Niedersachsen geht den Weg einer zunehmend restriktiven Flüchtlingspolitik bislang nur beschränkt mit. Rhetorisch orientiert sich die Koalitionsvereinbarung der neuen Landesregierung vom 16. November 2017 – entsprechend dem Zeitgeist – an den bundespolitischen Vorgaben: Mehr Polizei, mehr Kontrollen, mehr Abschiebung. Das bleibt auch in der Praxis nicht ohne Konsequenzen: Wir stellen fest, dass auch in Niedersachsen wieder Abschiebungen stattfinden, die aus menschenrechtlicher Sicht inakzeptabel sind und uns zweifeln lassen, ob die Orientierung der Landespolitik an humanitären Grundsätzen noch Gültigkeit besitzt (Inkaufnahme von Familientrennungen, unangekündigtes Eindringen in Wohnungen zur Nachtzeit, Abschiebung auch schwerkranker Patient:innen). Von dem vielbeschworenen „Paradigmenwechsel in der Abschiebungspolitik“, wie ihn der alte und neue Innenminister Boris Pistorius 2013 versprach, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Auch einer Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten um die Maghreb-Staaten will Niedersachsen zustimmen.
An Sammelabschiebungen nach Afghanistan hat sich Niedersachsen aber bislang noch nicht beteiligt. Aus der Landespolitik ist zu hören, dass AnkER-Einrichtungen in Niedersachsen nicht
notwendig seien, und dass die Landesregierung an einer Politik der Teilhabe und frühzeitigen Integration von Geflüchteten, soweit gesetzlich (noch) möglich, festhalten wolle. Gerade im Bereich der Integrationsangebote gibt es bislang keine Kehrtwende: So werden z.B. die aus Mitteln der Erwachsenenbildung finanzierten Sprachkurse weiterhin aufrecht erhalten, und auch die Beratung von Geflüchteten erfolgt in Niedersachsen im Rahmen der kooperativen Migrationsarbeit auf hohem Niveau. Auch das Sprach- und Integrationsprojekt SPRINT soll weitergeführt, die Sprachförderung und Integration an berufsbildenden Schulen gestärkt werden. Doch als Stimme für eine weltoffene, menschenfreundliche Gesellschaft fällt Niedersachsen nicht mehr auf, und ambitionierte neue Projekte sucht man in der Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU vergeblich. Die Landesregierung hält sich vielmehr zurück und versucht, Konflikten auszuweichen.
In Zeiten wie diesen ist das allerdings nicht genug. Nötig wäre eine klare Haltung, um sich dem Rechtstrend entgegenzustemmen.
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