Der sog. „Türkei-Deal“ markierte im Jahr 2016 einen Paradigmenwechsel in der europäischen Flüchtlingspolitik: Erstmals wurde ein Staat zum „sicheren Drittstaat“ erklärt, in dem weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleistet sind. Nicht der vielfach dokumentierte Bruch des Non-Refoulement-Gebots, also die Abschiebung von Geflüchteten aus der Türkei in Verfolgerländer, nicht der kriegerische Einmarsch in Nordsyrien unter Bruch des Völkerrechts und die Vertreibung hunderttausender dort lebender Menschen, und auch nicht massive Verfolgungsmaßnahmen gegen vermeintliche Regimegegner:innen, in deren Folge die Türkei 2019 zu einem der drei Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen in Deutschland avancierte (siehe BMI-Zahlen) haben die EU bislang davon abhalten können, den Deal mit Erdoğan aufzukündigen. Eine Politik, die das Asylrecht nur noch formal hochhält, gleichzeitig aber mit Autokraten, Diktatoren und Milizionären zusammen arbeitet, um eine Flucht von Menschen nach Europa zu verhindern, kann nur als bigott bezeichnet werden.
Nachfolgend dokumentieren wir den Aufruf von PRO ASYL an Bundeskanzlerin Merkel, das Paktieren mit Erdoğan auf dem Rücken Schutzsuchender zu beenden.
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PRO ASYL fordert, das Paktieren mit Erdoğan auf dem Rücken Schutzsuchender zu beenden!
Die Befürchtung von PRO ASYL, dass mit Deals wie der sogenannten EU-Türkei-Erklärung die Flucht aus Kriegs- und Krisengebieten massiv erschwert wird, hat sich bestätigt:
- Die Flucht aus Hauptherkunftsländern wie Syrien und Afghanistan wird systematisch geblockt. An der türkisch-iranischen Grenze entsteht eine 144 Kilometer lange Grenzmauer. Die türkisch-syrische Grenze ist bereits seit 2015 nur in Ausnahmefällen passierbar; auch entlang dieser Grenze steht eine Mauer. Immer wieder wird von Schüssen aus der Türkei auf Schutzsuchende berichtet.
Aktuell sind im türkischen Grenzgebiet Haftzonen geplant, in denen Schutzsuchende bis zum Ende ihres Verfahrens festgehalten werden sollen. Wie diese Verfahren aussehen sollen, ist unklar, wie lange die Menschen dort längstens festgehalten werden dürfen, welche Rechte sie haben, ebenfalls. Es droht das de facto Verschwinden von Flüchtlingen in diesen Haftzonen an der Grenze auf Jahre – ein menschenrechtliches Niemandsland.
- Die Türkei schreckt nicht davor zurück, Menschen in Kriegs- und Krisengebiete wie Syrien und Afghanistan abzuschieben und hat dies bereits vielfach getan. Dies ist eine Verletzung des völkerrechtlichen Abschiebungsverbots (Refoulement). Nach dem kriegerischen Einmarsch in Nordsyrien unter Bruch des Völkerrechts und der Vertreibung hunderttausender dort lebender Menschen will die Türkei zudem dort syrische Geflüchtete zwangsansiedeln bzw. hat bereits damit begonnen.
- Mit teils brutaler Gewalt wird die Flucht aus der Türkei Richtung Europa über Land- und Seegrenze verhindert.
Hintergrund
Die Türkei ist kein »sicherer Drittstaat« für Flüchtlinge
Verletzungen des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung
Der Grundsatz der Nicht-Zurückweisung wird durch die Türkei systematisch verletzt. Gemäß dem Notstandsdekret 676 vom Oktober 2016, das 2018 größten Teils ins ordentliche Recht übernommen wurde, können Schutzsuchende aus Gründen der öffentlichen Ordnung, öffentlichen Sicherheit oder Terrorismus zu jeder Zeit während und nach dem Verfahren abgeschoben werden. Die Zuordnung ist willkürlich: Bereits das Arbeiten ohne Arbeitserlaubnis wird als Gefahr der nationalen Sicherheit bewertet, Kleinkinder und alte Menschen werden als Mitglieder von Terrororganisation eingestuft. Sie werden mit einem Sicherheitscode belegt, erhalten eine Rückkehranordnung, werden inhaftiert und sogar abgeschoben.
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