Neuer Erlass zur Anwendung humanitären Aufenthaltsrechts lt. § 25 V AufenthG

Der lang ersehnte §25.5-Erlass der nds. Landesregierung zur Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinsichtlich der Auslegung des Artikels 8 EMRK (Schutz der Familie und des Privatlebens) ist heute (am 27.04.2015) veröffentlicht worden. Der Flüchtlingsrat hatte immer wieder einen solchen Erlass eingefordert und hierzu u.a. eine Anhörung namhafter Juristen organisiert, siehe hier. Mit diesem Erlass löst die Landesregierung ein Versprechen der Koalitionsvereinbarung von SPD und Grünen ein.

Der Erlass spiegelt die Rechtsprechung des EGMR wieder, die im Kern darauf hinausläuft, dass Menschen nicht (erneut) vertrieben werden dürfen und ein Aufenthaltsrecht genießen, wenn sie in ihrem Aufenthaltsstaat „verwurzelt“ sind. Der Schutz des Art. 8 EMRK geht erheblich weiter als Art. 6 GG. Durch Art. 8 EMRK wird nicht nur die Familie, sondern das Privatleben insgesamt geschützt. Der Schutz der Familie bezieht sich auch auf die Bindung an die Eltern, wenn die betreffende Person bereits volljährig ist. Zu dem geschützten Privatleben zählen die Gesamtheit der sozialen Bindungen, also das Netz an sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen. Wer sich auf diesen Schutz beziehen kann und darf, wird vom EGMR allerdings nicht in allgemeinen Leitsätzen, sondern sehr auf die Besonderheiten des Einzelfalls hin geprüft und begründet. Entsprechend stellt auch der Erlass auf die Notwendigkeit einer „Gesamtbetrachtung des Einzelfalls mit allen vorhandenen Faktoren“ ab.

Die Ablehnung eines Aufenthaltsrechts allein unter Verweis auf die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts oder die mangelnde Legitimität eines „geduldeten“ Aufenthalts darf es insofern nicht mehr geben. Andererseits bietet der Erlass wenig Ansatzpunkte, um Ausländerbehörden, die ein humanitäres Aufenthaltsrecht verweigern, zur Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis im Gerichtsweg zu verpflichten, zumal die Rechtsprechung des niedersächsischen OVG Lüneburg zu §25.5 AufenthG bislang wenig Anlass zu Optimismus bietet.

Unter dem Strich haben wir mit diesem Erlass ein Instrument, das wohlwollenden Ausländerbehörden die Erteilung eines humanitären Bleiberechts in einer Vielzahl von Fällen ermöglicht. Wir versprechen uns von diesem Erlass eine nachhaltige Entlastung auch der Härtefallkommission und sind gespannt auf die Umsetzung. Um uns hiervor ein Bild zu machen, bitten wir für die kommenden Monate um eine Zusendung von Bescheiden positiver wie negativer Art.

Kai Weber

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2 Gedanken zu „Neuer Erlass zur Anwendung humanitären Aufenthaltsrechts lt. § 25 V AufenthG“

  1. Wo bleibt § 25b ? Der Erlass ist aus meiner sicht nur Wische-Waschi mit null Rechtssicherheit. Im besten Fall eine Mandantenschaufel für Anwälte, die in den wirklich schweren Fällen nichts löst.

    Macht mal eine Liste von den wohlwollenden und restriktiven Ausländerbehörden. Dann weiß man in der Beratung, wo sich Jobsuche und Umverteilung innerhalb Niedersachsens lohnt.

    Antworten
  2. Wo bleibt § 25b ? Der Erlass ist aus meiner sicht nur Wische-Waschi mit null Rechtssicherheit. Im besten Fall eine Mandantenschaufel für Anwälte, die in den wirklich schweren Fällen nichts löst. Macht mal eine Liste von den wohlwollenden und restriktiven Ausländerbehörden. Dann weiß man in der Beratung, wo sich Jobsuche und Umverteilung innerhalb Niedersachsens lohnt.

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