Abschiebungshaft: Keine Besserung in Sicht

Die „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlichte heute unter der Überschrift „Auch abgelehnte haben Rechte“ einen – lesenswerten – Artikel über die rechtsstaatswidrige Praxis bei der Inhaftierung von Ausländer_Innen in Abschiebungshaft. Während die Bundesregierung weiterhin „keinen Zweifel daran“ hat, dass auch in Sachen Abschiebungshaft „ein umfassender Schutz von Grund- und Menschenrechten gewährleistet ist“, kommen sowohl der Bundesgerichtshof als auch Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover zu gänzlich anderen Ergebnissen.

Rechtsanwalt Fahlbusch hat seit dem Jahr 2001 bundesweit insgesamt 1.713 MandantInnen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 842 dieser Mandant_Innen, d.h. knapp 50 %, wurden gemäß rechtskräftiger Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert (manche „nur“ einen Tag, andere monatelang). Zusammengezählt kommen seine 842 Mandant_Innen auf 22.077 rechtswidrige Hafttage, was gut 60 Jahren rechtswidriger Inhaftierungen entspricht. Im Durchschnitt befand sich jeder/r Mandant/in knapp 4 Wochen (26,2 Tage) zu Unrecht in Haft. Bereits im Jahr 2014 konstatierte die Richterin am Bundesgerichtshof Johanna Schmidt-Räntsch, dass sich „geschätzt 85 bis 90 Prozent“ aller Abschiebungshaftanordnungen „als rechtswidrig“ erweisen. Seit 2015 habe der Bundesgerichtshof bislang in 99 von ca. 300, d.h. in ca. 30 %, der Fälle entschieden, dass die Haftanordnung zu Unrecht erfolgte.

Doch die Bundesregierung zieht es weiterhin vor, Realitäten zu leugnen und Gesetze nochmals zu verschärfen, anstatt das System der Abschiebungshaft – endlich – auf den Prüfstand zu stellen. So möchte zwar auch die Bundesregierung die Vorschriften zur Abschiebungshaft reformiert sehen, allerdings nicht, um die Rechte der Betroffenen zu stärken bzw. zu schützen, sondern schlicht um die „Hürden für die Anordnung der Abschiebungshaft zu senken“. Hierdurch soll die „nationale Kraftanstrengung“ bei der Erhöhung der Abschiebungszahlen erleichtert und zugleich die hohe Quote rechtswidriger Inhaftierungen verringert werden – wobei für die Bundesregierung jedes Mittel den Zweck zu heiligen scheint, wen auch immer, was auch immer es kostet.

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