roma. Der Kreistag des Landkreises Grafschaft Bentheim hatte hierzu mehrheitlich in seiner Sitzung am 11. Februar 2010 eine Resolution verabschiedet. Darin appelliert der Kreistag an den Bundesaußenminister, den Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Situation im Kosovo einer erneuten Prüfung zu unterziehen und bis zum Abschluss der Prüfung die Abschiebung auszusetzen.
Eingeleitet wurde der offizielle Teil des Festes durch den Roma-Musiker Naser Gilani. Im weiteren Verlauf trat die Magdeburger Kinder-Tanz-Gruppe „Kinder des Windes“ unter Leitung der Regisseurin Frauke Sonnenburg auf. In textlich begleiteten Spielszenen stellten die jungen Darstellerinnen die Geschichte der Roma dar: Im 4.und 5. Jahrhundert waren die Roma von Indien aus aufgebrochen – und über all die Jahrhunderte wurden sie nirgendwo länger geduldet. Mit dem Beginn der „Unruhen“ im ehemaligen Jugoslawien setze eine erneute Wanderung der Roma nach West-Europa ein. Für die Dauer des Krieges auf dem Balkan wurden die Roma in Deutschland geduldet, doch mit dem Ende setzte ein stärkerer Druck zur Rückkehr ein. Inzwischen waren die Flüchtlinge aber hier heimisch geworden, Kinder wurden geboren und man hatte Arbeit gefunden.
Djevdet Berisa, Vorsitzender des vor zehn Jahren gegründeten Vereins „Romane Aglonipe“, stellte gegenüber den GN die Brisanz der Situation für die Roma im Kosovo heraus: „Unsere Häuser sind dort zerstört oder es wohnen andere Menschen darin. Arbeit gibt es nicht. Unsere Kinder sind hier sozialisiert und finden keinen Zugang zur dortigen Gesellschaft – kurzum, es gibt für uns kein Zurück!“
Schon in den 1960er und 1970er Jahren waren viele Roma als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. In jenen Jahren wurden sie jedoch nicht als Roma, sondern als Jugoslawen wahr genommen. Eine zweite Zuwanderungswelle setzte mit dem Beginn des Jugoslawien-Krieges ab 1991 ein. Nach dem Pogrom 1999 im Kosovo setzte die vorläufig letzte Welle ein. Die Roma und Sinti sind nach Angabe der Organisatoren mit rund 15 bis 20 Millionen Menschen die größte Minderheit im EU-Europa.
„Romane Aglonipe“ und der „Arbeitskreis Flüchtlingshilfe“ sehen das erstmals öffentlich gefeierte „Herdelizi“-Fest als Auftakt für einen intensiveren Dialog zwischen den Kulturen. Sie möchten gemeinsam für Verständnis und Annäherung sorgen und auf die Problematik der Roma in der Grafschaft und in Niedersachsen hinweisen. „Wir wollen miteinander und nicht übereinander reden“, sagte Heidi Kunert vom Arbeitskreis. Vierzehntägig trifft sich das „Roma-Forum“ im Martin-Luther-Haus an der Klarastraße. Das nächste Treffen ist am 22. Mai. Sport-, Musik-, Tanz- und Gesprächsangebote sollen zukünftig das Angebot für die Roma abrunden.
Zum Schluss der Veranstaltung zeigten sich die Verantwortlichen zufrieden mit dem Verlauf und dem Erfolg, obwohl sehr wenige Nicht-Roma anwesend waren. Jährlich soll das Fest wiederholt werden, um nachhaltig den Dialog zu fördern.