Flüchtlingsrat und borderline-europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V. kritisieren überzogenen und vollkommen unverhältnismäßigen Verfolgungseifer der Staatsanwaltschaft gegen Fluchthelfer
Jetzt mehr legale Einreisewege für Verfolgte aus Syrien und Irak schaffen!
Der Strafprozess vor dem Landgericht Verden wegen des Vorwurfs des mehrfachen Einschleusens von Ausländern steht vor dem Abschluss. Vor dem letzten Verhandlungstag gegen einen 37-jährigen Jesiden am 17.08.2015 fordern der Flüchtlingsrat Niedersachsen und borderline-europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V. von Bundes- und Landesregierung, weitere legale Einreisewege für Schutzbedürftige aus Syrien und Irak zu schaffen.
Die Kontingente der drei bisherigen Bundesaufnahmeprogramme für insgesamt 20.000 syrische Personen sind bereits erschöpft. Das niedersächsische Landesaufnahmeprogramm für syrische Staatsangehörige mit Verwandten in Niedersachsen ist zum 30.06.2015 ausgelaufen und bisher noch nicht verlängert worden, sodass derzeit keine legalen Einreisemöglich keiten bestehen. Irakische Staatsangehörige waren bisher von diesen Programmen vollständig ausgeschlossen. Faktisch sind bedrohte Flüchtlinge auf Fluchthilfeorganisationen angewiesen, um Schutz in Europa zu finden.
Bei den flüchtenden Menschen, für die im vorliegenden Fall Fluchthilfe gegen Geld geleistet wurde, handelte es sich hauptsächlich um Jesiden aus Syrien. Die religiöse Minderheit derJesiden ist eine der besonders von der Terrorherrschaft des sogenannten Islamischen Staa tes und der allgemeinen Bürgerkriegssituation betroffenen Minderheiten in der Region Syrien und Irak. Der Angeklagte, selbst Jeside, fühlte sich diesen Personen aufgrund seiner eigenen Zugehörigkeit als verpflichtet und handelte selbstlos.
Ungeachtet dessen wurden die Ermittlungen von Polizei, Diensten und Staatsanwaltschaft im Rahmen des Verdener Strafprozesses in einem völlig unverhältnismäßigen Umfang geführt. Im Rahmen der Hauptverhandlung wurden stundenlang Protokolle der Telefonüberwachung verlesen. Mehrere tausend Telefongespräche wurden übersetzt und aus gewertet, darunter zahlreiche Gespräche von völlig unbeteiligten Verwandten des Angeklagten. Auch die seit Januar 2015 verhängte Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten stellt sich als unverhältnismäßig dar.
In der innerdeutschen Diskussion erfuhr Fluchthilfe vor 40 Jahren noch eine ganz andere Be wertung: 1977 entschied der Bundesgerichtshof: Wer Flüchtende dabei unterstütze, „das ihnen zustehende Recht auf Freizügigkeit zu verwirklichen, kann sich auf billigenswerte Motive berufen und handelt sittlich nicht anstößig.“ Damals klagte ein Fluchthelfer vor Gericht sein „Honorar“ ein – mit Erfolg. Später erhielt er für seine Taten das Bundesverdienstkreuz am Bande. 1
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http://www.sueddeutsche.de/politik/schlepper-und-schleuser-das-fluechtlingsverbrechen-1.2370282
weitere Informationen: Flüchtlingsrat Niedersachsen, Tel. 05121 – 15605
borderline-europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V., Tel. 0176 – 42 02 76 55
Rechtsanwältin Medya Roza Tuku, Tel. 04231 – 9828430
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