Die Ausrichtung der obergerichtlichen Rechtssprechung vielleicht schon erahnend, haben in den letzten Monaten sogar noch relativ schutzbereite Verwaltungsgerichte hinsichtlich des Themenkomplexes Dublin-Überstellungen nach Italien, u.a. auf die erhöhten Aufnahmekapazitäten in Italien verweisend, restriktivere Positionen eingenommen und Eilanträge und Klagen gegen Dublin-Bescheide mit Abschiebungsanordnung nach Italien abgeleht (s. etwa VG Braunschweig, 7. Kammer, Urteil vom 26.9.2017; AZ: 7 A 338/16).
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat nun selbst Recht gesprochen. An dieser Stelle veröffentlichen wir eines der zehn Urteile zu dieser und verwandten Fragestellungen, in denen das OVG Lüneburg am 09.04.2018 der Berufung des BAMF gegen das positive Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover stattgegeben hat, wobei die Berufung im Juli 2016 wegen Divergenz zugelassen wurde.
Im hier einschlägigen Urteil des OVG Lüneburg wird besonders ausführlich auf die Frage des Unterkunftsanspruchs eingegangen, die Themen Gesundheitsversorgung, Versorgung mit den übrigen zum Lebensunterhalt notwendigen Leistungen werden aber auch kurz behandelt. Insgesamt kommt das OVG zum Ergebnis, dass das italienische Aufnahmesystem keine systemischen Mängel aufweist und somit Antragsteller:innen, die nicht zu der Gruppe der besonders Schutzbedürftigen gehören, bei denen vor einer Abschiebung nach Italien Garantien iSd der Tarakhel g. Schweiz-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus 2014 von den dortigen Behörden eingeholt werden müssen, auf Grundlage der Dublin-III-Verordnung dorthin zurückgeführt werden können.
Obwohl das OVG Lüneburg die Aussagekraft etwa des Berichtes der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und des Dänischen Flüchtlingsrates vom 09.02.2017 mit dem Titel „Is mutual trust enough? The situation of persons with special reception needs upon return to Italy“ relativiert, in dem es sagt, dass die die dort dokumentierten Fälle nicht verallgemeinerungsfähig seien und nur Ausnahmefälle darstellten, soll hier dennoch auf diese wichtige Arbeit dieser Menschenrechtsorganisationen hingewiesen werden.
Einen Fall, der die Aspekte der problematischen Aufnahmebedingungen in Italien darstellt, hatten wir gemeinsam mit dem Diakonischen Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen e.V. und APROTO e.V. im August 2017 öffentlich gemacht. Der Mann, der nach seiner Dublin-Abschiebung nach Italien nach Deutschland zurückgekehrt ist, kämpt hier weiterhin darum, dass sein Asylantrag in Deutschland geprüft wird.
Im Hinblick auf die Aspekte der o.g. besonderen Anforderungen bei den besonders Schutzbedürftigen, zu denen etwa begleitete Minderjährige zählen, weisen wir weiterhin auf eine aktuelle Auskunft des Dublin-Grundsatzreferates des BAMF auf Anfrage der Diakonie Hessen hin. Darin heißt es:
„(…) Aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung (EGMR Tarakhel / Schweiz, Urteil vom 04.11.2014, Nr. 29217/12 und BVerfG, Beschluss vom 17.09.2014 – 2 BvR 939/14) beschränkte das Bundesamt im Fall von Italien die Durchführung des Dublin-Verfahrens bei Familien mit minderjährigen Kindern auf Fälle von Familien mit Kindern ab 16 Jahren. Inzwischen hat sich die Aufnahmekapazität für Familien mit minderjährigen Kindern in Italien wesentlich erhöht. Zudem hat sich die von Italien gegebene Zusicherung für diesen Personenkreis bezüglich Aufnahme und Unterkunft bei der Durchführung von Dublin-Verfahren durch andere Mitgliedstaaten als ausreichend erwiesen. Vor diesem Hintergrund schlug das Bundesamt dem BMI vor, Familienüberstellungen nach Italien für Familien mit Kindern ab drei Jahren wieder aufzunehmen; das BMI stimmte dem Vorschlag des Bundesamtes zu.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Familien mit Kindern unter 3 Jahren nicht nach Italien überstellt werden. Somit sollte sichergestellt sein, dass diese Familienkonstellationen den italienischen Behörden erst gar nicht zur Übernahme angeboten werden. Sollte dies in unabsichtlich geschehen sein, ist nachträglich das Selbsteintrittsrecht auszuüben. (…)“
Sprachlos und angewidert angesichts der Unmenschlichkeit und der immer weiter fortschreitenden eisigen Gefühlskälte gegenüber den Menschen, die hier als Asylbewerber leben und ALLEN, die so aussehen. Es ist dringend Aufklärung nöig. Der Asylbewerber ist zum Buhmann vieler Ungerechtigkeiten avanciert.