Sprachförderung für Flüchtlinge – Stand und Perspektiven

Die nachfolgenden Ausführungen sind einer Stellungnahme entnommen, die der Flüchtlingsrat Niedersachsen im Rahmen einer Anhörung der CDU-Fraktion im Landtag am 9.3.2015 zur Frage einer Sprachförderung von Flüchtlingen abgegeben hat:

Voraussetzungen

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert seit längerem von der Bundesregierung eine Öffnung der Integrationskurse für alle Drittstaatsangehörigen in Deutschland. Integrationskurse beginnen auf A0-Niveau und schließen mit einer B1-Prüfung ab inklusive Zertifikat (d.h. „ausreichende Deutschkenntnisse“). Wenn ein Teilnehmer nicht alphabetisiert ist, wird ein Alphabetisierungskurs vorgeschaltet. Für die Teilhabe von Flüchtlingen an der deutschen Gesellschaft, insbesondere im Bildungsbereich und im Erwerbsleben, spielen Integrationskurse eine zentrale Rolle. Für eine betriebliche Ausbildung oder für Erwerbstätigkeit ist das B1 in der Regel zwingende Voraussetzung. Auch für die Absolvierung eines Hauptschulabschlusses bei einer allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schule oder im Rahmen eines Hauptschulkurses bei einer Volkshochschule ist das B1 unerlässlich.
Asylsuchende und Geduldete haben jedoch keinen Rechtsanspruch auf einen Integrationskurs. Die Betroffenen verfügen in der Regel nicht über die finanziellen Mittel für einen regulären und kostenpflichtigen Deutschkurs und die Fahrtkosten zum Kursort, sie bleiben so von Teilhabe ausgeschlossen. Ohne Sprachvermittlung sind die Möglichkeiten einer Ausbildung oder Beschäftigung stark eingeschränkt.

2012 wurden nach vielen Protesten die berufsbezogenen Deutschkurse für Asylbewerber:innen und Geduldete geöffnet, die als Teilnehmer:innen der 28 Bleiberechtsnetzwerke (in Niedersachsen NetwIn 2.0, AZF II und Fairbleib) in Deutschland registriert waren. Voraussetzung für die Teilnahme an dem Projekt und damit an diesen Deutschkursen war jedoch das Vorliegen eines Arbeitsmarktzugangs.

2014 wurde das Ausgangssprachniveau der berufsbezogenen Deutschkurse auf A1 angehoben. Gleichzeitig wurden die finanziellen Mittel zur Durchführung dieser Sprachkurse gekürzt. Die Folge ist, dass Sprachkursträger Sprachkurse nur für Asylsuchende oder Geduldete in der Regel aus finanziellen Gründen nicht mehr durchführen können und nur noch 3 – 6 Teilnehmer:innen aus den Bleiberechtsnetzwerken in einen Kurs für Migrant:innen aufnehmen. Die restlichen Kursteilnehmer werden über das Jobcenter vermittelt, für die höhere Zuschüsse gezahlt werden . Frühestens Ende 2015 wird zu einer Aufstockung der Kofinanzierung für Teilnehmer der Bleiberechtsnetzwerke kommen.

Der Präsident des Bundesamtes Schmidt hat im Rahmen einer Tagung in Duderstadt im Februar 2015 angekündigt, dass die Integrationskurse zukünftig hinsichtlich der ersten drei Module auch für Asylsuchende geöffnet werden könnten, so dass die Teilnehmer:innen das Niveau A1 erreichen können. Im Anschluss können die Teilnehmer:innen theoretisch über ein Bleiberechtsnetzwerk in einen berufsbezogenen Deutschkurs vermittelt werden, so dass die Lücke zumindest formal geschlossen wird. Allerdings könnte dieses Modell nur funktionieren, wenn auch die Förderung für ESF-BAMF-Sprachkurse aufgestockt würde. Des weiteren müssten auch Geduldete einbezogen werden.

Einzelne Kommunen (z.B. der Landkreis Harburg) in Niedersachsen bieten kommunal geförderte Deutschkurse an. Andere Kommunen sind in Kontakt mit Stiftungen, die die Kosten für einen regulären Deutschkurs beispielsweise bei einer Volkshochschule übernehmen. Außerdem ist die Bereitschaft von Ehrenamtlichen, Flüchtlingen Deutschunterricht zu geben, beeindruckend hoch. Dieser Flickenteppich ist jedoch keine dauerhafte und tragfähige Lösung für die Teilhabe von Flüchtlingen.

Forderungen:

  1. Der Bund ist gefordert, für Asylsuchende und Geduldete die Integrationskurse zu öffnen. Es ist ein Skandal, dass Migrant:innen bestraft werden können, wenn sie an einem Integrationskurs nicht teilnehmen, während Asylsuchende und Geduldete von diesen Kursen ausgeschlossen bleiben.
  2. Sollte der Bund die Integrationskurse nur für die ersten drei Module (bis zum A1-Niveau) öffnen, müssten die Mittel für ESF-BAMF-Sprachkurse aufgestockt werden, damit eine weitere Sprachqualifizierung zumindest bis zum B1-Niveau möglich ist.
  3. Ein besonderes Problem stellt sich für 18-25jährige junge Flüchtlinge, die nicht mehr schulpflichtig sind. Hier ist v.a. das Land gefordert: Für diesen Personenkreis muss ein Schulbesuch bis zum Alter von 21 Jahren, im Ausnahmefall auch bis zu 25 Jahren, ermöglicht werden. Wünschenswert wäre auch ein Ausbau der Sprachförderklassen in Berufsschulen, eine flexible Bereitstellung von Lehrerstunden zur Förderung von Flüchtlingskindern, ein verstärkter Einsatz von Schulsozialarbeiter:innen sowie die Sicherstellung der Fahrtkosten zu Schule und Ausbildung
  4. Wünschenswert wäre schließlich die Bereitstellung von Landesmitteln, um die Kommunen in den Stand zu versetzen, Integrationsleistungen für Asylsuchende zu erbringen (Vorbereitungskurse, Beratungsdienste, Auszugsmanagement etc.). Hierfür muss das Land die Pauschale für die Kostenerstattung deutlich erhöhen.
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4 Gedanken zu „Sprachförderung für Flüchtlinge – Stand und Perspektiven“

  1. Ich unterrichte in unserem Ort eine syrische Flüchtlingsfamilie (3 Kinder. 2 Erwachsene).

    Gibt es Unterrichtsmaterial, das Sie mir dafür zur Verfügung stellen könnten?
    Oder eine Empfehlung, welches Material besonders geeignet ist?

    Sie erreichen mich unter Tel. 05195 336
    Oder der genannten Email.

    Danke im Voraus und
    mit freundlichen Grüßen

    Winckler

    Antworten
    • Guten Tag!
      Ich unterrichte ehrenamtlich minderjährige Flüchtlinge zwischen 15 und 17 Jahren seit 14 Tagen einmal in der Woche 4 Stunden. Ich selbst bin erfahrene Grundschullehrerin und habe über Jahre mit türkischen Kindern gearbeitet.
      Generell geht es um einfache Nomen (Name , Wohnort, Straße, Telefonnummer, Zahlen, Gegenstände im Alltag) und einfache Verben: heißen, ist, lesen, sprechen, schlafen, essen …. Kleine Sprechspiele im Kreis helfen gut. (Mein rechter Platz ist frei. – Ich habe eine Tasse, einen Teller und einen Löffel ….
      In der Mayerschen Buchhandlung gibt es viele Bücher zum Thema: Deutsch als Zweitsprache: für Grundschulkinder, Jugendliche, Erwachsene. Diese Bücher sind sehr verschieden und sollten viele Bilder und einfache Sätze zum Nachsprechen haben.
      Außerdem gibt es für Kinder ein dickes Buch mit vielen Bildern ( Dingen, Gegenständen, Gemüse, Obst, Anziehsachen, Spielsachen etc.), mit denen man kleine Spielsituationen aufbauen kann (Kinderbuchabteilung für Kleine). Bilderbücher helfen gut.
      Wichtig ist: Wenige Nomen mit Verben in Handlungen spielen und sprechen.
      Sie werden in einer großen Buchhandlung fündig.
      Mit freundlichen Grüßen L. Mielke

  2. Moin!

    1. Man braucht Grundkenntnisse über den Spracherwerb: Was bedeutet es, eine zweite Sprache zu lernen? Welche Hürden sind zu meistern? Und wie erwirbt z. B. ein Mensch eine Sprache? Grundssatz: Eine Sprache erwerbe ich und benötige dazu eine anregende Umwelt. Man bringt niemandem eine Sprache bei…
    2. Der gesteuerte Zweitspracherwerb (Fremdsprache!) erfolgt reflektiert und gezielt durch Profis. Davon gibt und gäbe es genügend. Man muss sie nur ermuntern und sinnvoll einsetzen.
    3. Abzuraten ist m. E. von dem Markt der „grauen“ Materialien. Die Flut an selbst gebastelten Heftchen, Broschüren, Büchern (Tannhauser Modell u.a.) und Internetangeboten ist für den Laien unübersichtlich und schwer einzuschätzen. Es ist in der Regel eher abzuraten.
    4 Mein Tipp als DaZ/DaF-Lehrer (mit BAMF-Zertifikat): Greifen Sie als Laie zu den Produkten der Verlage. Ich empfehle den Hueber-Verlag. Der hatte schon in den 90er Jahren deas beste Angebot. Besonders die 3 Alpha plus-Bücher sind (auch für Laien) hilfreich, obwohl ich von einer Alphabetisierung durch Laien abrate, da sie meist nicht wissen, was Alphabetisierung z. B. kognitiv bedeutet.
    4. Wichtiger als eine Fülle von autodidaktischen Lehrern, die sich selbst ermächtigen und oft nicht wissen, was sie tun, wäre eine klare Arbeitsteilung: gezielter Spracherwerb durch Profis und Begleitung und Assistenz durch Laien. Letztere können sehr gut Hausaufgabenhilfe und Konversation anbieten. Allerdings sollte auch hierfür Fortbildung und Absprache erfolgen.

    Fazit: Wir (Geflüchtete, Staat und Gesellschaft) können es schaffen, aber nur, wenn wir alle unsere Arbeit besser reflektieren, unsere Grenzen erkennen und klare Strukturen entwickeln. Das bedeutet: Das Rad muss nicht immer wieder neu erfunden werden …

    Es grüßt Sie
    J. Koch

    Antworten
  3. Guten Tag,

    Ich finde diese Forderungen sehr gut, allerdings stellt sich mir die Frage ob das realistisch alles machbar ist. Es ist ja immerhin hilfreicher ein Ziel und die einzelnen Schritte dahin zu kennen.

    Was Punkt 3 angeht, so gibt es in NRW immer mehr Zukunftshäuser, die kulturelle Workshops anbieten und jungen Flüchtlingen so ermöglichen direkt an der Kunst und Kultur Deutschlands zu partizipieren und gleichzeitig ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. X-Vision ist eines dieser Projekte.

    In einer warmen und willkommen heißendend Athmosphäre werden Ankommende und Jugendliche aller Hintergründe aufgenommen, angenommen und dabei unterstützt Musik, Theater & auch Gesang zu machen. Neben Videoproduktionen stehen natürlich auch Hausaufgaben machen, debatieren üben und, und, und in unserem Programm.

    Ähnliche Projekte sind strengstens erwünscht!

    Antworten

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