Presseinformation, 23.11.2016
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen begrüßt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg, einem 1986 geborenen Syrer die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention zuzusprechen, auch wenn er nicht vor der Flucht individuell verfolgt worden ist. Das Gericht stellt unter anderem darauf ab, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne von § 3 Asylgesetz drohe. Die Furcht des Klägers vor Verfolgung sei unter Berücksichtigung der gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Syrien, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im westlichen Ausland begründet. Auch sei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit trotz bereits abgeleistetem Wehrdienst damit zu rechnen, dass der Mann erneut mit seiner Einberufung zu rechnen habe. Dann aber sei er Teil einer Armee, aus deren Reihen heraus Kriegsverbrechen und Folter begangen würden. Aus der konkreten Gefahr der Rekrutierung in diese Armee ergebe sich eine weitere Verfolgungshandlung.
„Der Flüchtlingsrat Niedersachsen begrüßt die erste neuere Entscheidung eines niedersächsischen Verwaltungsgerichts zum Schutzstatus von Personen aus Syrien. Die Verfolgungssituation dort besteht unverändert fort, sodass voller GFK-Flüchtlingsschutz zu gewähren ist“, so Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats.
Seit einigen Monaten hatte sich die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge deutlich verändert. Nachdem 2015 noch annähernd alle syrischen Schutzsuchenden den Flüchtlingsschutz erhalten hatten, wird nunmehr seitens des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) monatlich mehr Syrer:innen nur noch der sogenannte subsidiäre Schutzstatus zugesprochen.1 Bei Personen mit diesem Statuts ist aber der Familiennachzug seit Mitte März 2016 für zwei Jahre ausgesetzt worden. Die Folge ist, dass viele Betroffene den Klageweg gehen müssen. Allein beim Verwaltungsgericht Osnabrück sind 550 solcher Klagen von Syrer:innen anhängig2, denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht den vollen Flüchtlingsstatus, sondern nur den sogenannten subsidiären Schutzstatus zugesprochen hat. Bundesweit wurden Mitte November 2016 über 28.000 solcher Klagen von Syrer:innen erhoben.3 Der verweigerte Familiennachzug trägt auch zu neuen Toten auf dem Mittelmeer bei, da Familienangehörige keine andere Perspektive sehen. Auch macht er den hier getrennt lebenden Personen ein Ankommen nur schwer möglich.
„Die Änderung der Entscheidungspraxis beim BAMF war allein politisch motiviert, um den Familiennachzug zu begrenzen. Wir hoffen jetzt, dass auch die anderen niedersächsischen Verwaltungsgerichte bald die dort liegenden Fälle entscheiden“, so Weber abschließend.
Hintergrund:
Ähnlich zugunsten Schutzsuchender aus Syrien hatten vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg bereits die Verwaltungsgerichte in Köln, Würzburg, Magdeburg, Trier, Regensburg, Schleswig und Münster in unterschiedlichen Konstellationen und unterschiedlicher Begründung entschieden.4 Das BAMF treibt die Rechtsfrage allerdings in vielen Bundesländern nun systematisch vor die Oberverwaltungsgerichte.5 Am 23.11.2016 ist eine mündliche Verhandlung zu dieser Rechtsfrage vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht anberaumt.
Weitere Informationen:
Flüchtlingsrat Niedersachsen:
Kai Weber, Tel. 0178 17 32 56 9 , kw@nds-fluerat.org, nds@nds-fluerat.org
Anlage: Urteil des VG Oldenburg v. 18.11.2016, 2 A 5162/16
1https://www.proasyl.de/news/fluechtlingsschutz-verweigert-familiennachzug-fuer-syrer-wird-weiter-beschraenkt/, abgerufen am 22.11.2016.
2http://www.verwaltungsgericht-osnabrueck.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/presseinformation-nr-192016-vom-18112016-148785.html, abgerufen am 22.11.2016.
3Daten des BAMF, http://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Richter-entscheiden-ueber-Asylstatus-von-Syrern,ovg132.html, abgerufen am 23.11.2016.
4http://www.asyl.net/startseite/nachrichten/artikel/56402.html, abgerufen am 22.11.2016.
5http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bamf-klagt-selbst-subsidiaerer-schutz-fluechtlinge/, abgerufen am 22.11.2016.
Sehr geehrte Damen und Herrn,
das VG Oldenburg hat die positive Rechtsprechung am 22.11.2016 (also einen Tag vor der OVG- Entscheidung aus Schleswig) fortgesetzt und einem minderjährigen unbegleiteten Syrer die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention zugesprochen. Bei Interesse kann ich Ihnen das Urteil zukommen lassen.
Mit feeundlichen Grüßen
Stefan Eroms
Rechtsanwalt, Brake (Unterweser)