Der Vorschlag des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen, ist bei Flüchtlingsräten, dem Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) und Equal Rights Beyond Borders auf ein positives Echo gestoßen:
Vinzent Vogt von Equal Rights Beyond Borders:
„Das griechische Aufnahmesystem ist mit der hohen Zahl an Schutzsuchenden überfordert – die Folge sind inhumane und gefährliche Bedingungen, insbesondere auf den griechischen Inseln in der Ostägäis. Dabei sind gerade unbegleitete minderjährige Asylsuchende völlig inadäquat versorgt. Die staatlichen Unterbringungskapazitäten in Wohnheimen genügen nur für knapp 25 % von ihnen, die anderen leben in Camps, sind zu ihrem Schutz inhaftiert oder obdachlos„.
Viele der über 4.100 unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten in Griechenland werden unrechtmäßig inhaftiert, leben auf der Straße oder in den überfüllten „Hotspots“ der ostägäischen Inseln, da die wenigen spezialisierten Unterkünfte für Minderjährige in Griechenland bei weitem nicht ausreichen. Den Jugendlichen und Kindern droht Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch, sie haben kaum Zugang zu medizinischer Versorgung oder ausreichend Nahrung (siehe Bericht von Equal Rights und BumF).
Gefordert ist vor allem die Bundesregierung, die im Rahmen eines Relocation-Programms unbegleitete Minderjährige und weitere vulnerable Gruppen (wie etwa schwangere Frauen) aus Griechenland in Deutschland aufnehmen sollte. Aber auch die Bundesländer können Zeichen setzen. Wir fordern den niedersächsischen Innenminister auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und ein Landesaufnahmeprogramm für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzulegen.
Dörthe Hinz vom Flüchtlingsrat Niedersachsen:
„Nicht nur in Niedersachsen schließen derzeit Einrichtungen der Jugendhilfe für unbegleitete Minderjährige oder sind unterbelegt. Viele Träger haben Plätze frei, auf die sie gerne unbegleitete Minderjährige sofort aufnehmen würden. Jetzt fehlt nur noch der politische Wille.“
Ein eigenes Landesprogramm zur Aufnahme von Familienangehörigen aus bestimmten Ländern haben derzeit nur die Länder Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein, Hamburg und Thüringen.
Viele der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die in Griechenland gestrandet sind und zu ihren Angehörigen nach Deutschland wollen, hätten eigentlich nach der Dublin III – Verordnung einen Rechtsanspruch, zu ihren Angehörigen umverteilt zu werden. Obwohl die Gesetze eine vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls vorschreiben, lehnte Deutschland in der ersten Jahreshälfte ungefähr drei Viertel der Übernahmegesuche nach Familienzusammenführungen ab.
Ulrike Schwarz vom BumF e.V. :
„Für minderjährige Flüchtlinge ist der beste Schutz ein sicheres Leben mit und in der Familie. Familienzusammenführung ist damit aktiver Kinderschutz. Anstatt Kindern und Jugendlichen ihr Recht auf Schutz und Familieneinheit zu verwehren, sollte Deutschland Wege zur Einreise schaffen, damit sie in Sicherheit leben können.“
Das Scheitern der EU-Abschottungspolitik und des Hotspot-Systems ist offensichtlich. Die Hotspots dienen als Orte der Abschreckung, in denen Menschenrechte systematisch verletzt werden. Sie müssen geschlossen und alle Menschen verteilt werden. Nur so lassen sich die Rechte der Menschen auf der Flucht wahren.
Weitere Hintergrundinformationen
Flüchtlingsrat Niedersachsen, Pistorius in Athen und Lesbos: Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert nachhaltigen Einsatz des Ministers für die Rechte der Menschen auf der Flucht, Pressemitteilung vom 30. Oktober 2019
BumF/Equal Rights Beyond Borders, Bericht Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Griechenland, Juli 2019
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