Sprachkurse für Flüchtlinge und Geduldete?

Die Fraktionen SPD und Bündnis90 / Die Grünen haben am 26. Mai 2015 einen Entschließungsantrag mit dem Titel Sprachkurse für Flüchtlinge und Geduldete öffnen in den Landtag eingebracht (Drs. 17/3543), der sich gut liest und insbesondere im Hinblick auf die Forderung nach einer generellen Öffnung der Integrationskurse unterstützenswert ist, aber leider keinen Bezug nimmt auf unsere seit drei Jahren aufrecht erhaltene Forderung nach einem Ausbau der Beschulungsmöglichkeiten für 18 – 21jährige Flüchtlinge (siehe hier) Es deutet vieles darauf hin, dass die bestehenden Integrationskurse für Flüchtlinge demnächst auch für Asylsuchende und Geduldete geöffnet werden.

Nachfolgend dokumentieren wir Auszüge aus einem Konzeptpapier von Norbert Grehl-Schmitt (DICV Osnabrück) zu den derzeit bestehenden, unzureichenden Sprachförderangeboten:

Wann beginnt Sprachförderung?
Sie beginnt mit der Aufnahme, also bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) der Bundesländer. Dieser erste Baustein liegt aufgrund der sehr unterschiedlichen Aufnahmestrukturen der Bundesländer in der Zuständigkeit der Länder und umfasst primär muttersprachliche Information, ergänzt mit ersten Sprachlernmoulen. Aus unserer Sicht sind die in Niedersachsen durchgeführten Wegweiserkurse recommended practise.
Es wäre aber falsch, anzunehmen, diese Konzeption ließe sich zeitlich auf mehr als 6 Wochen ausdehnen. Die Verteilpraxis und -realität wird nicht bestimmt durch Lernkonzepte, sondern durch Platzkapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Realistisch ist es, die Kurse so zu konzipieren, dass sie 2 bis 4 Wochen dauern können.

Wie geht es in den Kommunen weiter?

Bereits hier müssen wir drei Fallgruppen unterscheiden:

a) Asylsuchende
Ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen, muss einer der ersten Behördengänge der Gang zur Arbeitsagentur sein. Dort muss – wenn es gut gelaufen ist, auf der Grundlage der bereits in der EAE erfolgten Erstinformation (MWi + AfA) – der Unterstützungsbedarf geklärt werden.
Spracherwerb wird in der Regel ein wesentlicher Punkt sein, der aber als Arbeitsmarktinstrument (SGB III) nur über die AfA gefördert werden kann, wenn die Maßnahme überwiegend berufliche Weiterbildungsaspekte enthält. Es wird also davon abhängen, ob bei einem Sprachniveau A0 (= Anfänger ohne Vorkenntnisse) eine solche Maßnahme Sinn macht. Ist das nicht der Fall, wird es eng, da flächendeckende Unterstützungsinstrumente nicht zur Verfügung stehen.

Im einzelnen:

– Integrationskurse
Sie sind für Asylsuchende bislang nicht geöffnet. Sie sind aber faktisch als Sprachkurse konzipiert und bieten die derzeit einzige Möglichkeit, als Sprachanfänger Grundkenntnisse der deutschen Sprache zu erlernen. Die Öffnung zumindest der ersten vier Module der I-Kurse ist also zwingend angezeigt.

– Berufsbezogene Sprachkurse (Förderung über das ESF-Bundesprogramm)
Ein Zugang kann erst ab dem Sprachniveau A1 (Europäisher Referenzrahmen) erfolgen. Dort, wo das möglich ist, sollte das auf jeden Fall dann geschehen, wenn die AfA diesen Spracherwerb als Möglichkeit sieht, den Anschluss an eine Arbeitsmarktintegration herzustellen, z.B. auch über die beruflichen Praktika im Sprachkurs.
Das Budget dieses Bundesprogramms ist aber so eng bemessen, dass zu befürchten ist, dass es bereits in 2016 wegen fehlender Mittel beendet werden muss. Eine Aufstockung der Mittel wäre also nötig. Die Öffnung der I-Kurse ist damit aber auf keinen Fall obsolet.

– Sprachkurse über andere Maßnahmen
Ein Ausweichinstrument boten hier bislang die ESF-Bleiberechtsprojekte (wie etwa Netwin2.0 oder AZF). In Osnabrück werden dazu im Moment etwa 150 Asylsuchende in 8-wöchigen Kursen so fit wie möglich gemacht. Einzelunterstützung, z.B. Prüfung für C2 o.ä., ergänzen die Angebote. Diese sind aber – aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen – sehr begrenzt.

– VHS-Sprachkurse
Bleiben noch VHS-Sprachkurse, die jedoch i.d.R. von den Teilnehmenden selbst bezahlt werden müssen. Allerdings gibt es auch hier kommunale Ansätze, z.B. in der Stadt Aachen, den Spracherwerb aus kommunalen Mitteln systematisch zu fördern. Als nachrangige Leistung ist das überaus lobenswert.

– Sprachkurse von Ehrenamtlichen
Das ist oftmals der letzte Weg, dürfte aber i.d.R. nicht darauf abgestimmt sein, eine Arbeitsmarktintegration zu erreichen. Aber das ist immerhin besser als nichts.

b) schutzberechtigte Flüchtlinge
Sobald der Flüchtling schutzberechtigt ist, also eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, ist der Zugang zum Integrationskurs möglich. I.d.R. macht es Sinn, dieses Angebot anzunehmen. Aber auch hier sollte grundsätzlich die Arbeitsverwaltung (also das Jobcenter) in die Entscheidung eingebunden werden. Ebenso sinnvoll kann aber auch ein berufsbezogener ESF-Sprachkurs, eine Kombi-Maßnahme oder eine unmittelbare Arbeitsaufnahme sein. Wichtig ist, dass die Arbeitsverwaltung schnell und effektiv mitwirkt, die Flüchtlinge sich also nicht selbst überlassen bleiben.

c) geduldete Ausländer/innen
Dem Grunde nach müssen die gleichen Kriterien gelten wie für Asylsuchende (s. o). Die Nicht-Bearbeitung oder Ablehnung eines Asylantrags ist ja in vielen Fällen nicht gleichbedeutend mit der Ausreise aus Deutschland. Die Gründe sind vielfältig. Kurzfristige Abschiebungshindernisse mögen allerdings die Umsetzung von arbeitsmarktlichen Unterstützungsinstrumenten erschweren bis unmöglich machen. Es ist aber aus vielerlei Hinsicht richtig, jeder Person die Gelegenheit zu geben, sich zu entwickeln, zu lernen, den Lebensunterhalt selbst zu verdienen, – oder eben eine neue Sprache zu sprechen.

d) Zielgruppe „junge Menschen“
In der Regel sind für junge Menschen aus den Gruppen zu a -c Zugänge zu weiteren schulischen Sprachlerninstrumenten vorhanden. Dazu gehören u.a. Sprachlernklassen (s. dazu nds. Erlass MWK), Angebot Deutsch als Zweitsprache (ebenfalls Erlass MWK), Förderunterricht für Dt. und für Fremdsprachen, sowie die Einrichtung von Sprachförderklassen im Berufsvorbereitungsjahr (bis 18). Darüber hinaus kann die Schulpflicht ruhen, wenn in dieser Zeit Sprachkurse besucht werden. Ohne entsprechende Angebote ist das aber ein stumpfes Schwert (siehe unter a). Weitere Unterstützung kann über Lernhilfen, wie Nachhilfeunterricht erfolgen, wenn z.B. das Sprachproblem ein Versetzungshindernis ist.

e) Zielgruppe „Hochqualifizierte“
Auch hier fehlt es an Sprachkursangeboten; insbesondere im universitären Bildungsbetrieb. Die Unterstützung muss sich vermutlich aber besonders auf die Schriftsprache beziehen. Viele studierende Flüchtlinge beherrschen die lateinische Schrift nicht. Es ist also angezeigt, über ein reines Sprachlernprogramm hinaus, „Alphabetisierungen in lateinischer Schrift anzubieten.

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