LK Holzminden: Traumatisierung als "Täuschungsgrund"?

Presseerklärung des Flüchtlingsrats Niedersachsen vom 19.4.2007

Traumatisierung als Täuschungshandlung?
Flüchtlingsrat kritisiert den Landkreis Holzminden

Kann eine mehrfach gutachterlich bestätigte Traumatisierung im Heimatland als versuchte Täuschung bewertet und damit die Erteilung des Bleiberechts verweigert werden? Diese Frage wirft allen Ernstes der Landrat Holzminden auf, der einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung für eine psychisch schwer erkrankte Flüchtlingsfrau aus dem Kosovo zu prüfen hat. Der Flüchtlingsrat ist empört: Hier wird eine schwerkranke Frau zur potenziellen Betrügerin erklärt.

Die mit ihrem Ehemann im Februar 1999 nach Deutschland eingereiste Mutter von drei minderjährigen Kindern leidet seit einem ßbergriff im August 1998, bei dem sie von vier maskierten serbischen Soldaten vergewaltigt wurde, unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer schweren Depression. Dies wurde von zwei fachpsychiatrischen Gutachten (MHH, April 2005/ Trauma Consult, Dezember 2006) detailliert und fachlich fundiert bestätigt. Das Gesundheitsamt des Landkreises Holzminden spricht von einer dringenden Behandlungsbedürftigkeit der psychischen Gesundheitsstörung (Depression, mögliche Diagnose der PTSD).
Auch das Verwaltungsgericht Hannover geht in seinem Urteil vom Februar 2006 von einer „unstreitigen psychischen Erkrankung und Behandlungsbedürftigkeit“ aus, lehnt jedoch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit der Begründung ab, die Erkrankung sei auch im Heimatland behandelbar.

Mit der beschlossenen Bleiberechtsregelung vom 17.11.2006 ist nun eine neue Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Bleiberechts für Familien gegeben, die seit mehr als sechs Jahren in Deutschland leben. Darunter fällt auch die Familie aus Holzminden. Da im bisherigen Asylverfahren noch kein sicherer Aufenthalt errungen werden konnte, der die Grundvoraussetzung für eine Heilung / Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Betroffenen ist, hat die Familie einen Antrag auf Bleiberecht beim Landkreis Holzminden gestellt. Dieser bezweifelt nun die Richtigkeit der Behauptung, ein im Heimatland erlittenes Trauma sei Ursache der psychischen Erkrankung, und begründet damit den Verdacht einer Täuschungshandlung. Unter Außerachtlassung der Tatsache, dass das Krankheitsbild einer PTSD zu Dissoziationen und zu abweichenden Aussagen z. B. hinsichtlich Zeitangaben führt, wird die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben in Zweifel gezogen.

gez. Sophia Engelberts

Flüchtlingsrat Niedersachsen
Langer Garten 23 B
31137 Hildesheim
Tel. 05121 “ 8889803 oder 15605
Mail: se@nds-fluerat.org

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