Armut bei Migrantinnen und Migranten – Kleine Anfrage an die Landesregierung

Die niedersächsische Landesregierung hat sich zu einer Anfrage der Grünen zum Thema Armut bei Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Niedersachsen geäußert. Im Prinzip lässt sich als eine der Kernaussagen herauslesen, dass die Armutsgefährdungsquote dieser Personengruppe sehr weit über der Gefährdungsquote der Gesamtbevölkerung liegt. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: 2015 waren in Niedersachsen 43 % der Migrant:innen von Armut bedroht. Die Gefährdungsquote der Gesamtbevölkerung lag bei 16 %. Im bundesweiten Vergleich verhält es sich ähnlich.

Die Landesregierung geht davon aus, dass die Armutsgefährdungsquote generell bei Erwerbslosen, Personen mit niedrigem Qualifikationsniveau, sowie bei Alleinerziehenden überdurchschnittlich hoch ist. Um speziell Menschen ohne deutschen Pass zu unterstützen, möchte sie sich für gleichberechtigte Teilhabe einsetzen, insbesondere am Arbeitsmarkt. Helfen sollen so etwa diverse Sprachlernangebote, sowie ein breites Sozialberatungsangebot.

Zu differenzieren ist dabei zwischen Arbeit suchenden EU-Bürger:innen und Menschen die Asyl beantragen. Unionsbürger:innen haben seit 2016 die Konsequenzen einer Gesetzesverschärfung zu tragen. Die Anfrage, inwiefern die Landesregierung eine „Lenkungswirkung“ durch zahlreiche Leistungsstreichungen feststellen kann, bleibt mangels statistischer Erfassung unbeantwortet. Es wird aber von einer „Wirkung auf die Anzahl der SGB II-Anspruchsberechtigten ausgegangen“. Mit „Lenkungswirkung“ ist in diesem Zusammenhang gemeint, ob Menschen durch die Schlechterstellung zur Ausreise bewegt wurden oder von einer Einreise abgehalten wurden.

Für Menschen im Asylverfahren gibt es ein „Sondersozialsystem“, das Asylbewerberleistungsgesetz. Statt „einen Topf“ für alle Hilfsbedürftigen zu schaffen, werden Menschen mit Fluchthintergrund bis zu ihrer Anerkennung aus den Regelsystemen ferngehalten. Die Landesregierung rechtfertigt Unterschiede der Existenzabsicherungen mit notwendigen „Differenzierungen“ der jeweiligen Bedarfslage. So seien etwa Menschen in vorübergehenden Einrichtungen bereits durch Sachleistungen versorgt, so dass der Bedarf entsprechend sinke.

Die Landesregierung sieht keinen Zusammenhang zwischen der Existenz von Einrichtungen wie der Tafel und den Rechtsansprüchen auf Grundsicherungsleistungen. Vielmehr sei das Vorhandensein der Tafeln als zusätzliches Angebot zu verstehen, welches finanziellen Spielraum und Raum für Begegnungen eröffne. Gleichzeitig stellt sie fest, dass die Integration jener Menschen die 2015 und 2016 eingereist sind, eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung darstellt, die nur durch ein gemeinsames Handeln staatlicher Stellen und zivilgesellschaftlicher Initiativen erfolgreich gemeistert werden kann.

Es darf festgestellt werden, dass hier Fragen offen bleiben.

Die Bekämpfung von Armut sei historische Grundlage und Wesenskern staatlicher Sozialpolitik, die einem ständigen Wandel unterliege und notwendigerweise von immer neuen Initiativen begleitet werden müsse. Die Landesregierung wird sich an dieser Aussage, sowie der nächsten statistischen Erfassung einer Armutsgefährdungsquote messen lassen müssen. Möglicherweise setzt sie diese Ankündigung durch die Abschaffung des längst überholten und vollkommen überflüssigen Asylbewerberleistungsgesetzes um und wandelt das Gesetz im Lichte staatlicher Sozialpolitik gleich so, dass allen Hilfsbedürftigen die gleiche Unterstützung zukommt. Hinter den Zahlen und Quoten, Anfragen und Antworten stehen Taten und Menschen. Dass Integration Zeit und Bemühungen braucht, ist keine Frage. Hinter verschiedenen „Fördertöpfen“ darf aber keine Bewertung in „förderungswürdig“ und „unwürdig“ stehen. Artikel 1 des Grundgesetzes differenziert nicht nach frei erschaffenen Kategorien. Vielmehr verpflichtet es den Staat, die Würde eines jedes Menschen zu schützen und nicht durch stets zunehmende Verschärfungen in verfassungsrechtlich fragwürdiger Weise anzutasten.

Quelle

Landtagsanfrage „Armut bei Migrantinnen und Migranten“ mit Antwort der Landesregierung vom 17. Mai 2018

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