Im Rotweinstädtchen Ingelheim am Rhein befindet sich seit bereits fünf Jahren einer der modernsten Abschiebeknäste Deutschlands, konzipiert für 150 Häftlinge. Aktuell werden dort circa 40 bis 50 sogenannte „Ausreisepflichtige“ von 60 Wärtern und 7 Hunden bewacht. Die fünf Meter hohen Betonmauern, zusätzlich mit Nato-Stacheldraht und Kameras gesichert, suggerieren dort säßen „Schwerkriminelle“ ein. Vorurteile der Bevölkerung werden so befördert und verhindern eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Einrichtung und ihrer Funktion.
Bei den Einsitzenden handelt es sich meist um Menschen auf der Flucht, die in Rheinland-Pfalz oder dem Saarland erfolglos um Asyl nachgesucht haben. Bei ihrem Asylantrag wurden sie häufig schlecht beraten oder sind an den hohen gesetzlichen Hürden gescheitert. Mojgan *(Name geändert) stellte nach vier Monaten illegalen Aufenthalt in Trier einen Asylfolgeantrag. Als sie dann bei der ABH Mainz vorsprach, um ihren Aufenthalt aufgrund des Folgeantrags zu (re-)legalisieren, wurde sie dort festgenommen. Sie wurde zunächst nach Zweibrücken und 3 Monate später nach Ingelheim gebracht.
Insgesamt blieb sie vier Monate in Abschiebehaft. In dieser Zeit fanden drei Abschiebeversuche statt. Sie widersetzte sich jedes Mal vehement. Nach dem letzten Abschiebeversuch im Februar 05 beging sie einen Selbstmordversuch und wurde in der Rheinhessen-Fachklinik Alzey stationär behandelt. Der dann gestellte Asylfolgeantrag hatte endlich Erfolg, fas Verwaltungsgericht Mainz stellte im März 06 fest, dass Abschiebverbote gem. § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen. M. erhielt daraufhin eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs.3 AufenthG. Abschiebeknäste und Abschiebelager im Inneren sind das Pendant zu den scharf bewachten Außengrenzen Europas. Zum System der neoliberalen Politik gehört es, dass Waren, Dienstleistungen, Kapital und die verwertbaren Menschen mühelos und selbstverständlich Grenzen passieren können, während die Unerwünschten zurückgewiesen werden. Tagtäglich verlieren Dutzende von Flüchtlingen ihr Leben beim Versuch, die militärisch überwachten EU-Außengrenzen zu überwinden. 2006 ist das Jahr mit der höchsten Anzahl von Toten an den europäischen Außengrenzen und einem neuen historischen Tiefstand bei den Asylgesuchen. So die Jahresbilanz von PRO ASYL zur europäischen Flüchtlingspolitik. Das Mittelmeer ist mittlerweile ein riesiger Friedhof.
Doch Kriege, Ausbeutung und Unterdrückung, Perspektivlosigkeit und Armut werden Menschen immer zur Flucht bewegen. Wenn Fluchtursachen nicht ernsthaft bekämpft und beseitigt werden, werden sich immer wieder Menschen in der Hoffnung auf eine bessere Lebensperspektive auf den Weg machen. Viele Fluchtgründe werden direkt von EU und G8 verantwortet: durch die Kumpanei mit Unrechtsregimen, Raubbau, Umweltzerstörung, Rüstungsexporte und das ungerechte Wirtschafts- und Finanzsystem.
Zur „effizienteren“ Abwehr von Flüchtlingen und MigrantInnen hat die EU die „Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenze“, Frontex, gegründet. Seit August 2006 koordiniert diese erstmals eine EU-Eingreiftruppe vor den Küsten Westafrikas. EU Patrouillen sind nun per Schiff und Flugzeug im Einsatz, um die spanische Marine bei der Abwehr afrikanischer Bootsflüchtlinge zu unterstützen und Fluchtwege zu zerschlagen. Gleichzeitig baut die EU ein externes Lagersystem vor ihren Grenzen aus. Die „Kooperation“ der Nachbarstaaten wird zur Voraussetzung für die wirtschaftliche Zusammenarbeit gemacht.
Auch werden immer feinmaschigere Kontrollsysteme zur Lenkung der Migration an den Rändern der Wohlstandsinseln der Welt etabliert. Die wenigen Flüchtlinge, denen es mit Geld und unter Lebensgefahr gelingt, nach Deutschland zu gelangen, erwartet eine gesetzlich legitimierte Repressions- und Abschreckungspolitik: Flüchtlinge werden durch die Unterbringung in Lagern ausgegrenzt und sind häufig dem Rassismus von großen Teilen der Bevölkerung und BehördenmitarbeiterInnen ausgesetzt. Die Botschaft ist einfach und missachtet die im Grundgesetz verankerte Unantastbarkeit der Menschenwürde: Wer in Deutschland um Asyl nachsucht, wird mit entwürdigenden, krankmachenden und separierenden Lebensbedingungen bestraft. Weder Zuwanderungsgesetze noch Bleiberechts- und Härtefallregelung verbessern die miserablen humanitären Standards. Anerkannt als politische verfolgt wird kaum ein Flüchtling, obwohl die meisten sehr gute und nachvollziehbare Gründe für die Flucht aus ihren Herkunftsländern haben Wer nicht gebraucht wird und nicht freiwillig zurück in die Verfolgung, den Bürgerkrieg oder die Perspektivlosigkeit geht, dem drohen der Knast und die Abschiebung. Ende 2006 wurde in Koblenz sogar ein Kirchenasyl von der Polizei gewaltsam aufgelöst, um eine kurdische Familie abzuschieben.
Deshalb am 23.Juni 2007 auf nach Ingelheim Abschiebeknäste und Abschiebelager abschaffen!
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...