VG Hannover: Flüchtlingen droht in Bulgarien eine menschenrechtswidrige Behandlung

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Mit Beschluss vom 3. April 2017 – Az. 15 B 2468/17 – hat das Verwaltungsgericht Hannover entschieden, dem 19-jährigen Sohn der von der Region Hannover abgeschobenen Familie K. aus Lehrte vorläufigen Abschiebungsschutz zuzubilligen. Wörtlich heißt es in der Entscheidung:

„… nach Auffassung der Einzelrichterin droht international Schutzberechtigten in Bulgarien die Obdachlosigkeit und ihnen fehlt faktisch der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu staatlichen Sozialleistungen. Eine Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien würde darum seine Existenz bedrohen und zu einer unmenschlichen und erni3edrigenden Behandlung i.S.v. Artikel 3 EMRK führen. Somit liegt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor.
Dem kann nicht mit dem Argument entgegengetreten werden, die Lage für große Teile der bulgarischen Bevölkerung sei ebenfalls schwierig. Denn die Lage anerkannter Flüchtlinge unterscheidet sich grundlegend von der Situation der übrigen Bevölkerung. Sie haben keine sozialen Kontakte, können nicht auf wirksame familiäre oder nachbarschaftliche Hilfe zurückgreifen und sind weitgehend auf sich allein gestellt. (…)“

Die 15. Kammer des Verwaltungsgericht Hannover bestätigt damit in der Sache die Kritik des Flüchtlingsrats an einer Abschiebung, die die Region Hannover unter Inkaufnahme einer Familientrennung und mit der Rückendeckung des niedersächsischen Innenministeriums am 3. Februar 2017, also vor mehr als zwei Monaten, durchgeführt hat (siehe PE vom 7.2.2017). Vergeblich appellierte der Flüchtlingsrat an die Landesregierung, der Familie zumindest bis zur Entscheidung in der Hauptsache einen Verbleib in Lehrte zu ermöglichen (siehe PE vom 23.2.2017).  Später hatte das Oberverwaltungsgericht der Region Hannover Recht gegeben – eine Entscheidung, die vom Flüchtlingsrat scharf kritisiert wurde (siehe PE vom 16.3.2017). Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 03.4.2017 wird nun für den Sohn der Familie ein Abschiebungshindernis festgestellt.

Die Region Hannover hat mit ihrer leichtfertigen Abschiebung unter Inkaufnahme einer Familientrennung dafür gesorgt, dass wir in Niedersachsen nun das haben, was die Landesregierung eigentlich vermeiden wollte: Eine Familie wird von Amts wegen auseinandergerissen, und unterschiedliche Beurteilungen der Rechtslage für die Deutschland verbliebenen Angehörigen und die nach Bulgarien abgeschobenen Familienmitglieder durch verschiedene Kammern des Verwaltungsgerichts Hannover – die 2. Kammer hält Abschiebungen nach Bulgarien für vertretbar, die 15. Kammer sieht darin eine Menschenrechtsverletzung – sorgen für einen Stillstand auf unabsehbare Dauer.

Vor dem Hintergrund der inzwischen mehr als zwei Monate andauernden Familientrennung und angesichts der verfahrenen Rechtslage fordert der Flüchtlingsrat das niedersächsische Innenministerium erneut auf, aus übergeordneten Gründen ein gemeinsames Familienleben der am 3. Februar 2017 teilweise nach Bulgarien abgeschobenen Familie K. in Deutschland zuzulassen.

 

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