Demonstrationen angesichts der Gewalt gegen Menschen auf der Flucht

Mit drastischer Gewalt versucht die griechische Grenzpolizei seit dem Wochenende, Menschen von der Flucht über die türkisch-griechische Grenze abzuhalten, während die EU schweigt bzw. Frontex-Unterstützung anbietet. Die Polizei setzt Tränengas ein – auch gegen Familien mit kleinen Kindern -, Schlauchboote mit Geflüchteten werden von den griechischen Küstenwache bedrängt, um sie in türkische Gewässer zurückzudrängen, gestern soll ein Syrer durch Schüsse gestorben sein. Am Montag ertrank ein Kleinkind, als das Schlauchboot mit Flüchtlingen in griechischen Gewässern kenterte.

Zudem sind in den letzten Tagen rechtsextreme Mobs vom Festland auf die griechischen Inseln gekommen und bedrohen seither gemeinsam mit Gruppen von Einheimischen Geflüchtete, Journalist*innen und NGOs. Bereits am Sonntag hat die griechische Regierung das Asylrecht ausgesetzt – ein klarer Bruch mit der Genfer Flüchtlingskonvention und ein Verstoß gegen europäisches Recht.

Unsere Forderungen

Angesichts der Gewalt der griechischen Grenzpolizei gegenüber Menschen auf der Flucht fordern wir:

  1. Die Bundesregierung muss sich sofort dafür einsetzen, dass die EU die Grenze öffnet und die Menschen auf der Flucht ungehindert einreisen lässt. Den Menschen muss ermöglicht werden, in einem Land ihrer Wahl einen Asylantrag stellen zu können. Das Recht auf Asyl darf in allen EU-Mitgliedstaaten nicht in Frage gestellt werden.
  2. Die Bundesregierung muss alles dafür tun, damit die Elendslager an den EU-Außengrenzen – wie Moria auf Lesbos – geschlossen und die Menschen aus Lagern in Griechenland und anderen Staaten an den EU-Außengrenzen rasch auf übrige EU-Staaten verteilt werden.
  3. Die EU muss umgehend sichere Fluchtkorridore aus dem syrischen Kriegsgebiet in Idlib nach Europa einrichten.
  4. Die EU darf sich nicht länger vom Despoten Erdogan erpressen lassen und muss den EU-Türkei-Deal aufkündigen.
  5. Die niedersächsische Landesregierung muss die Unterstützung von Frontex in Griechenland durch eigene Polizeibeamt:innen umgehend einstellen.
  6. Die niedersächsische Landesregierung muss ihre erklärte Aufnahmebereitschaft von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen erneuern und die Aufnahmezusage erweitern.

Bundesweit gibt es rund 140 aufnahmebereite Kommunen. Daneben haben zehn Bundesländer ihre Aufnahmebereitschaft erklärt: Niedersachsen, Berlin, Bremen, Schleswig-Holstein und Thüringen mit sehr konkreten Zusagen, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Rahmen einer europäischen Initiative. Finnland, Frankreich und Portugal haben ihre Aufnahmebereitschaft ebenfalls erklärt. Die Bundesregierung muss nun die Aufnahme der Menschen, die an der türkisch-griechischen Grenzen ausharren, sowie derjenigen, die auf den Elendslagern auf den griechischen Inseln festsitzen, ermöglichen. Denn: #WirhabenPlatz.

Die niedersächsische Politik

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius nennt die Zustände in den Hotspots auf den griechischen Inseln zwar zurecht „erbärmlich“ und erneuert seinen Vorschlag, unbegleitete Kinder aus den Camps aufzunehmen. Es ist aber befremdlich, dass auch Pistorius von der Notwendigkeit redet, „die Außengrenzen geschlossen zu halten“. Es ist gerade die Panik europäischer Regierungen, eine Situation wie 2015 könne sich wiederholen, die für die massive Gewalt der Grenzpolizei gegenüber Menschen auf der Flucht führt. Wir brauchen nicht Abschottung, sondern Solidarität und Aufnahme. Das wäre nicht nur eine humane Politik gegenüber Geflüchteten, sondern würde die EU auch nicht mehr abhängig machen von einem Despoten wie Erdogan, der mit seiner Kriegspolitik in Syrien selbst für die Flucht zehntausender Menschen verantwortlich ist.

Dagegen spricht Ministerpräsident Stephan Weil zwar auch unnötigerweise von einem angeblichen „Kontrollverlust“, betont aber, dass für Niedersachsen eine Aufnahme ohne Probleme möglich sei:

„Das Entscheidende für mich ist eigentlich, dass wir uns ernsthaft fragen: Was können wir verantwortbarerweise leisten?“, sagte Weil. „Das ist durchaus eine ganze Menge, vor allem dank vieler Bürger, die sich nicht nur vor vier Jahren, sondern bis heute für die Aufnahme in Not befindlicher Menschen engagieren.“

Es gebe auch zahlreiche Städte und Gemeinden, die aufnahmebereit seien. „In Niedersachsen und anderen Bundesländern haben wir aus den Erfahrungen von 2015/2016 durchaus gelernt“, meinte der Ministerpräsident. „Viele Unterkünfte sind gewissermaßen im Standby-Modus und können jederzeit aktiviert werden.“

– Stephan Weil laut NOZ vom 3. März 2020

Demonstrationen der Seebrücke und Zivilgesellschaft

In den kommenden Tagen finden bundesweit zahlreiche SEEBRÜCKE-Demos unter dem Motto „Grenzen auf! Leben retten!“ statt. In Niedersachsen wird bislang organisiert:

Hannover: Mittwoch, 4. März 2020, 17 Uhr, Ernst-August-Platz
Lüneburg: Mittwoch, 4. März 2020, 20 Uhr, Böll-Haus

Göttingen: Donnerstag, 5. März, 17 Uhr, Gänseliesel
Braunschweig: Donnerstag, 5. März 2020, 18 Uhr, Platz der Deutschen Einheit
Osnabrück: Donnerstag, 5. März, 18 Uhr, Hauptbahnhof

Lüchow: Freitag, 6. März 2020, 16 Uhr, Marktplatz

Oldenburg, Samstag, 7. März 2020, 11 Uhr, Lefferseck

Weitere Termine für Kundgebungen und Demonstrationen sind in den nächsten Tage zu erwarten. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen ruft zur Teilnahme an den Kundgebungen auf.

Zum Unterzeichnen: Petition „Humanitäre Krise in Griechenland: Deutschland & Europa müssen Flüchtlingen Schutz bieten“ auf change.org.

Aktuelle Stellungnahmen

Pro Asyl, Humanitäre Krise in Griechenland: Flüchtlingsaufnahme jetzt!, 28. Februar 2020

w2eu – infomobile Greece and WatchTheMed Alarm Phone, At the Greek-Turkish border, politicians play with people’s lives, 1. März 2020

Hundreds of groups and organizations from Europe and beyond, Common Statement: Transnational solidarity against racism and war!, 1. März 2020

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