Verwaltungsgericht stoppt Abschiebung von Schaady Schihaab

Von Thorsten Fuchs

Erfolg für den jungen Schaady Schihaab: Das Verwaltungsgericht hat die Abschiebung des 20-Jährigen, über den die HAZ am Sonnabend berichtet hatte, vorerst gestoppt.
Das Gericht hält es für möglich, dass aufgrund seiner Ausbildung und Lebensverhältnisse eine „positive Integrationsprognose“ gestellt werden kann. Das entschied die siebte Kammer gestern im Eilverfahren. Eine solche Prognose wiederum ist für eine Aufenthaltserlaubnis erforderlich, über die die Region nun erneut entscheiden muss. Mindestens bis einen Monat über diese Entscheidung hinaus darf Schihaab nun in Deutschland bleiben. „Ich bin erst mal total erleichtert“, sagte er gestern.
Schaady Schihaab ist vor zehn Jahren mit seiner Mutter aus dem Libanon nach Deutschland gekommen. Der Asylwunsch seiner Eltern wurde abgelehnt. Schaady hat einen erweiterten Realschulabschluss, bereitet sich an der BBS 14 auf das Fachabitur vor und absolviert ein Praktikum bei einer Versicherung. Sein Anwalt sieht in Schihaab einen „faktischen Inländer“. Seine Klassenlehrerin Claudia Nyhuis bescheinigt ihm einen tadellosen Umgang mit Lehrern und Schülern, das Fachabitur sei nicht in Gefahr: „Ich erlebe ihn als voll integriert.“ Die Versicherungsagentur hat ihm Fleiß, Hilfsbereitschaft und „integratives Verhalten“ schriftlich gegeben.
Dennoch soll der 20-Jährige abgeschoben werden, weil er bei der Region Papiere vorgelegt hat, die nach Erkenntnissen der Ausländerbehörde gefälscht gewesen sein sollen. Schihaab selbst erklärt, sie von der libanesischen Botschaft in Berlin erhalten zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren in der Sache „wegen Geringfügigkeit“ eingestellt.
Schihaab, der sich aus Angst vorübergehend versteckt gehalten hatte, geht wieder zur Schule und zu seiner Praktikumsstelle. Die Region muss seinen Fall nun erneut prüfen. „Dabei werden wir die Integrationsleistung natürlich berücksichtigen“, erklärte Sprecherin Christina Kreutz.

12.03.2009 / HAZ Seite 16 Ressort: HAN

Hintergrund

Schaady soll für Fehler der Eltern büßen
Von Thorsten Fuchs – Wenn Marcus Pitschmann, Trainer der Ersten Herrenmannschaft des FC Burgwedel, über seinen Stürmer auf dem rechten Flügel spricht, gerät er an die Grenzen seines Verständnisses. „Schaady ist total integriert und akzeptiert, alles einwandfrei, ein Riesengewinn“, sagt er über den 20-Jährigen. „Und jetzt wollen die ihm seine Zukunft verbauen. Das ist unfassbar.“
Deshalb akzeptiert Pitschmann auch, dass sein so wichtiger Spieler derzeit nicht zum Training kommt, denn Schaady Schihaab hält sich versteckt. Seit die Polizei vor elf Tagen vor Morgengrauen bei seinen Eltern in Sehnde-Höver erschien und er nur durch Zufall der Abschiebung entging, lebt er an geheimem Ort. Eine deutsche Familie hat ihn bei sich aufgenommen. Sie hält für Unrecht, was Schaady droht. Er selbst wagt sich kaum aus dem Haus. Sein Blick ist unruhig, der schmächtige junge Mann wirkt gehetzt. „Bei jedem Geräusch schrecke ich auf“, sagt er.
Die Region will Schaady Schihaab in den Libanon abschieben, das Land, das er vor zehn Jahren mit seiner Mutter und zwei jüngeren Geschwistern verlassen hat. Zwei Dinge wirft die Region ihm vor: Jahrelang hätten seine Eltern, abgelehnte Asylbewerber, die Behörden über ihre wahre Staatsangehörigkeit getäuscht. Um einer Abschiebung zu entgehen, hätten sie sich als staatenlose Beduinen ausgegeben “ der Libanon bestätige jedoch, dass es sich um Staatsangehörige handelt. Außerdem soll Schaady selbst zwei Papiere der libanesischen Botschaft gefälscht haben, nach denen er keinen libanesischen Pass bekommen würde. „Von einer Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland ist nicht auszugehen“, schreibt die Region. Schaady Schihaab habe „zu erkennen gegeben, dass er nicht bereit ist, sich an die im Bundesgebiet geltenden Regeln und Gesetze zu halten.“
Damit widerspricht die Behörde jedoch nicht nur Schaadys Trainer. An der BBS 14 macht der 20-Jährige derzeit das Fachabitur. Seine Klassenlehrerin Claudia Nyhuis bescheinigt ihm einen tadellosen Umgang mit Lehrern und Schülern, das Fachabitur sei nicht in Gefahr: „Ich erlebe ihn als voll integriert.“ Die Versicherungsagentur, bei der er derzeit ein Praktikum macht, hat ihm Fleiß, Hilfsbereitschaft und „integratives Verhalten“ schriftlich gegeben. Die Eltern eines deutschen Freundes wollen Schaady sogar adoptieren. „Er hat unser volles Vertrauen“, sagt Anja Quittschor aus Sehnde. Vor einer Abschiebung würde dies Schaady jedoch auch nicht bewahren.
Die Region verteidigte am Freitag ihr Vorgehen. Die Gesetze ließen keinen Spielraum, erklärte Sprecherin Christina Kreutz. Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen hält das Vorgehen hingegen für unrechtmäßig, da die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Schaady wegen Geringfügigkeit eingestellt hat. Er selbst leugnet, Papiere gefälscht zu haben: „Ich habe sie von der libanesischen Botschaft in Berlin.“ Möglicherweise haben auch die unterschiedlichen Nachnamen von Mutter und Vater in den Dokumenten irritiert: Die Regionssprecherin gibt zu, dass es „Verwirrungen bei der Namensnennung“ gab. Weber jedoch hält eine Abschiebung für falsch, selbst wenn der junge Mann sich nicht um einen libanesischen Pass bemüht haben sollte: „Da geht jeder Maßstab verloren.“
Ein Anwalt versucht derzeit, beim Verwaltungsgericht die Abschiebung zu verhindern. Schaady Schihaab denkt an eine mögliche Abschiebung in den Libanon mit Grauen. Seine einzige Verwandte dort sei eine 68-jährige Großtante. Land und Sprache sind ihm fremd: „Ich kann nicht mal meinen Namen auf Arabisch schreiben.“
07.03.2009 / HAZ Seite 18 Ressort: HANN

Duldung und Abschiebung
Schaady Schihaab lebt seit zehn Jahren in Deutschland. Er wurde seitdem hier „geduldet“ “ der Begriff bedeutet, dass derjenige zwar behördlich registriert, aber nicht erwünscht ist. Die Abschiebung wurde lediglich für eine bestimmte Zeit aufgeschoben. Theoretisch soll eine Duldung nur für einen kurzen Zeitraum gelten. Tatsächlich jedoch leben viele der bundesweit rund 200 000 „Geduldeten“ schon seit vielen Jahren in Deutschland. Eine Abschiebung ist nur mit einem gültigen Pass möglich. Viele „Geduldete“ verfügen jedoch über keine gültigen Papiere ihres Heimatlandes “ sei es, weil sie sich weigern, sich einen Pass ausstellen zu lassen, sei es wegen chaotischer bürokratischer Strukturen. In Hannover halten sich derzeit rund 1200 Menschen aufgrund einer Duldung auf. tof
07.03.2009 / HAZ Seite 18 Ressort: HANN

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