Rede des Niedersächsischen Flüchtlingsrats auf der Seebrückendemo am 22.09.2018
Am Samstag, den 22.09.2018 gingen in Hannover wieder über 500 Menschen „gegen die europäische Abschottungspolitik und die zunehmend um sich greifende autoritäre Formierung nach innen“ auf die Strasse. Die Bewegung der Solidarität bleibt also laut und kämpferisch, ihr Farbe das Orange der Seenotrettung. Stefan Klingbeil sprach für den Flüchtlingsrat Niedersachsen:
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe FreundInnen, die ihr Geflüchtete unterstützt und liebe FreundInnen, die ihr nach Flucht und Vertreibung hier Zuflucht gefunden habt. Ich freue mich, heute hier für den Niedersächsischen Flüchtlingsrat zusammen mit Euch gegen Rechte Hetze und für die Kraft der Solidarität auf der Strasse zu sein. Ich freue mich, mit euch zusammen den Chor der Menschlichkeit lauter zu machen, der sich dem Angriff von Rechts entgegen stellt.
Nicht erst seit dem Sommer der Migration gelingt es der organisierten europäischen Rechten, immer mehr Menschen unter dem blutigen Banner des Autoritarismus zu vereinen. Sei es Orban oder Kurz, Salvini oder Seehofer: sie alle machen das Nach-unten-Treten wieder zum Gebot der Stunde und scheuen nicht vor der Drohung mit dem Putsch zurück. Mitten in dieser Kakophonie die AfD, die offen zu Hetze und Gewalt aufruft und Seehofer und sein Günstling Maasen, die keine Nazis erkennen können, wo es nur so von Nazis wimmelt.
Dieses rechte europäische Projekt baute seine alte neue Strategie von Anfang an auf dem Feindbild „Migration“, dem Feindbild „Flüchtling“, dem Feinbild „Islam“ auf. Daran konnten sie anzuknüpfen, damit haben sie Erfahrungen. Damit gewinnen sie derzeit eine Wahl nach der anderen.
Wir geben der Solidarität unsere Stimmen und Gesichter
Diese rechte europäische – und also auch deutsche – Bewegung stellt aber nur die eine Gruppe der Akteure auf diesem umkämpften Feld des Politischen dar. Auf der anderen Seite gibt es europaweit eine viel stärkere Kraft, die sich solidarisch mit geflüchteten Menschen zeigt und die Gesellschaft der Vielen, der Diversität, ja der Solidarität widerspiegelt. Als #wir sind mehr, als #unteilbar, als #we‘ll come united und eben als #Seebruecke gehen wir auf Straße und geben diesen Vielen unsere Stimmen und unsere Gesichter. Wir sind der Block, der sich nicht vom Autoritarismus anstecken lässt. Wir sind die, die im Gegenüber immer erst den Mitmenschen und darin sich selbst sehen. Und auch die Willkommenskultur, die 2015 begann, ist nicht verschwunden. Sie ist nur leiser und medial kaum noch präsent. Die Mehrheit in Deutschland ist solidarisch mit geflüchteten Menschen!
Als Flüchtlingsrat Niedersachsen gilt in diesem Kampf der Kulturen, dem einzig realen Kampf der Kulturen weltweit übrigens, zwischen Autoritarismus und Solidarität, unser Engagement den Rechten geflüchtete Menschen: Ihrem Recht auf Asyl, ihrem Recht auf Schutz, ihrem Recht auf Mitmenschlichkeit. All diese Rechte werden derzeit wieder massiv geschleift. Ja, wir erleben ein neues 1992, als das Grundrecht auf Asyl abgeschafft wurde. Heute geht es um die Ausweitung der Lagerunterbringung und beschleunigte Verfahren, in denen Geflüchtete ihren Rest an Rechten kaum noch wahrnehmen werden können.
Das Prinzip der Seenotrettung in unseren Alltag holen
Und das, was an den EU-Außengrenzen geschieht, muss man inzwischen als Krieg Europas gegen die Menschen aus den Krisenregionen des globalen Südens bezeichnen. All die schmutzigen deals, mit ihren sicheren Drittstaatserklärungen und Rückübernahmeabkommen, die externalisierten Lager, die pushbacks, der Ausbau der militärischen Migrationsverhinderung und die Konfiszierung der Schiffe der zivilen Seenotrettung – dies alles erzeugt so viel Leid, so viel Elend, aber auch so viel Trauer und Wut! Allein in den vergangenen Jahren über 35.000 Tote im Mittelmeer. Dagegen stehen wir mit Euch zusammen hier auf! Gegen die neuen Lager, gegen den Abbau von Flüchtlingsrechten, gegen den Diskurs, der nach schnelleren Abschiebungen, schnelleren Verfahren und einem Aufnahmestopp schreit. Einem Diskurs, der Flucht und Migration zum Problem macht. Aber Migration ist nicht die Mutter aller Probleme – Migration ist die Mutter aller Gesellschaften. Das Problem heißt Rassismus!
Gegen diese Politik der Ausgrenzung stehen wir auf. Wir lassen uns nicht spalten. Ob aus Dortmund oder Damaskus, ob aus Afrin oder Athen: Das ist schon lange egal. Es geht um uns alle. Lasst uns den Schwung dieser Seebrückenmobilisierungen mitnehmen nach Hamburg am kommenden Wochenende zur We‘ll vome United-Parade und zur #unteilbar-Demo nach Berlin am 13.10..
Und lasst uns das Prinzip der Seenotrettung – der realen Seebrücken – in unseren Alltag holen. Solidarität muss hier wie auf dem Mittelmeer praktisch werden – im Schutz gegen Abschiebungen und Lager, gegen Sondergesetze und die rechte Hetze.
Solidarity will win!
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