Pressemitteilung des Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS zur Diskussion um die Verschärfung der Abschiebungshaft:
„Die offene Gesellschaft mit ihren Mitteln schützen“
Berlin, den 13. Januar 2017. – Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS (Jesuit Refugee Service) plädiert dafür, die offene und rechtsstaatliche Gesellschaftsordnung zu stärken, bestehende Gesetze konsequent anzuwenden und keine Maßnahmen zu beschließen, die die Grundprinzipien des Rechtsstaats in Frage stellen. Das gilt auch für die Verhältnismäßigkeit im Freiheitsentzug. Der JRS ist seit vielen Jahren mit Seelsorge und Rechtsberatung in der Abschiebungshaft tätig. „Es ist richtig, dass der Staat die Menschen in Deutschland vor weiteren Attentaten schützen will und muss“, sagte Pater Frido Pflüger SJ, Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes Deutschland, heute in Berlin. „Das sollte uns aber nicht dazu verleiten, unsere Werte aufzugeben. Vielmehr müssen wir unsere offene, demokratische und rechtsstaatliche Gesellschaft mit ihren eigenen Mitteln schützen. Diese Mittel stehen uns jetzt schon zur Verfügung, wir müssen sie allerdings auch konsequent anwenden.“
Der Rechtsstaat zeigt sich besonders in der Beachtung der Verhältnismäßigkeit und einer klaren, eindeutigen Gesetzesgrundlage für Eingriffe in Grundrechte. Das gilt auch für den Freiheitsentzug. „Wir hoffen, dass die jüngste Vereinbarung zwischen den Bundesministern de Maizière und Maas diese Prinzipien nicht verletzen wird“, betonte der Jesuit Pflüger. Die Minister hatten angekündigt, Abschiebungshaft gegen sogenannte Gefährder zu erleichtern und bei fehlenden Reisedokumenten eine Haftdauer von bis zu 18 Monaten zu ermöglichen. Pflüger wies darauf hin, dass sich die Sicherheitsdiskussion stark auf die Abschiebungshaft konzentriere, obwohl Ausreisepflichtige nur einen geringen Teil der Personen ausmachen, die als Gefährder eingestuft werden.
Auch Stefan Keßler, Referent für Politik und Recht beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, hält die angekündigten Verschärfungen für unverhältnismäßig und überflüssig: „Wir haben bereits Gesetze, die eine engmaschige Kontrolle von ausreisepflichtigen ‚Gefährdern‘ ermöglichen. Sie sind jedoch im Fall des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz nicht angewandt worden. Ein Vollzugsdefizit lässt sich nicht durch weitere Gesetze lösen.“
Sollte die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit als eigenständiger Haftgrund eingeführt werden, verliert die Abschiebungshaft ihren Charakter als Verwaltungsmaßnahme, die lediglich sicherstellt, dass eine Person wie geplant abgeschoben werden kann. Stattdessen würde sie praktisch als Präventivhaft dienen. Ein Eingriff in die persönliche Freiheit ist eine schwerwiegende Maßnahme. Ein gleichsam vorsorglicher Freiheitsentzug, der über einen kurzen und situationsbedingten Gewahrsam hinausgeht, ist mit rechtsstaatlichen Anforderungen nicht vereinbar. (…)
Dr. Dorothee Haßkamp
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