Andres lebt nicht mehr – das, was wir auf der letzten gemeinsamen Feier des Nds. Flüchtlingsrats befürchten mussten, aber letztlich doch beiseite geschoben haben, ist eingetreten. Für uns, d.h. für die Mitglieder des Vorstands und für die Mitarbeiter/innen, ist es schwer zu begreifen, dass er nicht mehr bei uns ist, dass er uns nicht mehr besuchen, nicht mehr begleiten wird.
Was hat ihn so liebenswert gemacht?
Wir haben Andres kennen- und schätzen gelernt als klugen und weisen Menschen. Als Menschen, der es verstand, den richtigen Weg zur richtigen Zeit zu gehen. Der in seiner Zeit als Vorstandmitglied und auch danach mit seinem Sachverstand und seiner Lebenserfahrung den Jüngeren oder auch Unerfahrenen unter uns Sicherheit gab, die z.T. schwierigen Aufgaben zu meistern und Probleme und Konflikte durchzustehen.
Andres war hartnäckig: Wenn er sich persönlich davon überzeugt hatte, dass jemand Unterstützung brauchte, dann ließ er sich von einem behördlichen „das geht nicht“ nicht beeindrucken. Egal, ob es sich um armenische, bengalische oder kurdische Flüchtlinge handelte. Er war fest davon überzeugt, dass Unrecht nicht zu Recht werden dürfe und dass es möglich ist, das zu verhindern.
Andres schöpfte dabei seine Kraft und seinen Mut aus seiner festen Über-zeugung, dass sich die Greueltaten des Faschismus nicht wiederholen dürften, dass nie wieder die Unterdrückung von Minderheiten, von politisch anders Denkenden, von schwachen Menschen den politischen Mainstream bestimmen sollte.
Andres war engagiert und seiner Sache treu. Er war sofort zur Stelle, als wir ihn gefragt haben, Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrats zu werden. Er tat dies, obwohl oder gerade weil der Flüchtlingsrat inmitten einer schwierigen Findungsphase war. Ja, er schien darum zu wissen, dass wir ihn mit seinem Rat und seiner Lebenserfahrung brauchten. Auch als er dann aus gesundheitlichen Gründen die Vorstandsarbeit beendete, hat er uns als Rechnungsprüfer weiter zur Seite gestanden. Als auch das nicht mehr ging, hat er uns bei all unseren Veranstaltungen – zuletzt bei der Ausstellung „Illegalisierte“ in Hannover oder bei der Jubiläumsfeier im Nds. Landtag – mit seiner aktiven Anwesenheit bereichert. Andres hat immer dort, wo er sich einbringen konnte, mitgemacht.
Andres hat sich mit großem diplomatischem Geschick um einen Ausgleich gerade auch in Konflikten bemüht. Das gilt für die Richtungskämpfe und Meinungsverschiedenheiten im Nds. Flüchtlingsrat ebenso wie für Konflikte, die zeitweise zwischen dem Hildesheimer Asyl e.V. und dem Flüchtlingsrat Niedersachsen auftraten. Zu welcher Seite mann/frau auch gehört haben mag, Andres wurde von allen als Gesprächspartner nicht nur akzeptiert, sondern geschätzt.
Andres war den Menschen zugewandt. Ich erinnere mich an keine Begegnung mit ihm, in der er sich nicht nach dem persönlichen Befinden erkundigte, in der nicht danach fragte, wie es der Familie, den Kindern, den Freunden gehe, wo er nicht von sich, von Regula oder seiner Familie erzählte, und von dem, was ihn gerade bewegte und beschäftigte. Diese Menschenfreundlichkeit machte ihn zu einem Gesprächspartner, auf den mann/frau sich freute.
Andres war großzügig und wusste um die Wirkung eines passenden Geschenkes zur rechten Zeit. Sei es das persönliche Geschenk zur Geburt eines Kindes oder die wohltuende Gastfreundschaft, wenn wieder einmal eine Vorstandssitzung in Hildesheim stattfand und die „Auswärtigen“ in Hildesheim übernachten mussten. Eine lange Zeit selbst vom Vorstand unbemerkt hat Andres die Weihnachtsfeier des Flüchtlingsrats gesponsert. Er hat damit dazu beigetragen, dass sich ehren- und hauptamtliche MitstreiterInnen des Flüchtlingsrats einmal im Jahr gemeinsam trafen und austauschten.
So wie sich für mich in den letzten Jahren die Begegnung mit Andres gerade auf diese Weihnachtsfeier beschränkte, so sehr – und das geht mitnichten nicht nur mir so – können wir uns eine solche Feier ohne Andres gar nicht vorstellen.
Unsere letzte Weihnachtsfeier, die ja erst im Januar – also vor nicht einmal sechs Wochen – stattfand, hat Andres zum Anlass genommen, ein letztes Mal mit uns zusammen zu sein. Er hat sich dabei, ohne dass wir es wirklich in aller Deutlichkeit bemerkt haben, von uns allen persönlich verabschiedet – Andres hatte Stil und auch sein Sterben hatte Stil – wir werden ihn vermissen, aber die Erinnerung an seine Ausstrahlung wird nicht verblassen.
Hildesheim, März 2010
Norbert Grehl-Schmitt