Flüchtlingsrat kritisiert rabiate Flüchtlingspolitik im Landkreis Schaumburg

Der gestern gescheiterte Versuch des Landkreises Schaumburg, die armenische Flüchtlingsfamilie K. nach 15-jährigem Aufenthalt in Deutschland ohne vorherige Ankündigung in ihr Herkunftsland abzuschieben, ist symptomatisch für die von der Ausländerbehörde im Landkreis Schaumburg betriebene, rabiate Flüchtlingspolitik. Insbesondere für die 17-jährige Tochter, die hier mit Erfolg das Gymnasium besucht und Armenien gar nicht kennt, war der Abschiebungsversuch ein unvorstellbarer Schock. Wieder einmal wurden Menschen, die bei uns längst ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, durch die Behörden in Angst und Schrecken versetzt. Erst durch einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover wurde die Abschiebung in allerletzter Minute gestoppt. Wir fragen den Landkreis:

  • Warum wurde die Abschiebung eingeleitet, ohne den für die Familie gestellten Antrag auf die Gewährung eines Bleiberechts nach der niedersächsischen Bleiberechtsregelung auch nur zu bescheiden?
  • Der Landkreis Schaumburg hat die Verweigerung des Bleiberechts mit einer verzögerten Vorlage des alten sowjetischen Inlandspasses begründet. Eine Verfehlung der Familie K. vermochte das Verwaltungsgericht jedoch nicht zu erkennen. Doch selbst wenn man der verqueren Logik der Ausländerbehörde folgte, wäre ein unabhängiges Bleiberecht für die Tochter möglich gewesen. Warum ist dies vom Landkreis nicht einmal geprüft worden?
  • Warum wurde der Abschiebungstermin nicht vorher angekündigt? Hält der Landkreis Schaumburg es für überflüssig, einer Familie nach 15jährigem Aufenthalt zumindest die Gelegenheit zu geben, ihre persönlichen Angelegenheiten zu regeln?
  • Warum wurde die Familie um vier Uhr im Morgengrauen zur Abschiebung abgeholt, obwohl die Abschiebung erst um 15 Uhr stattfinden sollte?

gez. Kai Weber
Geschäftsführer
Hintergrund:

Der rabiate Umgang mit Flüchtlingen hat im Landkreis Schaumburg Methode: In keinem anderen Landkreis in Niedersachsen wird die bestehende Bleiberechtsregelung so kleinlich und engherzig ausgelegt, die Flüchtlingsfamilien bis Ende September 2007 die Chance einräumt, eine Arbeit zu finden und auf dieser Grundlage dann eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Selbst wenn alle Bedingungen erfüllt sind, wird eine Entscheidung monatelang hinausgezögert. Entsprechend niedrig ist die Zahl der Bleibeberechtigten. Mit ständig neuen Ausflüchten und Tricks verweigert der Landkreis Schaumburg die Gewährung eines Bleiberechts:

  • Beispiel Familie Hachem: Die Ausländerbehörde stellte der Familie eine schriftliche Bescheinigung zur Vorlage bei der Botschaft mit dem Wortlaut aus: „Bei Vorlage eines gültigen Heimatpasses und dem Vorliegen der weiteren Erteilungsvoraussetzungen wird ein Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland erteilt.“ Mit dieser Bescheinigung erhielt die Familie von der Botschaft tatsächlich einen Pass – aber keinen Aufenthaltstitel. Stattdessen betreibt die Ausländerbehörde nun mit dem vorgelegten Pass die Abschiebung.
  • Beispiel Familie M: Der Familie wurde ein Bleiberecht nach der Bleiberechtsregelung mit der Begründung verweigert, die Familie habe bereits in der Vergangenheit eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, die nach Wegfall des Abschiebungshindernisses nunmehr erlösche. Ein Wechsel des Status sei nicht möglich, die Familie müsse gehen. Erst nach Vorlage einer schriftlichen Rechtsauskunft des niedersächsischen Innenministeriums lenkte die Ausländerbehörde ein. Statt nunmehr unbürokratisch die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, verlangte die Ausländerbehörde danach den Nachweis von Deutschkenntnissen für die Kinder, obwohl diese die Realschule mit gutem Erfolg besuchen.
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