Carola Rackete hat als Kapitänin der Sea-Watch 3 den Notstand an Bord ausgerufen und ist nach über zweiwöchiger Hängepartie auf eigene Faust in den Hafen von Lampedusa eingefahren. Carola Rackete hat das einzig Richtige getan: Sie rettet Leben, beweist Haltung und verteidigt die Menschenrechte.
? Statement unserer Kapitänin, #CarolaRackete, vor dem Einlaufen mit der #SeaWatch3.
Wir sind stolz auf unsere Kapitänin, sie hat genau richtig gehandelt. Sie hat auf dem Seerecht beharrt und die Menschen in Sicherheit gebracht," – #SeaWatch-Vorstand Johannes Bayer. pic.twitter.com/0BWHOTFPVf
— Sea-Watch (@seawatchcrew) June 29, 2019
Ihre Verhaftung in Italien ist ein Skandal, ein neuer Tiefpunkt der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung. Die Entlassung von Carola Rackete ist zwar erfreulich. Aber nichts ist okay: Es ertrinken weiterhin Menschen im Mittelmeer, während andere in den Lagern in Libyen leiden.
Die SEEBRÜCKE-Bewegung hat den Notstand der Menschlichkeit erklärt und ruft für Samstag, den 6. Juli 2019, bundesweit zu Demonstrationen für die Rechte von Geflüchteten und gegen das Sterben im Mittelmeer auf. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen schließt sich mit vielen weiteren Organisationen diesem Aufruf an. In Deutschland, aber auch in anderen Staaten werden Menschen auf die Straßen gehen – bisher sind weit über 80 Demonstrationen angemeldet.
Demos in Niedersachsen
In zahlreichen niedersächsischen Orten werden in den nächsten Tagen Demonstrationen organisiert.
Am Donnerstag, den 4. Juli 2019:
Vechta, 18 Uhr, Europaplatz (Pferd) (Veranstaltung bei Facebook)
Am Samstag, den 6. Juli 2019:
Braunschweig, 11 Uhr, Schlossplatz (Veranstaltung bei Facebook)
Osnabrück, 11 Uhr, Menschenkette, Treffpunkt vor dem Theater Osnabrück (Infos hier)
Lüneburg, 12 Uhr, Clamartpark (Friedenstraße) (Veranstaltung bei Facebook)
Holzminden, 10 Uhr, Ackerbürger, Mahnwache
Hannover, 12:30 Uhr, Ernst-August-Platz (Veranstaltung bei Facebook)
Oldenburg, 13 Uhr, Julius-Mosen-Platz
Göttingen, 14 Uhr, Gänseliesel (Veranstaltung bei Facebook)
Hildesheim, 14 Uhr, Bahnhofsplatz
Wilhelmshaven, 14 Uhr, Börsenplatz (Veranstaltung bei Facebook)
Garbsen, 18 Uhr, Silvanusgemeinde Berenbostel, Mahnwache mit Friedensgebet (mehr Infos)
(Die Liste wird fortlaufend aktualisiert.)
Auf der Seite der SEEBRÜCKE gibt es eine Übersicht über alle bundesweiten Demos.
Die Entwicklungen der letzten Tage
Aktuell befinden sich lediglich zwei Rettungsschiffe im Mittelmeer, um Menschen auf der Flucht aus Seenot zu retten: die Alan Kurdi der deutschen NGO Sea-Eye sowie – nach sechs Monaten, in denen sie sehr vermisst wurden – die OpenArms der gleichnamigen spanischen Organisation.
Die Aufnahme von Geretteten bleibt weiterhin ungeklärt. Die EU und die Mitgliedsstaaten setzen auf Abschottung, eine Einigung über die Verteilung der Menschen nach ihrer Rettung aus Seenot ist nach wie vor nicht in Sicht. Im Gegensatz zur europäischen Abschottungspolitik und der Blockade der EU-Staaten setzen sich zahlreiche zivilgesellschaftliche, landes- und kommunalpolitische Akteure für die Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen ein. Gerade Kommunen zeigen ihre Solidarität und Verantwortung.
Seit Herbst 2018 sind mehr als 60 Kommunen in Deutschland zu Sicheren Häfen geworden – und ständig kommen neue hinzu. Darüber hinaus erklären Bürgermeister*innen in ganz Europa – von Palermo über Neapel bis nach Barcelona – ihre Kommunen zu Offenen Städte für Geflüchtete. In Palermo hat Bürgermeister Leoluca Orlando die Sea-Watch-Crew und den EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm, der sich mit klaren Worten für die Seenotrettung einsetzt, unlängst zu Ehrenbürger:innen ernannt.
Am 13./14. Juni 2019 fand in Berlin unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters und in Kooperation mit der Landeshauptstadt Potsdam der SEEBRÜCKE-Kongress „Sichere Häfen. Leinen los für kommunale Aufnahme“ statt. Bei diesem Kongress hat sich das kommunale Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ konstituiert. Das Bündnis hat gemeinsam die Potsdamer Erklärung unterzeichnet, mit dem die Kommunen ihre Bereitschaft erklären, die „aus Seenot Geretteten zusätzlich aufzunehmen“. Sie fordern von „der Bundesregierung und dem Bundesinnenminister die schnellstmögliche Zusage, dass wir aufnahmebereiten Kommunen und Gemeinden die aus Seenot im Mittelmeer geretteten Geflüchteten auch aufnehmen können.“ Diesem Bündnis gehören bislang folgende Städte an: Berlin, Detmold, Flensburg, Freiburg, Greifswald, Heidelberg, Hildesheim, Kiel, Krefeld, Marburg, Potsdam, Rostock, Rottenburg am Neckar. Weitere Städte bereiten ihren Beitritt zum Bündnis vor. Die Koordination des Bündnisses liegt zunächst bei der Stadt Potsdam.
Auch beim Evangelischen Kirchentag in Dortmund war die Seenotrettung eines der zentralen Themen. Eine Resolution fordert die EKD auf, ein eigenes Schiff zur Seenotrettung zu schicken. Schon Anfang Juni 2019 hatte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm mit einem Palermo-Appell ein europäisches Sofortprogramm zur Seenotrettung gefordert.
Links und Lektüreempfehlungen
Wie Italien sich aus der Seenotrettung zurückzog, in: FAZ Online vom 1. Juli 2019
„Wir missachten unsere eigenen menschenrechtlichen Standards“, in: ZEIT Online vom 1. Juli 2019
Dieses Spiel schadet der EU, in: Der Tagesspiegel vom 30. Juni 2019
„Ein Schiff wird zum Gefängnis“, in: taz vom 30. Juni 2019
Kapitänin Carola Rackete – eine wahre Europäerin in Handschellen, in: Frankfurter Rundschau vom 30. Juni 2019
Das unsichtbare Sterben der Kinder, in: Zeit Online vom 28. Juni 2019
Deutsche Kapitänin gegen Italiens Salvini, in: Tagesspiegel vom 27. Juni 2019
Eine knappe Einordnung der Verantwortlichkeit der deutschen Bundesregierung für die Entwicklung der EU-Migrationspolitik gibt dieser Thread von Maximilian Pichl.
Bei @NZZ und @zeitonline wird #CarolaRackete und @seawatchcrew die Schuld gegeben, dass so viele Menschen nach ?? kommen und dort die extreme Rechte regiert.
Es war die ?? Bundesregierung, die Anfang der 2000er gegen den Widerstand von ?? die Dublin-Verordnung durchgesetzt hat.
— Maximilian Pichl (@MXPichl) July 1, 2019
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