Familiennachzug zu Schutzberechtigten aus Syrien – Notizen zu einem vernachlässigten Grundrecht

Der Familiennachzug zu in Deutschland anerkannten und völkerrechtlich geschützten Flüchtlingen aus Syrien ist nach wie vor geprägt von organisatorischen Hindernissen und Hürden. Einer der wenigen gefahrenfreien Wege zur Flucht nach Deutschland ist auch für Angehörige der Kernfamilie (Vater, Mutter, Kinder) nur unter Inkaufnahme von langen Wartezeiten möglich. Das  Recht  auf  Familienleben  ist  nicht  nur  im  Grundgesetz (Artikel  6),  sondern  auch  in  der Europäischen  Menschenrechtskonvention  (Artikel  8)  und zahlreichen,  weiteren Menschenrechtskonvention verbrieft, wie etwa der UN-Kinderrechtskonvention. Die schleppende und langwierige Bearbeitung von Familiennachzugsanträgen ist unerträglich und muss dringend verbessert werden.

Das Auswärtige Amt hat bereits im letzten Jahr vielfach darauf hingewiesen, dass durch ein neu einzurichtendes Webportal Verbesserungen erreicht werden könnten. Das nun vor einigen Wochen an den Start gegangene Portal bietet allerdings größtenteils nur die bereits bekannten Informationen zentralisiert an. Termine zur Visumbeantragung können über dieses Portal nicht gebucht werden. Insofern hat das neue Webportal nur in einem geringeren Umfang selbst zur Verbesserung beigetragen. Dennoch stellt es ein wichtiges Informationsangebot dar, und es stellt sich die Frage, warum dieses nicht auch auf andere Hauptherkunftsländer ausgeweitet werden kann, zB Irak.

Eine wichtige Funktion erfüllt das Portal: Zur Fristwahrung kann ein anstehender Familiennachzug angezeigt werden, um unter die erleichterten Voraussetzungen nach dem Aufenthaltsgesetz zu fallen. Ein solcher erleichterter Familiennachzug (ohne den Nachweis von ausreichendem Wohnraum und der Sicherung des Lebensunterhalts) ist zu Geflüchteten mit Flüchtlingsanerkennung (und derzeit auch noch zu Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz) dann möglich, wenn „unverzüglich“ nach der Schutzgewährung der Familiennachzug beantragt wird. „Unverzüglich“ heißt in der Regel: In den ersten drei Monaten. Mittlerweile haben alle 16 Bundesländer sogenannte Globalzustimmungen erlassen: Damit ist die Zustimmung der kommunalen Ausländerbehörden zur Visumserteilung in jedem einzelnen Nachzugsfall nicht mehr erforderlich, und die Verfahren können beschleunigt werden. Dies stellt eine Verbesserung dar und entlastet insbesondere auch die kommunalen Ausländerbehörden, die sonst vielfach solche Fristwahrungen entgegennehmen mussten.

Die Terminierung von Visumsanträgen lässt jedoch weiterhin zu wünschen übrig. Nach vielfach berechtigter Kritik zum Ablauf der Familiennachzugsverfahren bei den deutschen Botschaften und Konsulaten in den Nachbarstaaten Syriens konnte erreicht werden, dass neben der bisher kaum funktionstüchtigen Online-Terminbuchung inzwischen auch wieder direkt über die Botschaften per E-Mail-Anfragen Termine vereinbart werden können. Dies ist allerdings bisher nur bei der Deutschen Botschaft Beirut und neuerdings auch in Amman möglich. In Beirut konnten mit Einführung dieses neuen Verfahrens im letzten Jahr zunächst die Wartezeiten für Terminvergaben deutlich verkürzt werden. Derzeit werden jedoch wieder Termine zur Visumantragsstellung mit einer zeitlichen Verzögerung von ca. einem Jahr vergeben.

Ob die Terminvergabe per E-Mail oder online erfolgt – es muss bei den deutschen Auslandsvertretungen endlich mehr Personal eingestellt werden, um Anträge zeitnah zu bearbeiten. Selbst für Fälle, in denen es in der Vergangenheit aufgrund besonderer Härten im Einzelfall möglich war, frühere Termine zu erhalten , ist es derzeit so gut wie unmöglich, einen vorzeitigen Termin zu erhalten. Die Deutsche Botschaft Beirut teilte in diesem Zusammenhang beispielsweise mit:
„… Die furchtbare Lage in Syrien führt leider dazu, dass zahlreiche Familien in ebenfalls akuten Notlagen hier vorsprechen…“
Bedauernd wird darauf hingewiesen, dass die Termine eng gebucht seien und daher kein freier Termin zur Bevorzugung ermöglicht werden könne. Es ist inakzeptabel, dass die deutschen Außenvertretungen nicht einmal für derartige Härtefälle freie Kapazitäten hat, um kurzfristig Termine zu ermöglichen.

In den Außenvertretungen Deutschlands in der Türkei ist die Terminvereinbarung leider weiterhin ausnahmslos auf den privaten Dienstleister iDATA übertragen worden. Dies ist wegen der Erreichbarkeit und der damit verbundenen Kosten mit Schwierigkeiten verbunden. Die Bundesregierung hat jedoch mehrfach auf Anfragen im Bundestag mitgeteilt, dass Änderungen nicht geplant seien. Zuletzt war es immerhin möglich, bereits vereinbarte Termine umzubuchen, um früher bei den Außenvertretungen in der Türkei vorsprechen zu können. Betroffene sollten regelmäßig Hinweise auf der Botschaftsseite der Deutschen Botschaft Ankara beachten, sh. hier. Aktuell werden für neue Fälle jedoch wiederum erst Termine in ca. einem Jahr vergeben. Zusätzlich dauert es zuweilen Monate, bis iDATA den Termin überhaupt mitteilt.

Das deutsche Konsulat in Erbil (Irakisch-Kurdistan) ist weiterhin regulär nicht für Anträge im Rahmen der Familienzusammenführung zuständig, obwohl dies dringend erforderlich wäre. Betroffene Familien werden weiterhin auf die Antragstellung in den Außenvertretungen in der Türkei verwiesen. Dieser Verweis ist mit hohen Kosten, aber auch zT sehr gefährlichen Reisen verbunden. Die Sicherheitslage in der Türkei hat sich gerade im Südosten des Landes in den letzten Monaten deutlich verschlechtert. Insbesondere auch Minderheitenangehörige sind davon betroffen. Rund 250.000 syrische Flüchtlinge haben Zuflucht in der Region gefunden und keinen Zugang zum örtlichen deutschen Konsulat.

Es bedarf dringend eines klaren politischen Willens, um auch die Außenvertretung in Erbil bedarfsgerecht aufzustocken. 2015 wurden knapp 15.000 Iraker:innen vom BAMF als Flüchtlinge anerkannt. Über 31.000 Personen aus Irak haben im gleichen Zeitraum einen Asylantrag gestellt. Die Familienangehörigen verharren vielfach unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Heimatregion und sind dringend darauf angewiesen, in einem angemessenen Zeitraum ihren Rechtsanspruch auf Familiennachzug verwirklichen zu können.

Die vorgenannten Herausforderungen in den deutschen Außenvertretungen in Beirut, Ankara, Istanbul, Izmir und Erbil machen deutlich, dass weiterhin dringender politischer Handlungsbedarf besteht. Längst überfällig war der Start eines Pilotprojekts der Außenvertretungen Beirut, Ankara, Izmir und Istanbul, bei dem die Visumanträge entweder in der Zentrale des Auswärtigen Amtes oder in anderen Außenvertretungen bearbeitet werden sollen, um so die Verfahren zu beschleunigen. Das Pilotprojekt muss dringend ausgeweitet und verstetigt werden.

Wenn sich auch dadurch keine spürbaren Verbesserungen erreichen lassen, kann nur gemutmaßt werden, dass die Verzögerungen letztendlich auch mehr und mehr politisch gewollt sind und hingenommen werden, obwohl der Familiennachzug nicht nur grundgesetzlich und völkerrechtlich geschützt ist, sondern auch einer der wenigen legalen und sicheren Einreisewege für dringend Schutzbedürftige nach Deutschland darstellt.

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2 Gedanken zu „Familiennachzug zu Schutzberechtigten aus Syrien – Notizen zu einem vernachlässigten Grundrecht“

  1. Man hat mir geraten, wegen Untätigkeit zu klagen. Wie hilfreich ist das? Ich will eine syrische Frau mit 2 kleinen Kindern (3/4) aus Damaskus zum anerkannten Familienvater nach D holen. Die Tochter ist behindert, nahezu blind. hier könnte ihr geholfen werden. Ich bin ziemlich verzweifelt.

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  2. Sehr geehrte Damen und Herren,

    mein Name ist RAHAF MURAD, Studentin an der TU-Ilmenau in Thüringen und ich komme aus Syrien.

    Meine Mutter ist HADIEH ALADDIN und sie ist Syrierin aus Damaskus und sie ist seit Oktober 2015 in Deutschland.
    In April 2016 wurde ihr Asylantrag zuerkannt und besucht zur Zeit eine deutsche Sprachschuhle als Voraussetzung für die Integration in Deutschland sowie auch für eine gute Arbeitsstelle.

    Mein Vater ist FAISAL MURAD lebt zur Zeit in Syrien.

    Unmittelbr nach der Zererkennung ihres Asylantrag , d.h, in 01.05 2016 ,habe ich zu deutschen Botschaft in Beirut alle benötigten Unterlagen wegen Familienzusammenführung zugesendet , um einen Interview-Termin für meinen Vater zu kriegen.

    Wie Sie wissen , die Lage in Syrien bekommt kritischer und gefährlicher und ich möchte , dass mein Vater aus Gefahr kommt und bei uns lebt.

    Ich würde mich sehr freuen und bin Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir den Status des Antrags mitteilen und meinem Vater den nächstmöglichen Interview-Termin vergeben.

    PS: Anbei die gesendte Email , die ich am 01.05.2016 geschickt habe, mit allen Unterlagen als Referenz.

    Vielen Dank im Voraus für Ihre Bemühungen.

    Rahaf Murad

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