Viele Schutzberechtigte aus Syrien und Irak haben für ihre Familienangehörigen Anträge auf Familiennachzug bei deutschen Auslandsvertretungen gestellt. Jüngste Medienberichte haben nun auf eine Verdreifachung bei der Ausstellung von Visa für diesen Personenkreis hingewiesen. Laut Auswärtigem Amt wurden 2016 73.000 Visa für diesen Personenkreis erteilt gegenüber 24.000 2015.
Welche Aussage diese nun mitgeteilten Zahlen allerdings treffen, lässt sich nur beim Blick auf die Anerkennungszahlen in Deutschland erkennen. Trotz der verschärften Vorgaben des Bundesinnenministeriums betreffend die Zuerkennung von „subsidiärem Schutz“ statt einer Flüchtlingsanerkennung erhielten allein im Jahr 2016 rund 200.000 Syrer:innen und Iraker:innen eine Anerkennung als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Nur eine Minderheit der Angehörigen dieser in Deutschland anerkannten Flüchtlinge konnte also bislang ein Visum bekommen.
Die oben dargestellte Verdreifachung der Bearbeitungszahl trifft insofern noch keine Aussage über die zügige Bearbeitung solcher Anträge. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass viele der betroffenen Menschen bislang nicht einmal Termine bei deutschen Auslandsvertretungen in Libanon vereinbaren konnten. Die Wartezeit in Erbil beträgt derzeit bis zu 15 Monate, und in Beirut warten die Betroffenen derzeit sogar mehr als 10 Monate bis zur Nennung eines Vorsprachetermins. In der Folge bemühen sich die Betroffenen verzweifelt um Termine bei verschiedenen Ausßenstellen.
Bereits 2016 wurden im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages zwei Anträge auf Aufstockung des Personals der deutschen Auslandsvertretungen in den Anrainerstaaten Syriens um 100 Stellen im Rahmen der Haushaltsplanungen abgelehnt. Verkündet wurde aber die Aufstockung des Personals sowie eine Form von Schichtarbeit, z.B. in Beirut.
Die Bundesregierung und das Auswärtige Amt spielen auf Zeit, um den Familiennachzug absichtlich hinauszuzögern. Statt die zügige Bearbeitung und mindestens die Terminvergabe in Beirut zu optimieren, versucht das Auswärtige Amt, weitere Hindernisse in Form von bürokratischen Auflagen zu schaffen. So verlangen die deutschen Botschaften in Beirut und Amman nun schon bei der Terminbeantragung zwingend die Vorlage von syrischen Reisepässen. Ohne diese können die nachziehenden Person nun nicht einmal mehr einen Termin beantragen. Diese Praxis wurde etabliert, obwohl bekannt ist, dass die betroffenen Personen bis zu 10 Monate auf die Erstellung von syrischen Reisepässen warten müssen. Eine solche Praxis verzögert das Familiennachzugsverfahren bewusst um weitere Monate.
Ab dem 27.09.2016 hat die Deutsche Botschaft Beirut auch ein neues Vorgehen für die Terminbeantragungen eingeführt. Dem Flüchtlingsrat Niedersachsen ist nicht bekannt, ob seit dieser Neuerung Termine vergeben wurden. Zusätzlich hat die Botschaft die Bearbeitung von solchen Terminanfragen über das sogenannte E-Mail-Postfach von 3 bis 5 auf 5 bis 8 Monate erhöht.
Bei Terminanfragen, die vor dem 27.09.2016 gestellt wurden, warten die Betroffenen seit 10 Monaten auf die Terminvergabe, obwohl das Auswärtige Amt damals garantiert hatte, dass die Antragsteller:innen, die nach der alten Praxis Termine beantragt hatten, nicht benachteiligt werden dürfen.
All diese einzelnen Fakten verdeutlichen die Gleichgültigkeit der Bundesregierung, die das familiäre Zusammenleben von anerkannten Flüchtlinge auf die lange Bank schiebt. Die Bundesregierung betreibt ein zynisches Spiel mit der Zeit.
Einzig positiv zu bemerken ist, dass sich die Bearbeitungsdauer von Familiennachzugsanträgen selbst nach erfolgter Vorlage der Unterlagen verkürzt hat. Das große Problem bleibt dagegen weiterhin, welche Antragsteller:innen mit welcher Wartezeit wann bei den deutschen Außenvertretungen vorsprechen können.
Auch hat das Auswärtige Amt keine eindeutigen Zahlen vorgelegt. Es hat sich darauf bezogen, dass die eigenen statistischen Daten nicht eindeutig zwischen den Aufenthaltszwecken bei der Vergabe von Visa unterscheiden lassen. Die vorgelegten Zahlen beziehen sich daher auch auf den allgemeinen Familiennachzug, etwa zu Deutschen, zu Ausländer:innen nach der allgemeinen Voraussetzung, oder möglicherweise auch im Rahmen des Nachzugs von Syrer:innen zu ihren Verwandten im Rahmen der sogenannten Länder-Aufnahmeprogramme,wie sie z.Z. in den Ländern Berlin, Brandenburg, Thüringen, Hamburg und Schleswig-Holstein Gültigkeit besitzen.
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