Flüchtlingsrat Niedersachsen sieht großen Nachbesserungsbedarf beim Entwurf für ein Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung
Das Gesetzgebungsverfahren zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz und zur Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung steht kurz vor dem Abschluss. Im März wird im Bundestag voraussichtlich die erste Lesung stattfinden, der Bundesrat hat Empfehlungen ausgesprochen. „Leider muss immer noch konstatiert werden, dass nach dem derzeitigen Entwurf diejenigen, die bereits heute in Deutschland leben, ihre Potentiale nicht hinreichend entfalten können.“ kommentiert Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat Niedersachsen.
Zwar sieht eine neu eingeführte Duldung vor, dass die Abschiebung zum Zweck der Beschäftigung ausgesetzt wird. Doch greift das neue Instrument nur für eine geringe Anzahl von gut integrierten, jedoch vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen. Kaum eine Person wird es schaffen, 18 Monate vor der Erteilung beschäftigt gewesen zu sein und ein Jahr den Lebensunterhalt vollständig gesichert zu haben. „Die Erfahrungen zeigen bereits heute, dass Ausländerbehörden mit formalen Gründen die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis an abgelehnte Flüchtlinge verwehren.“ berichtet Sigmar Walbrecht. „Die Forderung eines Nachweises von 12 Monaten Lebensunterhaltssicherung ist unrealistisch und überzogen. In der Realität stellen wir fest, dass viele Menschen zwar arbeiten, aber beispielsweise ihre Familienangehörigen nicht mitversorgen können.“
Beschäftigte, für die der Gesetzgeber eine Aufenthaltssicherung verweigert, drohen ihre Arbeit zu verlieren, da den Unternehmen die Situation ohne die verbindliche Zusage einer Aufenthaltsperspektive zu unsicher ist. Das ist das Gegenteil von Beschäftigungssicherung und Potentialentfaltung.
Einem unkomplizierten Arbeitsmarktzugang stehen auch die im Gesetzentwurf vorgesehenen Erteilungsvoraussetzungen für die Ausbildungsduldung entgegen. Unter anderem müssen vollziehbar Ausreisepflichtige bereits sechs Monate geduldet sein, bevor sie die Ausbildungsduldung beanspruchen können. „Sollen die Ausländerbehörden erst einmal sechs Monate lang die Abschiebung probieren, bevor eine Ausbildung und Aufenthaltssicherung angeboten wird? Das erscheint absurd“, konstatiert Sigmar Walbrecht. „Wir erwarten, dass Auszubildende sofort eine Möglichkeit erhalten, ihr Potential zu entfalten und Ausbildungen anzutreten.“
Es ist zudem nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber auf einer vollständigen Identitätsklärung beharren sollte. Geflüchtete, die ihr Herkunftsland überstürzt verlassen haben und auf gefahrvollen Wegen nach Deutschland geflohen sind, haben oft ein großes Problem, wenn es darum geht, einen neuen Pass zu besorgen. „Es muss insofern genügen, wenn alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Identitätsklärung ergriffen werden“, fordert Sigmar Walbrecht. Rechtlich fragwürdig ist zudem die geplante Regelung, dass künftig innerhalb von sechs Monaten nach der Einreise die Identität geklärt sein muss, um eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung erhalten zu können. Während des Asylverfahrens darf von den Betroffenen keine Kontaktaufnahme mit den Heimatbehörden verlangt werden, und nicht wenige Asylverfahren dauern länger als sechs Monate. „Wir erwarten daher, dass v.a. der Entwurf für ein Gesetz zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung nachgebessert wird und den Bundestag nicht in der derzeitigen Fassung passiert“, verlangt Sigmar Walbrecht.
Bereits im November 2018 wiesen neun Landesflüchtlingsräte, der Paritätische Wohlfahrtsverband – Gesamtverband, PRO ASYL, Teile des Bundesvorstands des DGB und weitere Verbänden und Vereinen in einer umfassende Stellungnahme auf die Mängel des Gesetzentwurfes hin, siehe hier.
Kontakt und weitere Informationen
Flüchtlingsrat Nds., Sigmar Walbrecht
Tel. 0511/84 87 99 73
Mail: sw@nds-fluerat.org
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