Endlich liegt uns ein Urteil des OVG Niedersachsen (s. OVG Niedersachsen, Urteil vom 11.2.2019) vor, in dem sich das Gericht mit der Rechtmäßigkeit der von Jobcentern erlassenen Rückforderungsbescheiden – mit denen sich viele der s.g. „Flüchtlingsbürgen“ konfrontiert sehen – auseinandersetzt. Im besagten Urteil gelangt das Gericht in zwei Schritten zu dem Schluss, dass der Rückforderungsbescheid aufzuheben sei:
So setzt sich das Gericht zunächst mit der Frage auseinander, wie die in Frage stehenden Verpflichtungserklärungen auszulegen sind. Da die Ausländerbehörden die Empfängerinnen dieser Erklärungen waren, sei hierbei zu analysieren, von welchem Haftungsumfang die Ausländerbehörden ausgehen mussten. Hierbei sei u.A. zu berücksichtigen, dass sich das Verständnis der Ausländerbehörden vom Haftungsumfang auch daran ablesen lasse, wie sie die Erklärungsgeber:innen vor Abgabe der Erklärungen aufklärten. Bei dieser Auslegung zieht das Gericht die entsprechenden Erlasse und Erklärungen des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport (MI) heran und kommt zu dem Ergebnis, dass es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankomme, ob die Auffassung der Ausländerbehörde, bzw. des MI, rechtlich zutreffend sei oder nicht ( s. dazu etwa : Urteil des BVerwG vom 26.1.2017; Az: 1 C 10.16). Entscheidend sei vielmehr, dass die Behörde die vom Kläger abgegebene (Verpflichtungs-) Erklärung tatsächlich in der durch das MI beabsichtigten einschränkenden Weise – also Haftung nur bis Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis gem. §25 Abs. 1-3 AufenthG – verstehen musste, was maßgeblich für die Bestimmung des Inhalts und des Umfangs der Verpflichtungserklärung sei.
In einem zweiten. Schritt legt das Gericht dar, dass – auch wenn man an der oben dargelegten Auslegung nicht festhalten würde – der Bescheid der Jobcenters rechtswidrig sei, weil das Jobcenter §68 Abs. 2 S. 3 AufenthG nicht korrekt angewandt habe. Hierzu führt das Gericht aus, dass §68 Abs. 2 S. 3 AufenthG eine Regelung für den „Regelfall“ treffe, was aber auch bedeutet, dass in atypischen Fällen die öffentliche Stelle, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat – also das Jobcenter – Ermessen bei der Entscheidung hat, ob sie einen Erstattungsanspruch geltend macht oder nicht. Weiter führt das Gericht aus, aus welchen Gründen es sich bei den Fällen der Flüchtlingsbürgen um „atypische Fälle“ handele und stellt abschließend fest, dass das Jobcenter im vorliegenden – und aller Voraussicht nach in einer großen Anzahl von Fällen – , mit der Standardformulierung „Unter Abwägung aller Gesichtspunkte, bin ich zu der Entscheidung gekommen, Sie zur Erstattung der für XY geleisteten Hilfen aufzufordern.“ kein Ermessen ausgeübt hat (→ Ermessensausfall), worin ein weiterer Grund für die Rechtswidrigkeit des Bescheides zu sehen ist.
[ Die entsprechende Pressemitteilung des OVG Niedersachsen ist diesem Link folgend zu finden: http://www.oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/keine-haftung-aus-fluechtlingsbuergschaften-fuer-zeiten-nach-asyl–oder-fluechtlingsanerkennung-173835.html ]
!! Ergänzend zum hier genannten Urteil, finden Sie hier einige Niedersachsen-spezifische Hinweise zur Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 1.3.2019, welche eine Regelung zum Umgang mit Erstattungsforderungen aus Verpflichtungserklärungen, die im Rahmen der Landesaufnahmeordnungen vor dem 6.8.2016 abgegeben wurden, enthält. !!
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