Anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen (25. November) weist der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. noch einmal auf die prekäre Situation von Frauen in niedersächsischen Not- und Gemeinschaftsunterkünften hin.
Demonstration von Women in Exile gegen Lagerunterbringung
Gemeinschaftsunterkünfte können aufgrund ihrer strukturellen Mängel nur Übergangslösungen sein. Die dort herrschenden Bedingungen sind gewalt- und konfliktfördernd und insbesondere für geflüchtete Frauen untragbar. Das unfreiwillige Zusammenleben von Fremden, von denen nicht wenige unter Traumatisierungen leiden, auf beengtem Raum und für eine unbestimmte Dauer bedeutet für viele Menschen eine psychosoziale Belastung. Hinzu kommen fehlende Privatsphäre, Lärm und Unruhe sowie lange Phasen ohne Beschäftigung. Studien belegen (vgl. auch hier und hier), dass geflüchtete Frauen in erheblichem Maße unter den Bedingungen in den Unterkünften leiden. Frauen sind dort häufig häuslicher Gewalt, psychischem Druck und sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Täter sind neben Partnern, andere Bewohner und Mitarbeiter der Unterkünfte sowie Unbekannte. Frauen fühlen sich in den Lagern und auf den Wegen dorthin oft unsicher und gefährdet.
Zwar sollen Wachdienste die Sicherheit der Bewohner:innen in den Unterkünften gewährleisten sollen. Allerdings verschärfen unzureichende Schulungen (interkulturelle Kompetenz, Traumatisierungen, besonderer Schutzbedarf), mangelnde Kontrolle und fehlende weiblicher Mitarbeiter:innen mitunter das Unsicherheitsgefühl besonders von geflüchteten Frauen.
Trotz dieser Bedingungen leben noch immer viele Frauen in Gemeinschaftsunterkünften, in der Stadt Göttingen beispielsweise in der Notunterkunft Siekhöhe. In dieser früheren Lagerhalle am äußersten Stadtrand leben etwa 200 Schutzsuchende fern jeder Nachbarschaft. Die Halle ist fensterlos und die eingebauten Abteile sind nach oben offen. Die Bewohner:innen haben nicht die Gelegenheit, selbst zu kochen oder nach eigenem Ermessen Besuch zu empfangen. Der Sicherheitsdienst nimmt Taschenkontrollen vor und versperrt vielen freiwilligen Helfer:innen den Zugang,
Angesichts solcher Bedingungen müssen Gemeinschaftsunterkünfte so rasch wie möglich geschlossen werden. Solange Gemeinschaftsunterkünfte betrieben werden, sind verbindliche Standards und in die Praxis umgesetzte Konzepte unabdingbar. Obwohl die EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die Bedarfe besonders schutzbedürftiger Gruppen bei der Unterbringung zu berücksichtigen, fehlt in der Bundesrepublik und auch in Niedersachsen bislang die entsprechende gesetzliche Grundlage. Die vom Bundesfamilienministerium und UNICEF 2016 unter Beteiligung zahlreicher Expert:innen erarbeiteten Mindeststandards zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften haben ebenso wie die überarbeitete, um weitere schutzbedürftige Gruppen ergänzte Neufassung aus dem Juni 2017 lediglich Empfehlungscharakter. Ein transparentes und regelmäßig kontrolliertes Gewaltschutzkonzept gibt es in Niedersachsen nur in der Stadt Oldenburg. Solche Konzepte müssen für jede Unterkunft entwickelt und regelmäßig fortgeschrieben werden.
Darüber hinaus ist es notwendig, die strukturellen Mängel der deutschen und europäischen Asyl- und Aufnahmepolitik gerade auch in Hinblick auf geflüchtete Frauen zu beseitigen und substantielle Verbesserung bei der Aufnahme und Unterbringung durchzusetzen.
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