Demonstration vor der Abschiebungshaftanstalt Langenhagen
Flüchtlingsrat übergibt Forderungen an Justizministerin Havliza
Knapp 2.000 Leute demonstrierten vergangenes Wochenende in Berlin, Büren, Darmstadt, Halle, Dessau, Dresden, Glückstadt, Eichstätt, Hannover, Mainz und Pforzheim gegen Abschiebehaft. Sie forderten ein Ende der hundertjährigen Geschichte der Abschiebehaft. Auch in Hannover demonstrierten am Abend des 11. Mai 100 Menschen vor der Abschiebungshaftanstalt Langenhagen.
Bereits am 10. Mai informierten sich viele Menschen am Aktionsstand des Flüchtlingsrats in der Hannoveraner Innenstadt, wo der Flüchtlingsrat im Rahmen einer Kunstaktion die Lebenssituation von Abschiebungsgefangenen in Langenhagen thematisierte und Unterschriften sammelte. Im Anschluss an die Demo informierten Johanna Lal und Muzaffer Öztürkyilmaz vom Flüchtlingsrat Niedersachsen über die 100-jährige Geschichte der Abschiebehaft sowie über das Recht und die Realität deutscher Abschiehaft(gefängnisse).
Am 14. Mai übergab der Flüchtlingsrat eine Liste von Forderungen an die niedersächsische Justizministerin. Die Justizministerin vertrat den Standpunkt, die Forderungen würden in Niedersachsen im Wesentlichen eingehalten. Dem widersprachen die Vertreter:innen des Flüchtlingsrats (siehe Bericht der Braunschweiger Zeitung vom 14.05.2019). Ein gemeinsames Gespräch wurde vereinbart.
Auf verschiedene Weise nahmen Inhaftierte in einigen Städten mit den Demonstrant*innen Kontakt auf. Per Telefon, durch das Klopfen an Fensterscheiben oder durch das Herausstrecken von Händen durch die Gitterstäbe. “Gewöhnliche Demonstrationen waren das nicht. Teilnehmer*innen erzählten, dass diese Momente sie sehr berührt und in ihrem Aktivismus bestärkt haben hätten“ führt Gockel aus: „Ehrenamtliche Initiativen, kirchliche Gemeinden, Schutzsuchende, antifaschistische Netzwerke, Asylberater*innen – unsere Kampagne wird von einem breiten, zivilgesellschaftlichen Bündnis getragen.“ so Frank Gockel, Pressesprecher der Kampagne 100 Jahre Abschiebehaft.
Erst kürzlich hatte das Anti-Folter-Komitee des Europarats die Bedingungen der Haftanstalt Eichstätt deutlich kritisiert. Die nationale Folterkommission übte bereits 2018 massive Kritik an den Zuständen im Darmstädter und Bürener Abschiebegefängnis. Unter anderem sei in Eichstätt nicht in ausreichendem Maße für Suizidprävention gesorgt. „Eine Bewertung, die für Abschiebehaft überhaupt gilt. Als Haft ohne Straftat ist sie eine enorme Belastung für die Betroffenen, die dort in hohem Maße Retraumatisierungen ausgesetzt sind.“ so Gockel.
Obwohl Abschiebehaft sich deutlich von Strafhaftvollzug unterscheiden muss, gibt es zahlreiche Berichte von willkürlichen Zwangsmaßnahmen und Isolierhaft. In Pforzheim zeigte sich dies während der Demonstrationen ganz plastisch: Als ein Inhaftierter im dortigen Abschiebegefängnis per Telefon zur Demonstration geschaltet werden wollte, um von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen, stürmten 30 Beamt*innen seine Zelle, und ordneten ihm bis Montag, 13. Mai, Isolationshaft an. „Hier zeigt sich auf beschämende Weise das Unrecht, das Geflüchteten insbesondere in Abschiebehaft widerfährt: Sie werden aus Verwaltungsgründen weggesperrt und mit aller Gewalt wird ihnen dabei ihr Recht auf freie Meinungsäußerung genommen! Das ist bar jeglicher Rechtsstaatlichkeit„, befindet Gockel.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Kampagne unter:
www.100-jahre-abschiebehaft.de
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