Drohende Trennung von fünf teilweise minderjährigen Brüdern durch Dublin-Abschiebung im LK Wolfenbüttel

Nachfolgend dokumentieren wir einen Facebook-Bericht zum Schicksal einer Gruppe von fünf (teilweise minderjährigen) südsudanesischen Brüdern, die am 28.07.2016 durch eine Dublin-Abschiebung auseinander gerissen werden sollten, woraufhin der Älteste der Brüder, Moses, auf einen Strommast kletterte und drohte, sich das Leben zu nehmen. Der Fall wirft eine Menge Fragen auf:  Warum hat das BAMF von seinem Selbsteintrittsrecht nicht Gebrauch gemacht? Warum wurde das Jugendamt nicht von Beginn an tätig, um eine Inobhutnahme der Minderjährigen und eine Wahrnehmung des Kindeswohls zu gewährleisten? Warum wurde bis heute kein Vormund bestellt und kein Asylantrag eingereicht? Wir werden den Fall weiter recherchieren und berichten.

siehe auch: Bericht Wolfenbütteler Zeitung vom 28.07.2016
Bericht Wolfenbütteler Zeitung vom 04.08.2016

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aus: Moses soll bleiben

Am Donnerstag, den 28.07.2016, sorgte ein südsudanesischer Flüchtling namens Moses für Aufsehen, indem er auf einen Strommasten nahe Wittmar/Remlingen (Landkreis Wolfenbüttel) kletterte und drohte sich das Leben zu nehmen. Doch wie kam es dazu?

Gegen 01:00 Uhr nachts wurden die aus dem Südsudan geflohenen Brüder durch Klopfen und eine Taschenlampe im Gesicht geweckt: Vor der Tür standen drei Männer und eine Frau in Zivil. Diese standen fünf völlig verschlafenen Jungs in Unterhosen gegenüber und forderten deren ältesten Bruder auf, den Flug ins Blaue anzutreten. Alle fünf weigerten sich, dies zu akzeptieren. Sie baten darum, „wie Menschen behandelt zu werden“ und zu einer normalen Zeit abgeholt zu werden. Die Beamten gingen wieder. Das weckte alte traumatische Erinnerungen…

Auch wenn unsere Nachrichten selten drüber berichten, sollte man wissen, dass in der jüngsten Nation der Welt (Unabhängigkeit seit 2011) einer der grausamsten Kriege der Welt tobt. Ein Krieg, der schwer verständlich ist. Ein Krieg, der mit Waffen auch aus Deutschland gekämpft wird. Und der von Kindern ausgefochten wird: Immer wieder werden Kinder und Jugendliche gegen ihren Willen verschleppt und zum Morden und Foltern ausgebildet. Moses kommt aus einer Familie, deren Strukturen mit unseren nicht zu vergleichen sind. Aber es muss eine liebende, gesunde Familie gewesen sein.

Weihnachten 2014, während alle gemeinsam feierten, kamen plötzlich bewaffnete Männer in ihr Haus, trieben ihn und seine Brüder mit Gewalt auf Laster und verschleppten sie in den Dschungel, um sie dort zu Kindersoldaten zu machen. Wer Moses kennengelernt hat, weiß, dass er ein Mensch ist, der einen starken und gesunden Willen hat und ein Anführer-Typ ist. So gelang ihm nach einiger Zeit auch die Flucht. Er wusste nicht, wo er war oder wo er hingehen sollte, aber er sagte: „Besser auf der Flucht frei zu sterben als versklavt zu werden und morden zu müssen.“ Er rettete mehrere andere Kindersoldaten.

Moses hatte zudem das Glück auf seiner Seite: Er fand seine verschleppten Brüder wieder und beschloss, sie in Sicherheit zu bringen. Sie müssen auf dieser Flucht Unvorstellbares ausgehalten haben. Doch sie haben überlebt. Sie überlebten Hunger und Durst, sie überlebten ISIS, sie überlebten Libyen. Sie überlebten 13 Tage Mittelmeer.

In Italien wurden sie inhaftiert. In den seltenen Momenten der Schwäche, die er sich erlaubt, hat Moses mir erzählt, dass es schwer war, die Hoffnung nicht zu verlieren und nur seine Brüder, für die er sich verantwortlich fühlt, ihn durchhalten ließen. Er wurde geschlagen und verhört, wieder und wieder, und wusste nicht einmal, welche Antworten von ihm erwartet wurden. Nach 21 Tagen wurden ihnen Fingerabdrücke abgenommen und sie wurden quasi einfach rausgeworfen, mit dem Hinweis, sie sollten besser zusehen, aus Italien zu verschwinden.

Immerhin hatten sie ein Ziel: Ihr Bruder Joe in Deutschland. Auf abenteuerlichen Wegen erreichten sie schließlich Schöppenstedt. Ihr Ziel war Sicherheit, Frieden und eine Familie sein zu dürfen. Die Reste einer Familie. Sie kamen hier ohne alles an. Und mir wird dieser Tag immer in Erinnerung bleiben: Totgeglaubte schließen sich in die Arme. Sie haben alles verloren, ihre Zukunft ist absolut ungewiss, ihr Land, an dem sie so hängen, ein einziger Trümmerhaufen. Was sie noch haben, sind nur sie selber.

Man würde erwarten, dass Menschen in so einer Situation aufgeben. Nur noch traurig und vielleicht auch wütend sind. Nicht Moses und seine Brüder. Moses lernt Deutsch und spielt beim MTV Wolfenbüttel Fußball. Er will sich hier integrieren. Sein momentaner Traum ist es, Lokomotivführer zu werden. Er findet großen Trost in seinem christlichen Glauben und in seinen Freunden. Er ist ein junger Mann mit einer grausamen Lebensgeschichte, der ohne jeden Zweifel als Beispiel für den menschlichen Überlebenswillen stehen kann.

Denn das Leben im Südsudan ist nichts wert. Telefoniert Moses mit engen Verwandten dort, gibt es keine Garantie, dass diese Menschen in zwei Stunden noch am Leben sind. Seine Brüder und seine Ersatzfamilie hier vor Ort sind die einzigen Menschen, die auch morgen noch da sein werden. Wir können uns keinen anderen Platz für ihn vorstellen. Er gehört zu uns!

Leider sind unsere Gesetze andere: Als einziger Volljähriger ist, für sein, und nur für sein Asylverfahren, Italien zuständig. Einen Eilantrag mit Verweis auf seine Brüder in Deutschland wurde vom Verwaltungsgericht Braunschweig fürs Erste abgelehnt.

Da saß Moses nun, nachdem die Beamten wieder gegangen sind. Zitternd und vor sich hinstarrend. Er wusste nicht weiter. Seine kleinen Brüder konnten nicht helfen. Sie fanden ihn Stunden später auf einem Hochspannungsmast sitzend wieder. Alles, was Moses die nächsten Stunden sagte, war, dass er nur frei und in Sicherheit sein wolle. Am Ende konnte er zum Runterkommen bewegt werden, bevor er vom Notarzt versorgt und in die Psychiatrie gebracht wurde.

Was nun passiert, weiß keiner. Aber eines ist klar: Moses und seine Brüder brauchen uns!

Wir bitten daher dringend um finanzielle Unterstützung, um u.a. die enormen Kosten für Anwalt, Gentests und Bürokratie stemmen zu können.
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Spendenkonto:

Justin Lutterbey
Braunschweigische Landessparkasse
IBAN: DE09 2505 0000 0200 9397 00
BIC: NOLADE2HXXX
Verwendungszweck: Moses

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