Rat für Migration kritisiert Gesetzentwurf zu „sicheren Herkunftsstaaten“

Wir dokumentieren hier die heutige Presseerklärung des Der „Rats für Migration“, eines bundesweiten Zusammenschlusses von über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen.

Gesetzentwurf zu „sicheren Herkunftsstaaten“: Abschiebungen dürfen nicht zur Normalität werden

Der Bundestag will heute darüber entscheiden, ob Algerien, Marokko und Tunesien in die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ aufgenommen werden. Der Rat für Migration (RfM), ein bundesweiter Zusammenschluss von über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, kritisiert die geplante Reform:
„Mit dem Label ‚sicherer Herkunftsstaat’ wird Geflüchteten aus dem Maghreb pauschal abgesprochen, legitime Gründe für die Flucht zu haben. Dabei weisen mehrere Expertisen darauf hin, dass Minderheiten vor Ort massiven Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt und demokratische Rechte zum Teil nicht ausreichend gewährleistet sind“,  erklärt der Soziologe Prof. Dr. Albert Scherr.

Zudem befürchten die Wissenschaftler vom Rat für Migration einen Anstieg der Abschiebungen: „Wird ein Staat als ‚sicher‘ deklariert, können abgelehnte Asylbewerber schneller und leichter zur Ausreise gezwungen werden“, so die Soziologin Prof. Dr. Helen Schwenken. Das würde die ohnehin gestiegene Zahl der Abschiebungen weiter in die Höhe treiben: 2015 wurden laut Bundesregierung etwa 20.000 Menschen abgeschoben – das sind nahezu doppelt so viele wie im Vorjahr 2014. Hinzu kamen etwa 37.000 sogenannte freiwillige Ausreisen. Das Wort „freiwillig“ sei jedoch in vielen Fällen missverständlich, erklärt Schwenken: „Die Rückführungen werden zwar als freiwillig bezeichnet, sind aber in der Regel nichts anderes als die Vermeidung einer polizeilich durchgesetzten Abschiebung.“

In der Flüchtlingspolitik setze sich eine zunehmende Spaltung zwischen erwünschten und unerwünschten Geflüchteten  durch, kritisiert der Soziologe Dr. Bastian Vollmer: „Während Schutzsuchende mit guter Bleibeperspektive Zugang zu Integrationsangeboten erhalten, wird Menschen aus ‚sicheren Herkunftsstaaten‘ Unterstützung verwehrt, da sie das Land so schnell wie möglich wieder verlassen sollen.“ Vollmer warnt davor, dass erzwungene Ausreisen zur Regel werden könnten: „Die Abschiebung der einen wird zum vermeintlich notwendigen Ausgleich für die Integration der anderen.“

Erzwungene Ausreisen dürfen nur das letzte Mittel sein, so die Wissenschaftler vom Rat für Migration. „Abgelehnte Asylbewerber sollten die Möglichkeit erhalten, auf anderem Weg ein Bleiberecht zu bekommen – zum Beispiel durch Integration in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt“, fordert Albert Scherr. Ist ihr Aufenthalt nicht länger zulässig, sollten sie durch umfassende Beratung und eine angemessene finanzielle Unterstützung dazu bewegt werden, freiwillig auszureisen. „Kommt es doch zu einer Abschiebung, müssen die Behörden in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen, welche Auswirkungen die Rückführung für die Betroffenen hätte“, so Scherr. „Staaten pauschal zu ‚sicheren Herkunftsstaaten‘ zu erklären, kann und darf diese Einzelfallprüfung nicht ersetzen.“

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