PRO ASYL und Flüchtlingsrat Niedersachsen: Bundesregierung präsentiert Scheinlösungen
Die Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD zum Thema »Familiennachzug zu Flüchtlingskindern« stößt auf scharfe Kritik von PRO ASYL und dem Flüchtlingsrat Niedersachsen. »Statt endlich eine überfällige Gesetzesreform anzustrengen, die den Rechtsanspruch von Eltern und Geschwistern auf einen Familiennachzug zu hier lebenden Flüchtlingskindern regelt, streut die Bundesregierung der Öffentlichkeit mit »Härtefalllösungen« Sand in die Augen«, kommentierte Günter Burkhardt den Beschluss.
In der Koalitionsvereinbarung von letzter Nacht wurde beschlossen, dass die in § 22 Aufenthaltsgesetz enthaltene Härtefallklausel »in Einzelfällen unter besonderer Berücksichtigung der Kinderrechtskonvention« genutzt werden soll.
Das bezeichnen PRO ASYL und Flüchtlingsrat Niedersachsen als reine Augenwischerei. Offenbar dient der Formelkompromiss der symbolischen Ehrenrettung der SPD, die sich beim Familiennachzug von der CDU hat über den Tisch ziehen lassen. Die Lösung über Härtefälle hat in der Vergangenheit nicht funktioniert. Der UNHCR kritisiert in seiner Stellungnahme vom 17. März 2017, dass beim Familiennachzug zu unbegleiteten Minderjährigen der humanitäre Spielraum praktisch nicht genutzt wird: »In der Praxis wurde vom § 22 AufenthG allerdings fast kein Gebrauch gemacht«.
Faktisch wird der Familiennachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus drei Ebenen systematisch be- oder verhindert:
1. Die Asylverfahren von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen werden oft unerträglich in die Länge gezogen. Ein Recht auf Familiennachzug besteht aber nur, solange das Kind noch minderjährig ist. Vielfach scheitert ein Familiennachzug schlicht daran, dass eine Entscheidung über den Asylantrag erst nach Eintritt der Volljährigkeit ergeht.
2. Mit dem Asylpaket II vom 16.03.2016 hat die Bundesregierung den Familiennachzug zu Flüchtlingen mit sog. subsidiärem Schutz bis zum 16.03.2018 außer Kraft gesetzt. Waren Anfang des Jahres 2016 nur eine Handvoll Flüchtlinge betroffen, ist die Gewährung von „subsidiärem Schutz“ anstelle einer Flüchtlingsanerkennung inzwischen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zur Regel geworden: Rund ein Drittel aller umF erhielten 2016 subsidiären Schutz (siehe BT-Drucksache 18/1540, Seite 92).
3. Eltern von in Deutschland anerkannten minderjährigen Flüchtlingen haben einen Anspruch auf Familiennachzug. Den minderjährigen Geschwistern wird dieses Recht jedoch mit der Begründung verweigert, es läge kein Nachweis von »ausreichendem Wohnraum« vor. Im Ergebnis lassen die Eltern entweder ihre weiteren minderjährigen Kinder allein im Ausland zurück, oder die Eltern verzichten auf den Familiennachzug und damit auf die familiäre Gemeinschaft mit ihrem in Deutschland als Flüchtling anerkannten Kind. Langwierige Rechtstreitigkeiten über die Auslegung von § 36 AufenthG und die Voraussetzungen für den Familiennachzug trennen Kinder von ihren Eltern und Geschwistern auf Jahre.
PRO ASYL und Flüchtlingsrat Niedersachsen fordern die Regierungskoalition zum sofortigen Handeln auf: Auch für die Geschwisterkinder von unbegleiteten minderjährigen Kindern muss es einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug ohne Auflagen und Bedingungen geben. Die Regierungskoalition drückt sich um die fällige Gesetzesänderung herum, die auch vom niedersächsischen Innenministerium gefordert wird. In einem Schreiben vom 13. März schreibt Staatssekretär Stephan Manke an die Bundes- und Landesinnenminister: »Daher ist es aus meiner Sicht dringend notwendig, zu einer Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu kommen. Ziel einer solchen Gesetzänderung muss es sein, dann Ausnahmen vom Erfordernis ausreichenden Wohnraums zulassen zu können, wenn der Nachzug weiterer Angehöriger im Zusammenhang mit dem Nachzug der Kernfamilie zu in Deutschland anerkannten Flüchtlingen erfolgt.«
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