Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, spricht sich für den uneingeschränkten Zugang von Geduldeten zu Integrationskursen nach einem Jahr Aufenthalt aus (siehe u.a. DGB-Bildungswerk und Handelsblatt). Er beweist Realitätssinn, wenn er feststellt, dass man davon ausgehen darf, dass etliche Geduldete über lange Zeit in Deutschland verweilen werden und ihnen daher der Spracherwerb zur besseren Vermittlung in Arbeit ermöglicht werden sollte.
Auch bzgl. der Ausbildungsduldung fordert er Ausweitungen: Die Ausbildungsduldung sollte Geduldeten bis neun Monate vor Beginn der Ausbildung ausgestellt werden, und auch für Helferausbildungen und Einstiegsqualifizierungen sollten Ausbildungsduldungen erteilt werden. Damit liegt der BA-Chef mit seinen Vorschlägen auf einer Linie mit der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister:innen (siehe hier) sowie dem Industrie- und Handelstag (siehe hier).
Die neue Bundesregierung scheint jedoch einen radikal anderen Weg zu verfolgen: Dem sog. Sondierungspapier vom 12.1.2018 zufolge ist es erklärter politischer Wille, sog. „zentrale Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen (ANkER)“ zu schaffen. Eine Entlassung aus diesen Lagern soll nur noch dann erfolgen,wenn „eine positive Bleibeprognose besteht“. Alle anderen sollen, „wenn in angemessener Zeit möglich“, aus diesen Einrichtungen in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Eine Befristung des Lageraufenthalts ist daraus nicht abzuleiten, im Gegenteil: Zukünftig droht eine Rückkehr zu den ausgrenzenden Lagerkonzepten der 90er Jahre. Zwar finden sich im Sondierungspapier auch der Hinweis, dass „diejenigen, bei denen die Ausreise kurzfristig nicht zu erwarten ist, Angebote nach dem Grundsatz des Förderns und Forderns für Spracherwerb und Beschäftigung bekommen“. Was „kurzfristig“ heißt, wird aber nicht expliziert. Darüber hinaus soll einer Integration in den Arbeitsmarkt keine Aufenthaltsverfestigung folgen. Das ist in der Tat weniger, als bisher über Parteigrenzen hinweg an Flüchtlingsintegrationspolitik konsensfähig war.
Sollte diese politische Linie tatsächlich Platz greifen, wird sie u.E. absehbar in eine Welle von Ausweisungen und Abschiebungen von Schutzsuchenden, zumindest aber in prekäre Arbeits- und Aufenthaltsverhältnisse führen. Die Absenkung der Schutzquote für afghanische Flüchtlinge auf der Grundlage einer politisch motivierten Verschärfung der Kriterien für die Schutzgewährung vergrößert den Kreis der von einer solchen Politik betroffenen Geflüchteten. Selbst Abschiebungen in den Irak sind aus Sicht der geschäftsführenden Regierung kein Tabu, und die Anhäufung von bis dato mehr als 75.000 Widerrufsverfahren lässt weitere Überraschungen bei der Korrektur von Schutzgewährungen mit aufenthaltsverunsichernden Folgen befürchten.
Der Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass
- jedem Menschen das Recht zugestanden wird, ein Leben in Würde führen zu können,
- jede_r Asylsuchende die Chance erhält, seine/ihre Persönlichkeit frei zu entfalten und seine/ihre Potentiale und Fähigkeiten (weiter-)zuentwickeln,
- Asylsuchende und Geduldete freien Zugang zu Integrationskursen erhalten,
- Rechtssicherheit für geflüchtete Menschen in Ausbildung, Studium und Beschäftigung sowie während berufsvorbereitender Maßnahmen hergestellt wird,
- Aufenthaltssicherung auch bei berufsvorbereitenden Maßnahmen gewährleistet wird,
- Qualifizierungsmaßnahmen des SGB III und Aktivitäten zur Anerkennung von in Ausland erworbenen Bildungsabschlüssen aufenthaltsrechtlich abgesichert abgeschlossen werden können,
- grundsätzlich frühzeitig eine sozialrechtliche Gleichstellung von Gestatteten und Geduldeten stattfindet. Dies bedeutet u.a., dass berufsvorbereitende Maßnahmen des SGB III und Ausbildungsförderung nach SGB III und BAföG für alle Asylsuchenden und geduldete Menschen geöffnet werden.
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