- Öffentliche Diskussionsveranstaltung mit BAMF und Land am kommenden Samstag ab 12.30 Uhr in Osnabrück
- Presseerklärung als pdf
Zur beschleunigten Bearbeitung von Asylverfahren richteten Bund und Land vor einem Jahr – wie in anderen Bundesländern auch – ein sogenanntes „Ankunftszentrum“ in Bad Fallingbostel ein. Das auf eine möglichst schnelle und ökonomische Abarbeitung von Asylanträgen ausgerichtete Verfahren in diesen Ankunftszentren hat dazu beigetragen, den Bearbeitungsrückstand beim BAMF zu reduzieren, stößt jedoch auch auf scharfe Kritik, weil geltende Verfahrensstandards nicht eingehalten werden und die Qualität der Bescheide des BAMF zu wünschen übrig lässt.
Die Einrichtung von zwei Ankunftszentren (ein zweites wird im November in Bramsche den Betrieb aufnehmen) führt zu einer Neuordnung des Erstaufnahmesystems in Niedersachsen. Auch nach fast einem Jahr besteht kein geregeltes Zusammenspiel von Ankunftszentrum und Erstaufnahmeeinrichtungen, das den Qualitätsstandards von Erstaufnahme und Asylverfahren genügt.
Die unterzeichnenden Organisationen und Verbände, die sich in einem gemeinsamen, von der EU geförderten Projektnetzwerk „Aufnahmemanagement und Beratung für Asylsuchende in Niedersachsen (AMBA)“ zusammengeschlossen haben, fordern die Landesregierung und das BAMF auf, die offenkundige Unterschreitung der Mindeststandards im Ankunftszentrum Bad Fallingbostel nicht länger zuzulassen und für alle Asylsuchenden ein faires Asylverfahren zu gewährleisten.
Der Zeitraum der Erstaufnahme dient nicht nur der Registrierung und Anhörung der Asylsuchenden, sondern auch ihrer Erstorientierung und Beratung. Die Identifizierung besonders schutzbedürftiger Personen sowie die Einleitung erster Hilfsmaßnahmen sind entsprechend europäischem Recht vor Beginn des Asylverfahrens zu gewährleisten.
Mit dem Aufbau und der Nutzung des aktiven Truppenübungsgeländes Bad Fallingbostel wurden die Funktionen der Erstaufnahme weitgehend außer Kraft gesetzt. Zentrale Akteure wie ein Sozialdienst des Landes und eine unabhängige Asylverfahrensberatung stehen nicht zur Verfügung. Das beschleunigte Verfahren, welches schon wenige Tage nach Ankunft der Asylsuchenden deren Asylantragstellung und Anhörung vorsieht, lässt für ein „Ankommen“ und eine Orientierung der Geflüchteten auch konzeptionell keinen Platz.
Asylsuchende durchlaufen das Verfahren regelmässig ohne vorherige Orientierung und unabhängige Beratung, die Berücksichtigung der Belange vulnerabler Personen findet in geregelter Form nicht statt. Seit gut einem Jahr werden Asylsuchende überwiegend ohne vorherige Information und gezielte Anknüpfung an die regionalen Unterstützungssysteme auf die Kommunen verteilt.
Auch an der Qualität der Bundesamtsbescheide gibt es massive Kritik. In standardisierten Schnellverfahren werden Asylanträge von Flüchtlingen durch kurzzeitig angelernte, unerfahrene Mitarbeitende in Rekordzeit abgefertigt. Oftmals bleibt keine Zeit für Rückfragen und notwendige Sachverhaltsaufklärungen. In der Konsequenz sinken die Schutz- und Anerkennungsquoten, die Zahl der Klagen vor den Verwaltungsgerichten ist massiv angestiegen.
Das Netzwerk AMBA begrüßt die Gesprächsbereitschaft des Landes Niedersachsen und des BAMF und hofft auf einen konstruktiven Austausch am kommenden Samstag auf einer Veranstaltung des IMIS-Zentrums der Uni Osnabrück, des Flüchtlingsrats Niedersachsen, des Vereins Niedersächsischer Bildungsinitiativen (VNB) sowie der Caritas in Niedersachsen (s. Veranstaltungshinweis). AMBA fordert die Landesregierung und das BAMF auf, die Erstaufnahme für Asylsuchende unter Einbeziehung der bestehenden Erstaufnahmeeinrichtungen und nach den Kriterien europäischen Rechts zu gestalten. Das bedeutet konkret:
- Gewährleistung eines Sozialdienstes, der sich gezielt um die Identifizierung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge bemüht und für eine Orientierung und Weitervermittlung der Betroffenen an die einschlägigen Fachdienste sorgt.
- Gewährleistung einer unabhängigen Asylverfahrensberatung, wie sie derzeit an den Standorten der Erstaufnahmeeinrichtungen, nicht aber im Aufnahmezentrum Fallingbostel angeboten wird.
- Gewährleistung von Qualität bei der Entscheidungsfindung: Durchführung von Asylanhörungen und Asylentscheidungen durch erfahrene Mitarbeitende des BAMF, die derzeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen mit anderweitigen Aufgaben betraut sind.
- Entschleunigung des Verfahrens im Ankunftszentrum und Berücksichtigung einer Phase der Orientierung und Beratung vor Beginn des Asylverfahrens
Letztlich ist nicht der Ort der Erstaufnahme entscheidend, sondern die Qualität der dargebotenen Aufnahmestruktur. Ein aktives militärisches Übungsgelände wie Bad Fallingbostel, wo nach wie vor auch Schießübungen stattfinden, stellt aus unserer Sicht keine angemessene Umgebung für neu eingereiste Asylsuchende dar.
Das AMBA – Netzwerkprojekt wird getragen von: Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V., Caritasstelle im GDL Friedland / DiCV Hildesheim, Innere Mission / Evangelisches Hilfswerk im Grenzdurchgangslager Friedland e.V., Caritasverband Braunschweig e.V., Caritasverband für den Landkreis Peine e.V., kargah e.V. Hannover – Verein für Interkulturelle Kommunikation, Migrations- und Flüchtlingsarbeit, IBIS – Interkulturelle Arbeitsstelle Oldenburg e.V., Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V. (VNB).
Das Projekt wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union sowie durch das Land Niedersachsen und die UNO-Flüchtlingshilfe finanziert.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...