Bei der Beurteilung der Frage, ob Eltern von in Deutschland anerkannten minderjährigen Geflüchteten, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, sich auf Familienasyl berufen können, stellt das BAMF neuerdings nicht mehr auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung ab, sondern auf den Zeitpunkt der Asylentscheidung. Nach Auffassung des Flüchtlingsrats ist diese Praxis rechtswidrig.
Am 23.02.2018 belehrte uns das BAMF auf eine fallbezogene Beschwerde, die Weisungslage habe sich geändert: Wenn der/die Stammmberechtigte zum Zeitpunkt der Entscheidung schon volljährig sei, könne die nachgereiste Familie Familienasyl nicht mehr für sich beanspruchen. Argumentiert wird mit § 26, Abs. 3, S. 5.: Wenn die Personensorge nicht mehr bestehe, was mit dem Eintritt der Volljährigkeit der Fall sei, könne es kein Familienasyl mehr geben.
Noch im November 2016 hat das BAMF diese Frage dezidiert anders beantwortet: Wie aus einem Schreiben des BAMF vom 16.11.2016 hervorgeht, vertrat das BAMF damals die Rechtsauffassung, es bestehe ein Anspruch auf Familienasyl, wenn der Asylantrag zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, als der stammberechtigte Flüchtling noch minderjährig war. „Für die Anerkennung von Familienasyl ist der Zeitpunkt der Antragstellung und nicht die Entscheidung maßgeblich.“
Im Effekt führt die veränderte Praxis des BAMF dazu, dass die Gewährung von Familienasyl einfach durch die Nichtbearbeitung der Asylanträge vor Erreichen der Volljährigkeit ausgehebelt werden kann. Das VG Hamburg hat diese Praxis 2014 für rechtswidrig erklärt. Wir raten insofern dringend zu Klagen gegen die Verweigerung von Familienasyl. Betroffene sollten sich auch auf eine bald zu erwartende EUGH-Entscheidung berufen, die Auswirkungen auch auf die Ausgestaltung des Familienasyls haben dürfte (Az. EUGH C 550/16). Der Familienflüchtlingsschutz als rein nationale Regelung ist von diesem Verfahren zwar nicht direkt betroffen, eine Entscheidung müsste aber mittelbare Auswirkungen haben, da vom EUGH scheinbar auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt wird.
Kai Weber
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