Die neue, sechsseitige Ausarbeitung von Pro Asyl zum Schutzstatus bei Syrer*innen macht deutlich, dass die Änderung der Entscheidungspraxis des BAMF, der zufolge syrischen Flüchtlingen zunehmend nur noch subsidiärer Schutz statt einer Flüchtlingsanerkennung zugebilligt wird, allein politischen Vorgaben und Weisungen aus Bundesregierung und BAMF folgt, nicht aber Maßgaben aus Rechtsprechung und anderen aktuellen Erkenntnisquellen.
Welche Argumente für einen vollen GFK-Schutz führt Pro Asyl in dem Papier an?
- die obergerichtliche Rechtsprechung (zB VGH Hessen, OVG M-V), die deutlich macht, weswegen Verfolgungsmerkmale aus der GFK erfüllt sind
- Einschätzung des UNHCR aus 11/2015
Lt. UNHCR erfüllen Syrer*innen in der Regel die Voraussetzungen nach der GFK angesicht der Situation im Heimatland; die Vielzahl der in Syrien operierenden Akteure lege den Schluss nahe, dass syrische Rückkehrer*innen durch diese bedroht werden könnten; UNHCR stützt sich auf die Rechtsprechung der genannten OVG: Auf eine individuelle Vorverfolgung komme es in Syrien nicht an; vielmehr begründeten die Verfolgungsgründe bei einer Rückkehr eine individuelle Betroffenheit und müssten folglich zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus führen; UNHCR begrüßt folgerichtig auch die Praxis vieler EU-Staaten, Syrer*innen vermehrt den vollen GFK-Status zuzuerkennen.
Pro Asyl schreibt, dass insbesondere syrische Flüchtlinge in Deutschland stark gefährdet seien. Denn durch die Aufnahme von mittlerweile über 300.000 Syrer*innen gelte Deutschland dem Regime als ein Hort der Exil-Opposition, und der syrische Geheimdienst sei in Deutschland aktiv und durchleuchte die hiesigen Exilaktivitäten. Die Machtstellung Assads sei durch die Intervention Russlands im Syrienkonflikt deutlich gestärkt worden; daher sei von einer Unfähigkeit des Regimes, seine Bespitzelung der Opposition fortzuführen, nicht auszugehen.
Was meint das BAMF ua?
BAMF weist u.a. auf die geänderte Verfahrenspraxis syrischer Behörden bei der Passausstellung hin. Syrien hat lt. Pro Asyl 2015 mehr als 800.000 Pässe ausgegeben. Das BAMF zieht daraus den Schluss, dass Rückkehrer*innen nach Syrien nicht pauschal als regimekritisch behandelt würden.
Der türkische Migrationsforscher Erdogan meint dazu aber, dass die verstärkte Passausgabe einem politischen Kalkül der syrischen Regierung folge. Möglicherweise stecke dahinter die Erwartung, dass der Flüchtlingsansturm die Europäer zu einer Lösung des Syrien-Konflikts unter Beibehaltung der derzeitigen Assad-Regierung bewegen werde.
Was ist jetzt unsere Aufgabe?
Da wir nicht kurzfristig die Entscheidungsmaximen des BAMF beeinflussen können, führt der Weg zunächst nur über die Verwaltungsgerichte. Syrische Flüchtlinge, denen nur subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, sollten in jedem der sieben VG-Gerichtsbezirke in Niedersachsen exemplarisch unterstützt werden, gegen die Verweigerung einer Flüchtlingsanerkennung zu klagen. Eine Unterstützung durch den Flüchtlingsrat ist über den Rechtshilfefonds von PRO ASYL möglich. Gleichzeitig sollte natürlich auch die Verweigerung eines Familiennachzugs zu Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz gerichtlich angegriffen werden, da dies möglicherweise rechtlich nicht im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben steht, die für Deutschland bindend sind.
Siehe hierzu auch den von Rechtsanwalt Bahr entworfenen, zweisprachigen Leitfaden für subsidiär Schutzberechtigte_DEU-ARAB
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