Flüchtlingsrat fordert den Innenminister auf, Abschiebung von Hamza M. auszusetzen.
Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer appelliert an BAMF-Chef Weise
Seit Mai 2015 lebt der 18-jährige malische Flüchtling Hamza M. in Deutschland. In dieser kurzen Zeit hat es der allseits beliebte junge Mann nicht nur die Schule besucht, sondern auch so gut deutsch gelernt, dass er am 1.8.2016 eine Lehrstelle bei einer Heizungs- Lüftungs- und Sanitärfirma antreten konnte. Sein Chef ist voll des Lobes über den jungen Mann: Hamza sei „super fleißig, ein Lehrling, wie man ihn sich nur wünschen kann“. Auch die Pflegemutter, die Lehrerin, ein Polizeikommissar, der Sportverein loben seinen Lerneifer und seine Motivation. Dennoch soll er auf Betreiben des BAMF „zeitnah“ nach Italien abgeschoben werden. Der Flüchtlingsrat reagiert bestürzt und bittet den niedersächsischen Innenminister um eine sofortige Aussetzung der geplanten Abschiebung.
Zur Vorgeschichte: Eine Registrierung als Asylsuchender durch das BAMF ließ lange auf sich warten. 13 Monate lang lief Hamza mit einer ausländerrechtlichen „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ durch die Welt, der sogenannten „BüMA“, die alle Asylsuchenden erhalten, welche vom BAMF noch nicht erfasst sind. Im Juni 2016, mehr als ein Jahr nach der Einreise, fand das BAMF endlich Zeit, den Asylantrag des jungen Mannes zu registrieren.
Danach ging alles sehr schnell: Das BAMF fand heraus, dass die Fingerabdrücke von Hamza bereits in Italien erfasst wurden. Mit Bescheid vom 22.07.2016 ordnete das BAMF an, der Asylantrag in Deutschland sei „unzulässig“. Hamzas Einwand, er habe in Italien nur gehungert, an Bahnhöfen und auf offenen Plätzen übernachten müssen und es in vier Wochen nicht geschafft, einen Platz in einem Flüchtlingslager zu bekommen, zählt aus Sicht des BAMF nichts: Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.*
Gegen diesen Bescheid legte der Rechtsanwalt des Jungen nicht rechtzeitig mit Klage und Eilantrag vor, was zur Folge hat, dass die schließlich eingereichte Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Dennoch hofften alle Unterstützer:innen, dass Hamza bleiben könne. Die Böhme-Zeitung hat bereits am 2. August 2016 über den Flüchtling berichtet und darin scharfe Kritik am BAMF geübt:
Bericht der Böhme Zeitung Hamza M.
Leider erfüllten sich die Hoffnungen nicht: Mit Schreiben vom 30.08. kündigte der Heidekreis auf Veranlassung des BAMF nunmehr an, dass Hamza mit einer „zeitnahen Überstellung nach Italien“ rechnen müsse. Die Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer hat daraufhin an BAMF-Chef Weise appelliert, von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen: Das BAMF kann jederzeit das Asylverfahren an sich ziehen. Nicht nur das besondere Schicksal des jungen Flüchtlings, der bereits mit 11 Jahren auf sich allein gestellt war, sondern auch das öffentliche Interesse an einer Fortführung des begonnenen Ausbildungsverhältnisses begründen einen solchen Schritt. Der Flüchtlingsrat hat den niedersächsischen Innenminister um Aussetzung der Abschiebung gebeten und darauf verwiesen, dass Auszubildende nach herrschender Rechtslage einen Anspruch auf Duldung bis zum Abschluss ihrer Ausbildung haben. Eine Entscheidung in der Sache liegt bis zur Stunde noch nicht vor.
* Aus Sicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe bestehen nach wie vor systemische Mängel im italienischen Aufnahmesystem für Asylsuchende und Schutzberechtigte. Italien verfügt nicht über ein kohärentes, umfassendes und nachhaltiges Aufnahmesystem. Insbesondere die Unterbringungssituation ist problematisch. Eine Aufnahme und der Zugang zum Asylverfahren sind nicht immer gewährleistet und basieren oftmals auf kurzfristigen Notfallmaßnahmen. Die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Akteuren funktionieren schlecht; häufig ist es von Zufälligkeiten abhängig, ob eine Person an die zuständige Stelle beziehungsweise in die vorgesehene Unterbringungsstruktur weitervermittelt wird. Dies führt teilweise dazu, dass Personen ohne Unterstützung obdachlos werden. Diese Feststellung gilt sowohl für Asylsuchende als auch für Personen, die bereits einen Schutzstatus in Italien haben. Ein großer Teil an Unterstützungsleistungen, die dem Staat obliegen würden, wird von NGOs wahrgenommen. Damit verletzt Italien seine Verpflichtungen, die sich aus den EU-Richtlinien und dem Völkerrecht ergeben.
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