An dieser Stelle dokumentieren wir eine Presseinformation des Vernetzungstreffen der freiwilligen Initiativen zur Unterstützung von Geflüchteten in Göttingen v. 03.06.2016:
„Trotz wiederholter massiver Proteste von Geflüchteten und Unterstützenden bleibt die Stadt Göttingen bei ihren Plänen, Geflüchtete gegen ihren ausdrücklichen Willen in eine ehemalige Lagerhalle am Stadtrand zu verschieben. Helfer*innen aus verschiedenen Göttinger Flüchtlingsunterkünften sprechen sich gegen diese von der Stadt forcierten Verlegungen von Geflüchteten in die neue Massenunterkunft Siekhöhe aus. „Wir fordern von der Stadt, auf die angekündigte Anwendung von Zwangsmitteln zu verzichten und den Willen der Bewohner*innen zu respektieren.“, so eine Sprecherin des Vernetzungstreffens der freiwilligen Initiativen zur Unterstützung von Geflüchteten.
Nachdem am Dienstag die Bewohner*innen der Großen Breite in Weende umgesiedelt wurden, sollen als nächstes die Geflüchteten im Hagenweg 2T weichen. Als Rechtfertigung für diese Maßnahme wird die geplante Einrichtung einer Unterkunft für alleinreisende Frauen herangezogen, für welche das Gebäude im Hagenweg zukünftig genutzt werden soll. „Die Interessen zweier Gruppen von Geflüchteten so plakativ gegeneinander auszuspielen ist zynisch. Die Stadt hätte die Bedürfnisse von alleinreisenden Frauen in ihren Planungen von Anfang an berücksichtigen können.“, so eine Sprecherin. „So stehen allein im Stadtteil Grone noch etwa 80 Wohnungen leer, wie etwa im Süntelweg. Auch in der Göttinger Altstadt ist ein solcher Leerstand zu verzeichnen, etwa in der Gartenstraße 27 oder der Baurat-Gerber-Straße 4 – 6. Ebenso wäre es möglich, dass Frauen in die kurzfristig am Schützenanger entstehenden Wohnungen einziehen, indem dort zu diesem Zweck sozialarbeiterische Betreuung angeboten wird. Von einer unumgänglichen Notwendigkeit der Umnutzung des Gebäudes im Hagenweg kann demnach nicht die Rede sein.“
Die Unterbringung in einem Massenlager wie in der Siekhöhe bedeutet für die betroffenen Geflüchteten eine deutliche Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen, einen unnötigen und gravierenden Verlust von Privatsphäre und Selbstbestimmtheit. Nach eigenem Bekunden der Bewohner wird die Aussicht auf ein Leben in einer solchen Massenunterkunft als drohender Rückfall in den vorher jahrelang erlebten Alltag von Kriegserfahrungen und Flucht wahrgenommen. Wir wollen Unterkünfte unter Menschen, nicht am Rand von Industriegebieten, zentral nahe der Innenstadt und nicht an der Autobahn.
Ein entmündigendes, willkürliches Hin- und Herschieben, wie es die Stadtverwaltung mit Geflüchteten in Göttingen tut, entspricht nicht den Maßstäben eines menschenwürdigen Umgangs mit Menschen, die bereits eine Fluchtgeschichte hinter sich haben. „Das Drängen auf die Füllung der neuen Massenunterbringung ist eine politische Entscheidung der Stadt. Die Siekhöhe stünde ohne die zwangsweisen Umquartierungen so gut wie leer. Die Nutzung der bestehenden dezentralen Unterbringungen muss angesichts der vielfachen Nachteile der Siekhöhe Priorität haben.“ Bspw. liegt die Flüchtlingsunterkunft im IWF/Nonnenstieg wieder 30 Plätze unter ihrer zeitweisen Maximalbelegung, in der ehemaligen Voigtschule sind derzeit rund 40 Betten frei.
Die Helfer*innen bekräftigen vor diesem Hintergrund die bereits im Mai aufgestellten Forderungen nach Durchsetzung von verbindlichen Mindeststandards in den Unterkünften für Geflüchtete. Grundlegende Rechte, wie das Recht auf Privatsphäre, müssen auch in den provisorischen Unterkünften sichergestellt werden und die beengten Lebensverhältnisse systematisch erweitert und aufgebrochen werden. Soziale Einbindung beginnt bei der menschenwürdigen Unterbringung.
Vernetzungstreffen der freiwilligen Initiativen zur Unterstützung von Geflüchteten
Das Vernetzungstreffen ist ein Zusammenschluss von Aktiven aus den Flüchtlingsinitiativen Weende, Hagenweg, Voigtschule, IWF und OM10.
Forderungspapier „Göttinger Perspektiven in der Geflüchtetenhilfe“: https://omzehn.noblogs.org/?attachment_id=617 „
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