Nachfolgend dokumentieren wir einen Wortbeitrag von Christian Zankl, 1. Vorsitzender der „Flüchtlingshilfe Auf dem Hümmling e.V.“ (ehem. „Flüchtlingshilfe Nordhümmling e.V.“) aus Werlte im Landkreis Emsland. Beschrieben wird die tägliche Praxis des Landkreises Emsland:
„Warum es für Ehrenamtliche so frustrierend ist, wenn in einer Behörde nicht das „drin ist, was drauf steht“…….
Hallo, mein Name ist Christian (genannt „Chris“) Zankl und ich bin 1. Vorsitzender der „Flüchtlingshilfe Auf dem Hümmling e.V.“ ( ehem. „Flüchtlingshilfe Nordhümmling e.V.“). Ich möchte an dieser Stelle nicht groß darauf eingehen, warum wir tun, was wir tun aber ich würde gerne an dieser Stelle ganz kurz umreißen, wo wir unsere Aufgabe sehen und wie wir das erreichen woll(t)en…..
Unsere Aufgabe sollte eigentlich ganz klar die sein, Geflüchtete in unserer Region bei der Integration zu unterstützen. Integration ist keine Einbahnstraße, sie bedeutet nicht, Geflüchteten alles zu beschaffen, was sie wollen. Es bedeutet aber sehr wohl, sie zu einem Bestandteil unserer Systeme, wie z.B. Rechts- und Sozialsystem zu machen. Ein Bestandteil des Sozialsystems ist man übrigens nicht nur, wenn man Leistungen daraus bezieht, sondern vor allem auch dann, wenn man selber in dieses System einzahlt. Das setzt natürlich einen Arbeitsplatz voraus. Nach unseren Erfahrungen wollen übrigens praktisch alle arbeitsfähigen Geflüchteten auch gerne arbeiten. So gut wie keiner der von uns betreuten ist damit zufrieden, Geld vom Staat zu kassieren und nur rumzusitzen. Dies ist einer der häufigsten Kritikpunkte, den „unsere“ Geflüchteten an uns richten.
Es gehören dazu auch Dinge wie Umgang mit Ämtern und Behörden, Dinge wie Einhaltung von Terminen. Halten an Absprachen und Achten unserer Gesetze und Regeln.
Die Flüchtlingshilfe „Auf dem Hümmling e.V.“ ist übrigens geschlossen der Meinung, dass Integration unmittelbar nach der Ankunft beginnen muss. Ein Beginn von Integrationsmaßnamen NACH durchlaufen von Asylverfahren, ggf. incl. Klageweg vor dem zuständigen Gericht etc. ist zu spät!
Wer bis zu 2 Jahre ( in Einzelfällen sogar noch länger..) untätig und unbeachtet neben einer Gesellschaft her gelebt hat, wird es schwer haben, die entstandene Distanz noch überwinden zu können.
Da trifft es sich ja prima, dass auf dem Flur des für uns zuständigen Ausländeramtes ein großes Schild mit der Aufschrift „ Fachstelle Integration“ hängt!
TOLL, hier bekommen wir Unterstützung ……
JA, so naiv sind wir damals gewesen…. Damals, als wir noch keine Ahnung hatten, was uns die folgenden Jahre mit diesem Amt bringen würden.
Es handelt sich übrigens um das Ausländeramt des Landkreis Emsland mit Sitz in Meppen. Natürlich werde ich an dieser Stelle keine Namen der dortigen Mitarbeiter nennen, um aber in den Darstellungen der Ereignisse ein wenig Übersicht zu haben, nennen wir sie doch alle einfach einmal „ Schulz“. Da wären zunächst Herr S. Schulz und Frau M. Schulz, die als Sachbearbeiter in den allermeisten Fällen unsere Ansprechpartner sind. Außerdem wäre da noch Herr P. Schulz, der sich nach seiner eigenen Aussage um „rechtliche Belange“ kümmert. Nicht zu vergessen: Herr A. Schulz. Leiter der Abteilung und der Auffassung, dass seine Mitarbeiter stets im Einklang mit dem Gesetz sind und ganz bestimmt alles richtig machen…..
Wie also sieht die „Unterstützung“ in der Praxis aus, die wir seitens des Ausländeramts erhalten?
Wie wohl jedem bekannt ist, der sich mit Geflüchteten befasst, kommt schon seit Ende 2016 keiner mehr mit dem Status „ Anerkannter Asylbewerber“ in den jeweiligen Landkreisen an. Bestenfalls befinden sich die Ankommenden im Asylverfahren, einige im Klageverfahren, da ihr Asylgesuch bereits vom Bamf abgelehnt wurde, die allermeisten jedoch im „ Dublin-III-Status“, was heißt, dass das Bamf der Auffassung ist, ein anderes EU-Land sei zuständig.
Es ist üblich, dass Ausländerämter „im Falle des Einleitens konkreter Abschiebemaßnahmen“ die normale Aufenthaltsgestattung einziehen und durch ein Meldepapier ersetzen, welches aussagt, dass der Inhaber abgeschoben wird und nicht mehr über gültige Ausweispapiere verfügt. Es ist hierbei ebenfalls üblich, dass dieses Papier nur für einen kurzen Zeitraum (bis ca. einen Monat) Gültigkeit hat. Im Falle UNSERES Amtes ist es jedoch so, dass die Maßnahme erfolgt, sobald das Bamf prinzipiell einer Abschiebung „grünes Licht“ gibt. Hierdurch haben die meisten der von uns Betreuten z.T. über Jahre hinweg keine gültigen Ausweispapiere!
Dies hat natürlich deutliche Konsequenzen für den Alltag. Abgesehen davon, dass man mit einem solchen Papier natürlich keinerlei Erwerbstätigkeit nachgehen darf und selbst ein unentgeltliches Praktikum unmöglich ist, ist es z.B. schon schwer, einen Arzttermin zu bekommen oder einen Platz im Deutschkurs…. „ Der/Die ist ja eh bald weg….“ .
Sei es drum:
Für die Verlängerung der Gültigkeit dieser Papiere ist im Normalfall Herr „S. Schulz“ unser Ansprechpartner, ab und an aber auch Frau „M.Schulz“. Das Verlängern kann natürlich nur durch persönlichen Besuch erfolgen, wobei anzumerken ist, dass der öffentliche Nahverkehr hier in der Gegend nicht erwähnenswert ist. Eine Fahrt mit Bus und Bahn dauert, hin und rück, ca. 5 Stunden und kostet ca. 23,-€. Ein Erscheinen im Ausländeramt vor ca. 10:30 Uhr ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich, wobei aber dennoch gerne Termine vor dieser Zeit vergeben werden! Für das Verlängern ist nämlich ein Termin erforderlich, wer ohne Termin erscheint, wird wieder nach Hause geschickt.
Daher organisieren wir meistens einen Transport per PKW. Da ich in Vollzeit berufstätig bin, steht meistens nur unser 2. Vorsitzender zur Verfügung, um solche Fahrdienste zu übernehmen. Er ist Rentner…. Und 81 Jahre alt.
Wenn man dann zur Verlängerung termingerecht erscheint, liegt es VÖLLIG in der Hand von Herrn „S.Schulz“ oder auch mal Frau „M.Schulz“, wie umfangreich die Verlängerung ausfällt. Selbst zwei Personen, die zeitgleich dort sitzen, können ggf. einer mit 7 Tagen, der andere mit einem Monat abgefüttert werden. Ein Hintergrund, warum das dann so unterschiedlich ausfällt, ist nicht erkennbar….
Unser „Spitzenreiter“ durfte längere Zeit täglich dort vorstellig werden; dass das Ausländeramt zuvor einen Gerichtsprozess gegen ihn verloren hatte, war sicher nur Zufall….
Die Gültigkeit dieses Meldepapiers hat natürlich auch Einfluss auf die Zahlung von Geld seitens des Sozialamtes. Gilt das Papier noch eine Woche, gibt es auch nur für eine Woche Geld…. Was natürlich dazu führt, dass die Betreffenden entsprechend oft dort vorstellig werden. In einem kleinen Ort wie dem hier vorliegenden spricht es sich daher sehr schnell herum, dass „die“ ja ständig vorm Sozialamt stehen um sich Geld zu holen…. Sieht ja keiner, dass es dann meistens nur ein paar Euro sind….
Das schlimmste an diesen Terminen aber ist, dass wir uns sehr viel Mühe gegeben haben, den Geflüchteten „beizubringen“, dass es in Deutschland wichtig ist, Termine (vor allem solche Termine mit offiziellen Stellen) auch einzuhalten und das Ausländeramt genau DAS jetzt benutzt, um sich selbst die Arbeit zu vereinfachen:
Abschiebungen erfolgen seit einiger Zeit praktisch nur noch, indem die Leute bei exakt solchen Terminen festgenommen werden. Unsere Bemühungen, die „Zusammenarbeit“ mit dem Amt so reibungslos wie möglich zu gestalten, werden also dahingehend pervertiert, dass man sich von uns Ehrenamtlichen die abzuschiebenden Personen quasi „frei Haus“ und pünktlich liefern lässt! Wie soll man da noch so etwas wie eine Vertrauensbasis aufrecht erhalten? Wie soll man da noch darauf hinwirken, mit Ämtern zu kooperieren?
Abgesehen davon, geht niemand zu so einem Amt und hat seine ganze Habe im Rucksack bei sich, somit werden die Leute buchstäblich mit dem verhaftet (und somit auch abgeschoben), was sie auf dem Leib tragen. Keine Möglichkeit, persönliche Dinge oder Sachen wie z.B. Medikamente mitzunehmen!
Solche Aktionen werden in der Regel so getimet, dass durch Wochenende, Feiertage etc. keine Möglichkeit mehr besteht, den Rechtsweg zu bestreiten.
Würde jemand zu so einem Termin NICHT erscheinen, wird er unverzüglich als „untergetaucht“ gemeldet….
Das Melden von Asylbewerbern als „untergetaucht“ wird in Meppen übrigens als legitimes Mittel betrachtet, durch das dann fällige Verlängern der Überstellungsfrist einfach Zeit zu gewinnen. Mir persönlich sind mindestens zwei Fälle bekannt, wo ich mich dafür persönlich verbürge, dass keiner der beiden untergetaucht war. Einer davon wurde zwischenzeitlich abgeschoben, übrigens NACH dem Ablauf der ursprünglichen Überstellungsfrist und während beim zuständigen Verwaltungsgericht in Osnabrück noch über die Klage gegen die Fristverlängerung entschieden wurde….
Zum Thema Wahrheitsgehalt solcher Angaben seitens des Ausländeramtes auch gegenüber Gerichten etc. verweise ich gerne auf den Fall des Herrn D.T.: Hier stellte Herr „S.Schulz“ die Behauptung auf, Herr D.T. habe ihm in einem persönlichen Gespräch selber mitgeteilt, er würde sich einer drohenden Abschiebung durch Flucht oder Verstecken entziehen. Diese (angebliche) Mitteilung war die Basis eines Haftantrages beim Amtsgericht in Papenburg. Zu der Anhörung habe ich Herrn D.T. begleitet. Herr D.T. ist ivorischer Staatsbürger und spricht weder englisch, noch deutsch und sein französisch hat einen so starken Akzent, dass die vom Gericht bestellte Dolmetscherin große Probleme hatte, mit ihm zu kommunizieren. Herr „S.Schulz“ war zwar geladen, aber an dem Tag so unentbehrlich im Ausländeramt, dass er von Herr „P.Schulz“ (der ja eh für „solche rechtlichen Sachen“ zuständig ist..) vertreten wurde. Da sich sehr schnell herausstellte, dass im Ausländeramt niemand französisch spricht (auch Herr „S.Schulz“ nicht) und schon gar nicht in dem Akzent des Herrn D.T., blieb das Ausländeramt die Antwort schuldig, in welcher Sprache dieses „persönliche Gespräch“ stattgefunden habe… Herr D.T. wurde daher nicht in Haft genommen ( ist aber dann im Folgenden der Betreffende gewesen, der dann einige Zeit TÄGLICH beim Ausländeramt vorstellig werden durfte….)
In Zusammenhang mit dieser Gerichtsanhörung fragte mich Herr „P.Schulz“ übrigens allen Ernstes, warum wir uns so dagegen wehren, dass „die“ nach Italien überstellt werden. Er war schon mehrmals in Italien im Urlaub, Italien ist so ein schönes und gastfreundliches Land….. . Ich hatte ja eingangs erwähnt, dass wir zu Beginn recht naiv an die Sache rangegangen sind; seit diesem Gespräch ist mir jedoch klar, dass die Naivität eindeutig auf beiden Seiten vorhanden ist, würde aber behaupten wollen, dass wir weitaus schneller dazu gelernt haben…..
Vom Amtsgericht in Papenburg wurde übrigens auch ein weiterer Haftantrag abgelehnt. In diesem Haftantrag (gegen einen Herrn S.T., ebenfalls ivorischer Staatsbürger) ging es darum, dass Herr S.T. bei einem Überstellungsversuch des Nachts nicht in seiner Unterkunft angetroffen wurde. Die Ablehnung begründete sich darauf, dass er bei einem nicht angekündigten Überstellungsversuch auch nicht verpflichtet war, jede Nacht zu Hause zu sein.
Kurz danach ging unser Ausländeramt dazu über, jedem, der theoretisch ausreisepflichtig ist, Hausarrest von Montag bis Freitag aufzubrummen. Die Uhrzeiten variieren etwas, gängig ist 18:00 Uhr bis 6:00 Uhr..
Leider werden nicht alle Haftanträge etc. in Papenburg verhandelt. In letzter Zeit kommt hier mehr und mehr das Amtsgericht direkt in Meppen ins Spiel.
Als sehr bösartig trat hierbei der Fall des Herrn O.M. hervor. Er wurde ebenfalls direkt im Ausländeramt bei einem „Verlängerungstermin“ in Haft genommen und bat schon im Amt und auch später vor Gericht darum, seinen Rechtsanwalt anrufen zu dürfen. Er äußerte diese Bitte übrigens in deutscher Sprache! Das Hinzuziehen seines Rechtsanwaltes wurde ihm im Ausländeramt verweigert und von Frau „M.Schulz“ wurde dem Gericht mitgeteilt, Herr M. sei nicht anwaltlich vertreten. Der vom Gericht hinzugezogene Rechtspfleger war jetzt nicht direkt eine Hilfe. Da Herrn M. auch verweigert wurde, uns zu benachrichtigen, haben wir leider erst mit einem Tag Verzögerung von der Inhaftierung erfahren. Herr M. wurde einige Tage in Langenhagen inhaftiert und anschließend nach Frankreich abgeschoben. Er berichtete übrigens (das hat jetzt nichts mit dem Amt in Meppen zu tun…), dass er in Langenhagen Zeuge wurde, wie ein Bediensteter einen Häftling geschlagen hat und ihm anschließend drohte, für den Fall, dass er drüber reden würde.
Interessant hierbei ist, dass ich persönlich zunächst etwas am Zweifeln war, was die „ Geschichte“ von Herrn O.M. angeht. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass in einem deutschen Amt jemand in Haft genommen wird und man ihm den Kontakt zu einem Anwalt verweigert… oder zu anderen Außenstehenden. Von daher sah ich auch die „ Geschichte“ über die Misshandlungen in Langenhagen sehr skeptisch. Leider wurde in den folgenden Tagen auch in den Medien über solche Vorfälle in Langenhagen berichtet und die „ Er-hat-keinen-Anwalt“- Geschichte habe ich wenige Wochen später selber miterleben müssen.
Da wurde dann der Herr B.T. in Haft genommen und zwar in meiner Gegenwart! Ich habe noch während der Inhaftnahme im Ausländeramt den zuständigen Anwalt informiert und habe Herrn „P.Schulz“, sowie Frau „M.Schulz“ darüber informiert. Frau „M. Schulz“ teilte dem Richter dennoch mit (dies war sogar im Haftantrag schriftlich fixiert), dass es keine anwaltliche Vertretung gäbe, worauf das Gericht wieder einen Rechtspfleger bestellte. Mein Einspruch hiergegen, sowie der Umstand, dass es sich hier um eine wissentliche Falschaussage handelt, ist im Protokoll festgehalten worden.
Im Haftantrag wurde unter anderem aufgeführt, dass Herr B.T. die Behörden mehrfach getäuscht habe. In der Anhörung wurde konkret hinterfragt, woraus diese Täuschungen bestanden haben. Hierzu führte Frau „ M. Schulz“ nur aus, dass sie jetzt grade kein konkretes Beispiel habe, es wären die üblichen Sachen gewesen, man wisse ja, wie das läuft…..
Spannenderweise tauchte aber der Punkt „Täuschung der Behörden“ in der Begründung des Haftbeschlusses unwidersprochen auf…..
Die Inhaftnahme von Herrn B.T. erfolgte am Mittwoch vor „Himmelfahrt“; am frühen Montagmorgen saß er bereits im Flieger nach Italien. An der Inhaftnahme und der anschließenden Anhörung im Amtsgericht Meppen war definitiv EINIGES auszusetzen, jedoch fanden wir in der Kürze der Zeit keine Möglichkeit, einzugreifen.
Herr B.T. lebt jetzt als Obdachloser in Italien.
Ich habe Frau „M.Schulz“ einmal auf die Diskrepanz zwischen „Fachstelle Integration“ und dem regelmäßig dort Erlebten angesprochen, die Antwort war sehr eindeutig: „ An Italien führt halt kein Weg vorbei, begreifen Sie das doch!“
Um vielleicht den „Ton“ etwas zu verdeutlichen, der in diesem Amt herrscht, würde ich hier gerne den Fall von Frau H. H-K. erwähnen. Frau H-K. war hochschwanger und stand kurz vorm Inkrafttreten des Mutterschutzes. Da Frau H-K. in der Vergangenheit bereits mehrere Kinder in sehr späten Stadien der Schwangerschaft verloren hatte und auch diesmal Probleme auftraten, lag sie z.T. über Wochen stationär im Krankenhaus. Für die Familie bestand aber „Ausreisepflicht“ nach Rumänien (gem. Dublin III), obwohl die Familie nicht einmal genau wusste, auf welcher Route sie nach Deutschland gekommen ist….. Bei der Familie handelt es sich um Kurden irakischer Herkunft. Die Überstellungsfrist lief etwa zum Zeitpunkt des errechneten Geburtstermin ab. Außerdem bescheinigte das Krankenhaus der Frau, während ihrer Schwangerschaft keinesfalls reisefähig zu sein…. Also alles in trockenen Tüchern….
Bis zu dem denkwürdigen Telefongespräch mit Herrn „S.Schulz“, wo er allen Ernstes von MIR wissen wollte, woraus genau die Komplikationen bestehen, da er ohne diese Angaben ja nicht prüfen könne, ob es in Rumänien nicht doch einen Arzt oder Krankenhaus gäbe, die dieses Kind zur Welt bringen könnten……. Ich habe ihn freundlich auf das Thema „Datenschutz“ hingewiesen und ihm vorgeschlagen, doch einfach den Arzt zu fragen, der das Attest geschrieben hat….
Ein bemerkenswertes Beispiel für „Integration Meppener Art“ ist auch der Fall des Herrn A.B. . Ok, als junger, „allein reisender“,männlicher Marokkaner bestand für ihn von Anfang an praktisch keine Chance auf Asyl. So war es auch nicht überraschend, dass sein Asylantrag vom Bamf abgelehnt wurde. Etwas verwunderlich hingegen ist, dass hiernach vom Ausländeramt zunächst nichts passierte…..
Als Herr B. mit uns in Kontakt trat, war es schon rund ein Jahr her, dass er gemäß Bamf ausreisepflichtig war, allerdings scheint diese Information nicht beim Ausländeramt angekommen zu sein. Herr B. verfügte noch über seine Aufenthaltsgestattung, durfte mit Zustimmung arbeiten (was auch geschehen ist) und blieb auch sonst unbehelligt. Er hat die Zeit in Deutschland sehr gut genutzt, fleißig Deutsch gelernt und an der VHS in Papenburg alles an Bildung mitgenommen, was er kriegen konnte und nebenher noch ehrenamtlich an der Tafel in Esterwegen ausgeholfen. Jetzt stand er wenige Wochen vor einem Abschluss, der es ihm ermöglicht hätte, eine reguläre Berufsausbildung zu beginnen und auch ein Betrieb, der ihm einen Ausbildungsplatz gegeben hätte, war vorhanden. Man könnte sagen, er war ein Musterbeispiel für gute Integration, stand nur der ungeklärte Aufenthaltsstatus im Wege…
Also der Idealfall für eine Ausbildungsduldung! Nach den Erfahrungen mit dem Amt in Meppen, war ich schon im Vorwege auf große Probleme gefasst, aber es war dann ganz einfach: Nach intensivem Nachforschen stellte sich heraus, dass ZUFÄLLIG grade ein paar Tage zuvor „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ eingeleitet wurden, über die man mir natürlich keine Details mitteilen kann…. ( Auskunft „S.Schulz“) Allerdings war daher natürlich eine Ausbildungsduldung nicht mehr möglich. Die Aufenthaltsgestattung wurde eingezogen und durch das übliche Meldepapier ersetzt (somit war natürlich auch die Arbeitserlaubnis hinfällig), nächtliche Anwesenheitspflicht in der zugewiesenen Unterkunft wurde angeordnet.. und dann geschah über Monate nichts.
Herr A.B. hat Deutschland dann in Eigeninitiative verlassen, übrigens nicht nach Marokko….
Die oben angeführten Beispiele sind nicht vollständig, aber ich denke, es war jetzt genug, um zu verstehen, in welcher Preislage die „Zusammenarbeit“ zwischen der „Fachstelle Integration“ und den ehrenamtlichen Integrationshelfern stattfindet…
Für uns ehrenamtliche Flüchtlingshelfer stellt sich im Umgang mit dieser Situation und deren Umsetzung seitens unseres zuständigen Ausländeramtes mehr und mehr die Frage, ob Integration hier überhaupt noch durchführbar ist und wie unsere Rolle dabei ist.
Wir fühlen uns bisweilen so, als wäre es nur noch unsere Aufgabe, schlechte Nachrichten zu überbringen, bzw. bereits erhaltene schlechte Nachrichten zu erklären (obwohl wir es vielfach selber nicht verstehen..) und Hoffnungen zu zerstören. Es haben bereits zahlreiche Mitglieder der Flüchtlingshilfe den Rücken gekehrt, da sie mit der Situation klar überfordert waren.
Und, JA, nachdem das Ausländeramt dazu übergegangen war, unsere Arbeit zu missbrauchen, um sich selber das Abschieben zu erleichtern, habe ich kurzzeitig überlegt, den Verein „ Flüchtlingshilfe Auf dem Hümmling e.V.“ aufzulösen, da ich das Gefühl hatte, wir schaden den Geflüchteten mehr, als das wir ihnen nützen…..
Allerdings habe ich diese Überlegung auch einigen von uns betreuten Geflüchteten mitgeteilt, die spontan und geschlossen allen Mitgliedern der Flüchtlingshilfe ihr volles Vertrauen aussprachen und mir versicherten, dass sie wissen, was da läuft und nicht an uns zweifeln.
JUNGS, dafür danke ich euch!
…und darum werden wir weiter für euch und all die anderen kämpfen…
Achja, danken möchte ich auch den verbliebenen Mitgliedern für ihren unerschütterlichen Einsatz.
Herrn L. K., der mir nicht nur als 2.Vorsitzender eine große Unterstützung ist, sondern auch mit den (tatsächlich) tausenden von gefahrenen Kilometern zu Ämtern, Ärzten etc. unersetzliche Arbeit leistet…
Schwester A. und Herrn H. dafür, dass sie dem Verein die Treue gehalten haben..
Frau A. H. für unersetzliche Übersetzungsarbeit auch in schwierigen Situationen und ihr stets offenes Ohr…
Und vor allem natürlich meiner Ehefrau, Gabriela Diekmann, die nicht nur mit Herz, Leib und Seele in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, sondern darüber hinaus auch noch meine Launen und meinen Dauerzeitmangel erträgt…
Gruß
Chris Zankl“
Anmerkung der Redaktion:
Der Landkreis Emsland stellt klar, dass die Fachstelle Integration des Landkreises Emsland k e i n e Abteilung der Ausländerbehörde und im Dezernat IV (Soziales, Jugend und Gesundheit) angesiedelt ist. Die Fachstelle ist nicht für ausländerrechtliche Fragen zuständig. Ziel der Fachstelle Integration ist es, die Integrationsprozesse vor Ort zu steuern, um eine möglichst schnelle Eingliederung in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft ermöglichen zu können. Das Schild auf dem Flur des Ausländeramtes des Landkreises Emsland mit der Aufschrift „ Fachstelle Integration“ ist ein Hinweisschild für Kunden des Landkreises Emsland, die die Fachstelle besuchen wollen. Direkt nach dem Hinweisschild beginnen die drei Büros der Fachstelle Integration. Die hier dokumentierte Kritik der Flüchtlingshilfe an fragwürdigen Praktiken der Ausländerbehörde des Landkreises Emsland sollte insofern nicht auf die Arbeit der Fachstelle Integration bezogen werden, die vor Ort – auch im Rahmen eines gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat und weiteren Trägern durchgeführten Netzwerkprojekts zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen und Geduldeten – eine durchaus verdienstvolle Arbeit leistet.
Lieber Herr Zankl,
als langjähriger Flüchtlingssozialarbeiter kenne ich die Auseinandersetzungen mit Ausländerstellen. Die einzige Sprache die sie verstehen und vor dem sie Respekt haben sind die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und die Sprache der Juristen , weil strittige Fälle am Ende dort landen. Ich kann nur Raten rechtzeitig Anwälte zu involvieren und das Amt mit Klagen zu überziehen, wenn Flüchtlinge schikaniert werden. „Fachstelle Integration “ ist natürlich ein Etikettenschwindel. Formal beginnt die Integration erst mit Anerkennung von Flüchtlingen. Geduldete und Gestattete ohne verfestigten Aufenthaltstitel haben nach dem Ausländerrecht deutlich weniger Rechte integriert zu werden. Man muss wissen, dass die Ausländerstelle eben auch die Abschiebungen einleitet und vollzieht. Dagegen könne nur Rechtsanwälte tätig werden. Hier ist auch die Grenze der ehrenamtlichen Arbeit. erreicht.
Viele Grüße und weiterhin viel Kraft
Matthias Müller
Wahnsinn, was ihr da berichtet! Danke für euer Engagement und, dass ihr darauf aufmerksam macht, was bei euch passiert!
Hallo Mathias Müller,
selbstverständlich arbeiten wir mit Anwälten zusammen, selbstverständlich werden die entsprechenden Klagen eingereicht.
Es dauert halt bloß ewig ( z.T. Jahre) , bis da dann Entscheidungen fallen und das Leben geht ja zwischendurch weiter….
Gruß
Chris Zankl
… schön, dass Sie das alles mal aufgeschrieben haben – beim Lesen fühlte ich mich erinnert an selbst Erlebtes (aus fast 40 Jahren ehrenamtlicher Flüchtlingsbetreuung). Die Ballance zwischen (notwendigem) Engagement und dem eigenen Zeitmanagement fällt häufig zu meinem pers. Nachteil aus … das halte ich gern aus, a b e r der Frust und die Hilflosigkeit bezüglich der hier geschilderten Zustände (die ich aus Celle ebenso kenne) sind tatsächlich schwer zu ertragen. Viele Ehrenamtliche haben schon nach 1 1/2 Jahren aufgegeben – schade – aber so langsam sollten die Behörden-Mitarbeiter einen Perspektiv-Wechsel starten und „kundenorientiert-unterstützend“ ihrer FÜRSORGEPFLICHT nachkommen, denn eigentlich sind sie Dienstleister (tatsächlich agieren aber Etliche nach „Gutsherren-Manier“) und sollten bei der Integration helfen!
Freundliche Grüße
Helga Habekost
PS: Ihre mail, sehr geehrter Herr Zankl, sollte an unsere Bundeskanzlerin geschickt werden!
Hallo Herr Chris Zanken, ich habe großen Respekt und Wertschätzung für Ihren Mut,Ihr Durchhaltevermögen, Ihren Kampfgeist und das nicht Einknicken vor diesen elendigen Ungerechtigkeiten! Diese Schilderungen machen mich sehr wütend; es ist schier unglaublich was sich bei dieser Behörde abspielt! Wenn Sie noch Mut und Kraft haben, sollten Sie das öffentlich machen oder sich an örtliche Politiker wenden. So ein Missstand und Willkür darf nicht weiter gehen! Ich bedanke mich für Ihren Einsatz; Sie sind wunderbar!
Es wird Zeit, dass im Asylverfahren neben den Fluchtgründen auch die Integrationsanstrengungen Geflüchteter eine große Rolle spielen. Schöne Grüße, Clemens Niemann