Bundesweiter Aktionstag gegen Abschiebungen nach Afghanistan:
In Niedersachsen:
Demonstration am Sa., 11.02.2017, 13.00 Uhr, vor dem Hauptbahnhof Hannover (Bahnhofstr.)
Demonstration am Sa., 11.02.2017, 13.00 Uhr, Gänseliesel (Aufruf hier)
Nachfolgend der aktualisierte Aufruf für die Demonstration in Hannover:
- Keine Abschiebungen nach Afghanistan!
- Bleiberecht für alle afghanischen Flüchtlinge!
Abkommen mit Afghanistan soll trotz verschärfter Sicherheitslage Abschiebungen forcieren
Am 02. Oktober hatten die EU und Afghanistan ein Abkommen geschlossen, das den Titel „Joint Way Forward On migration issues between Afghanistan and the EU“ trägt. Der Name des Abkommens weist bereits auf dessen wesentlichen Zweck hin: Die Zusammenarbeit zwischen der EU und der afghanischen Regierung soll vertieft werden, um irreguläre Migration zu unterbinden und die Rückkehr von abgelehnten Asylbewerber:innen zu forcieren.
Auf Grundlage dieses Abkommens sollen in großer Zahl Abschiebungen von Afghan:innen aus Deutschland und anderen Ländern der EU ermöglicht werden. Eine erste Sammelabschiebung von 34 Afghan:innen aus einigen Bundesländern hat bereits am 14.12.2016 trotz massiver Proteste stattgefunden. Laut Angaben der EU sollen bis zu 80.000 Afghan:innen aus Europa abgeschoben werden.
Um das zu ermöglichen, sagt die afghanische Regierung umfangreiche Kooperation nicht nur bei der Unterbindung von unerwünschter Auswanderung und Flucht sondern v.a. auch bei der Rücknahme von abgelehnten Asylbewerber:innen zu. Dazu gehört u.a. die kurzfristige Ausstellung von Pässen oder alternativ die Akzeptanz von der EU ausgestellten Dokumenten, um Personen, die keine Passpapiere haben, abschieben zu können. Um Abschiebungen in größerer Zahl umsetzen zu können, sind sowohl reguläre Linienflüge als auch Sammelabschiebungen vorgesehen. Für diese soll ein spezieller Terminal auf dem Flughafen in Kabul errichtet werden. Auf der anderen Seite sagt die afghanische Regierung zu, irreguläre Migration in die EU durch Informationskampagnen zu vermindern. Die EU ihrerseits verspricht, die afghanische Regierung bei der Bekämpfung von „Schleuser- und Schleppertätigkeiten“ („trafficking in human beings and migrant smuggling“) zu unterstützen. Die Bundesregierung macht diese Kooperation bei der Rücknahme von afghanischen Flüchtlingen und der Bekämpfung irregulärer Migration in einem Zusatzabkommen zur Bedingung für die Zahlung von weiteren Hilfsgeldern in Höhe von 1,7 Mrd. Euro bis 2020.
Druck auf afghanische Flüchtlinge wird größer
Bereits im Oktober 2015 hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière angekündigt, verstärkt nach Afghanistan abschieben zu wollen. Die Innenminister hatten vor dem Hintergrund auf ihrer Konferenz im Dezember 2015 beschlossen, die Bundesregierung zu bitten, „die Rahmenbedingungen für Rückführungen und freiwillige Ausreisen durch verbindliche Absprachen mit der afghanischen Regierung, UNHCR und IOM zu verbessern“ (Zitat aus den veröffentlichten Beschlüssen der 203. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 03. bis 04.12.15 in Koblenz).
Die im Asylverfahren abgelehnten Afghan:innen fühlen sich nun angesichts des Abkommens mit der afghanischen Regierung von Abschiebung bedroht. In Deutschland befinden sich rund 12.500 ausreisepflichtige Afghan:innen, davon gut 500 in Niedersachsen. Auch wenn sich für viele von Ihnen jenseits des Asylverfahrens Aufenthaltsperspektiven in Deutschland ergeben werden, sind nicht wenige von ihnen tatsächlich von Abschiebung bedroht. Der Bundesinnenminister hat die Bundesländer bereits aufgefordert, das Abkommen mit Afghanistan „mit Leben zu füllen“, und mittlerweile sind bereits zwei Sammelabschiebungen durchgeführt worden, mit denen 60 Afghanen „zurückgeführt“ wurden.
Auch wenn die niedersächsische Landesregierung zugesagt hat, wie in der Vergangenheit nur in Einzelfällen straffällig gewordene Männer abzuschieben, so wird doch eine Atmosphäre erzeugt, in der die Menschen in ständiger Angst leben und sich niemals wirklich in Deutschland heimisch und sicher fühlen können.
Afghanistan ist nicht sicher
Es ist offensichtlich, dass sich die Sicherheitslage und die menschenrechtliche Situation in den letzten Monaten verschärft hat. Als im September 2015 die Taliban die Stadt Kundus überrannt hatten, wurde dies der internationalen Öffentlichkeit deutlich vor Augen geführt. Ein aktueller Bericht des UNHCR, der von der Bundesregierung angefordert wurde und seit dem 9. Januar 2017 allen Innenministerien vorliegt, bestätigt die v.a. für die Zivilbevölkerung im ganzen Land bestehende bedrohliche Situation und unterstreicht, dass das gesamte Staatsgebiet von bewaffneten Konflikten betroffen ist. Anders als die Bundesregierung behauptet kann also nicht von sicheren Regionen die Rede sein.
Die Vereinten Nationen sehen sich immer wieder veranlasst, ihre Besorgnis über die Sicherheitslage auszudrücken. Insbesondere die Zivilbevölkerung wird durch gezielte Tötungen und Angriffe v.a. auf Mädchen und Frauen terrorisiert. Die UN Mission für Afghanistan berichtet, dass es in 2016 einen Anstieg von zivilen Opfern gegenüber dem Vorjahr gab. Im ersten Halbjahr 2016 seien über 1.600 Tote und mehr als 3.500 Verletzte in der Zivilbevölkerung und somit die höchste Zahl an zivilen Opfern seit 2009 zu beklagen gewesen.
Im Dezember berichtete der UN-Generalsekretär von einem kontinuierlichen Ansteigen des Gewaltlevels, so dass sich die bewaffneten Zusammenstöße in 2016 gegenüber 2015 um 22% erhöht hätten. Immer wieder werden Anschläge insbesondere in der Hauptstadt Kabul, aber auch in anderen Städten verübt, der Anschlag auf das deutsche Generalkonsulat im November in Masa-i-Scharif ist dabei ein bekannteres Beispiel. In der Folge seien laut UNHCR im Jahr 2016 über 530.00 Menschen vertrieben worden, so dass nunmehr mindestens 1,2 Mio Menschen als Flüchtlinge innerhalb Afghanistans lebten. Zudem kommen rund 700.000 Menschen hinzu, die auf Druck aus den Nachbarländern zurückkehren, so dass die Regierung und die Hilfsorganisationen Probleme haben, diese Menschen zu versorgen.
Obgleich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die schlimme Sicherheitslage in Afghanistan in seinen Entscheidungen nicht angemessen berücksichtigt, beschreibt es diese katastrophale Situation in seinen sog. Herkunftsländerleitsätzen. Dies erklärt die überdurchschnittlich hohe bereinigte Schutzquote von über 60% für afghanische Flüchtlinge. Entgegen der eigenen Programmatik weigert sich die Bundesregierung dennoch bislang, afghanischen Flüchtlingen die Teilnahme an einem Integrationskurs zu ermöglichen. Diese „postfaktische“ Fortsetzung der Ausgrenzungspolitik ist skandalös!
Angesichts der Faktenlage ist es offensichtlich, dass die Gefährdung für Rückkehrer:innen in ganz Afghanistan hoch ist und Abschiebungen in keinem Fall stattfinden dürfen
Vor diesem Hintergrund fordern wir
- einen bundesweiten bedingungslosen Abschiebungsstopp nach Afghanistan
- eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan durch das Bundesinnenministerium bzw. das BAMF und die Zuerkennung eines Schutzstatus für alle afghanischen Flüchtlinge
- angesichts des aktuellen Berichts des UNHCR die Wiederaufnahme von Asylverfahren, in denen Afghan:innen abgelehnt wurden, durch das BAMF
Von der niedersächsischen Landesregierung fordern wir:
- grundsätzlich keine Abschiebungen von Afghan:innen aus Niedersachsen zuzulassen und stattdessen nach dem Vorbild des Bundeslandes Bremen geduldeten Afghan:innen ein Bleiberecht zu gewähren.
Flüchtlingsrat Niedersachsen ; Landesverband der GRÜNEN Niedersachsen ; kargah ; Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ; Jugendkultur-Organisation Hannover ; Krisenberatung für Afghanische Flüchtlinge und Migranten in Hannover ; Sympathisanten der Solidaritätspartei Afghanistan in Europa ; Afghaninnen und Afghanen in Niedersachsen ; IG Bauen-Agrar-Umwelt Bezirksverband Niedersachsen-Mitte ; ver.di Jugend im Bezirk Hannover/Leine-Weser ; Flüchtlingsrat Bremen ; Grüne Jugend Hannover ; Grüne Jugend Niedersachsen ; Café Zuflucht e.V., Dannenberg ; Lothar Flachsbarth (ai) ; Arbeitsgemeinschaft Migrant:innen und Flüchtlinge in Niedersachsen (AMFN) ; Netzwerk für Traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen (NTFN) ; Freundeskreis Pro Asyl, Lilienthal ; Du bist Willkommen, Hannover ; LAG-queer die LINKE Niedersachsen ; ZuFlucht Lüchow ; Exil – Osnabrücker Zentrum für Flüchtlinge ; Bündnis 90/Die Grünen Regionsverband Hannover ; AStA Uni Hannover ; Linksjugend Niedersachsen.
Kommt zur Demonstration am Sa., 11.02.17, 13 Uhr nach Hannover!
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...