Ausreisepflichtig? Bundesregierung operiert mit falschen Zahlen

Die von der Bundesregierung verbreiteten Informationen über die Zahl der in Deutschland angeblich ausreisepflichtigen Personen sind in hohem Maße fehlerhaft und fragwürdig, wie der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen (Landtags-Drucksache 18/3989) zu entnehmen ist:

  • 78% aller Ausreisepflichtigen verfügen den Zahlen des AZR zufolge über eine Duldung. Bei ihnen wurde die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt.
  • Unter den vielen als ausreisepflichtig deklarierten Personen (22.918), bei denen z. B. ein Speichersachverhalt zu Abschiebungen und/oder Ausweisungen und/oder Zurückweisungen/Zurückschiebungen und/oder Duldungen vorhanden ist, sind auch Personen erfasst, denen später ein Aufenthaltsrecht erteilt worden ist oder die bereits ausgereist sind.
  • Die Fragwürdigkeit der Zahlen über angeblich Ausreisepflichtige wird am Beispiel der EU-Bürger:innen besonders deutlich: Erfasst sind im Ausländerzentralregister 854 EU-Bürger:innen, die angeblich ausreisepflichtig sind. Aber nur 319 EU-Bürger:innen haben ihre Freizügigkeitsbescheinigung verloren. Die übrigen 535 Personen sind entweder längst ausgereist oder leben mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland und sind n i c h t ausreisepflichtig.
  • Unter Berücksichtigung der genannten Registrierungsfehler mag die niedersächsische Landesregierung nicht ausschließen, dass die hohe Abweichungsquote von 37% in Hessen auch auf Niedersachsen zutreffen könnte, wagt aber angesichts der nicht validen Datengrundlage keine Prognose.

Fazit: Die Daten, auf deren Grundlage die Bundesregierung das Thema „Abschiebungen“ zur höchsten Priorität erhebt, sind unbrauchbar. Die Bundesregierung instrumentalisiert zur Begründung eines politisch motivierten und von Innenminister Seehofer schon vor Jahren geforderten Paradigmenwechsels weg von der „Willkommenskultur“ hin zu einer Politik der Ausgrenzung und Abschiebung offenkundig falsche Zahlen. Das angebliche „Vollzugsdefizit“ entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Hirngespinst.

Selbst bei Zugrundelegung der fehlerhaften Daten lässt sich das von der Bundesregierung immer wieder behauptete „Vollzugsdefizit“ nicht feststellen, da sich die Zahl der angeblich „Ausreisepflichtigen“ in den vergangenen vier Jahren nur um 50% erhöht hat, während die Zahl der Flüchtlinge mit Aufenthaltsstatus sich im gleichen Zeitraum verfünffacht hat. Tatsächlich hat sich die Zahl der tatsächlich Ausreisepflichtigen seit Jahren kaum verändert, wie die qualifizierte Auswertung der Zahlen durch Dr. Sebastian Ludwig (Diakonie) verdeutlicht.

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