von Norbert Grehl-Schmitt
Viele werden in der Adventszeit kleine oder größere Türchen geöffnet oder zumindest dabei zugeschaut haben. Hinter diesen Türchen versteckten sich oftmals kleine oder größere Geschenke, allesamt freudige Überraschungen in einer insgesamt erwartungsvollen Jahreszeit. Ganz anders hingegen die Bundesagentur für Arbeit: Sie verkündete just in dieser Zeit, dass die Türen zu Arbeitsmarktinstrumentenschränken nur noch für Menschen geöffnet werden sollen, bei denen „ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“.
Flugs schlossen sich gleich mehrere Türchen, wie z.B. Zugänge zu berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, zur assistierten Ausbildung, zu ausbildungsbegleitenden Hilfen oder zum Ausbildungsgeld. Ein zuvor groß aufgeschlagenes Tor – die Ausbildungsduldung – droht indes gleich donnernd ins Schloss zu fallen. Denn: Mit ausdrücklichem Hinweis wurden gleich auch alle bereits in der Ausbildung befindlichen Asylsuchenden aus der Berufsausbildungsförderung hinauskomplimentiert, die nicht aus Ländern kommen, die der große Türsteher und Bundesinnenminister als unsicher bezeichnet.
Wohlgemerkt: nicht einmal eine drei-jährige Ausbildung und ein sich daran anschließender mindestens zwei-jähriger Aufenthalt entsprechen der Meinung der Weisen aus dem Frankenland zufolge der Erwartung eines dauerhaften und rechtmäßigen Aufenthalts. Dass damit einige Auszubildenden in arge finanzielle Nöte getrieben werden, die durchaus zu Ausbildungsabbrüchen führen können oder auch schon geführt haben sollen, muss dabei wissentlich in Kauf genommen worden sein.
Nun frage ich mich sicherlich nicht allein, warum das alles; warum vor allem in einer Zeit, wo viele sich noch gefreut haben, dass zumindest ein paar Türchen aus dem großen Integrationskalender der Bundesregierung für (fast) alle Menschen geöffnet waren? Umnebelungen dürften ausgeschlossen sein, Geldprobleme gibt es sicherlich auch nicht, kann es also sein, dass sich nunmehr auch bei der Bundesagentur für Arbeit ein ordnungspolitischer Virus ausgebreitet hat, der in der jüngsten Vergangenheit immer wieder in heftiger Form in Bayern auftrat, dort kaum mehr zu bändigen ist und schon längst den Bundesinnenminister infiziert hat? Mensch könnte fast geneigt sein, das zu glauben. Aber geht das ohne Zustimmung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales? Wohl kaum, oder kaum zu glauben jedenfalls, dass der Weise aus dem Frankenland so viel Ungehorsam gegenüber seinem zweiten Königshaus an den Tag legt.
Die Frage bleibt indes im Raum stehen und öffnet eben selbigen für Spekulationen. Könnte – eigentlich auch kaum zu glauben – die Gefahr gesehen werden, dass zu viele Flüchtlinge eine Ausbildung beginnen oder einer Beschäftigung nachgehen, sich also auf dem ersten Arbeitsmarkt bewegen und dass zu wenige übrig bleiben für den dritten und vierten Arbeitsmarkt, sprich: das Arbeitsmarktprogramm Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen, an denen in den nächsten drei Jahren jährlich immerhin 200.000 Asylsuchende teilnehmen sollen (müssen)? Wir werden das wohl nicht herausfinden und uns darauf „beschränken“ müssen, uns dafür einzusetzen, diese Diskriminierungen beizeiten und alsbald wieder rückgängig zu machen.
(…) Nicht nur auf Drängen der Wirtschaftsweisen will die Bundesregierung nunmehr auch die letzten Türen schließen, hinter denen mensch sich bei einem Praktikum des Mindestlohns sicher sein konnte. DiePraktika zur Aufnahme einer Arbeit und ebenso diejenigen, die im Rahmen von EU-geförderten Projekten durchgeführt werden, sollen zukünftig vom Mindestlohn befreit werden. Als Beispiel wird in dem Regierungspapier ein syrischer Tischler genannt, der in Deutschland die Anerkennung seines Abschlusses beantragt. In einem Bescheid wird festgestellt, dass ihm neun Monate Berufspraxis fehlen. Ein Betrieb bietet an, dass er dort für neun Monate ein Praktikum absolvieren kann, damit er die Feststellung der Gleichwertigkeit erreichen kann. (Quelle: ZVW.de)
Der syrische Tischler wird also de facto im Arbeitsalltag, also in den Arbeitsabläufen eingesetzt wie jede/r andere Mitarbeitende auch. Er soll zwar Praxis bekommen und vielleicht die ihm nicht ganz vertrauten Maschinen oder Arbeitsabläufe kennenlernen, aber das wird wohl bei vielen anderen Mitarbeitenden, die gerade einen neuen Job beginnen auch der Fall sein. Die Abgrenzung zu einem regulären Beschäftigungsverhältnis ist jedenfalls heikel, und darin liegt die eigentliche Brisanz (eines Lohndumpings)! Ob dieser Vorschlag eher eine güldene Huldigung für Unternehmen ist oder der Myrrhe gleich eher kosmetischen Zwecken dient, bleibt abzuwarten – ein guter Start in das neue Jahr war das aus integrationspolitischer Sicht jedenfalls nicht.
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