Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat die Länderinnenminister für ihre Abschreckungs- und Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen aus dem Kosovo scharf kritisiert. „Die Menschen dort sind in ihrer Existenz bedroht. Sie leben unter menschenunwürdigen Bedingungen. Viele, vor allem Kinder, sind unterernährt und frieren, weil es kein Brennholz gibt“, sagte Geschäftsführer Kai Weber am Freitag in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Da sei es völlig illusorisch zu glauben, sie ließen sich zurückhalten von der Aussicht auf baldige Abschiebung oder überfüllte Aufnahmelager. „Die sagen sich, schlechter als hier kann es uns anderswo auch nicht ergehen“, sagte Weber.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) und seine Kollegen aus den anderen Ländern hatten die Bundesbehörden aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Menschen sich gar nicht erst auf den Weg machten. Die Menschen müssten per Internet oder Flugblätter darauf hingewiesen werden, dass sie keine Aussicht auf Asyl in Deutschland hätten und schnell zurückgeschickt würden. Armut sei kein Asylgrund. Die Innenminister forderten zudem eine beschleunigte Abwicklung der Asylverfahren durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Allein in den ersten 13 Februartagen seien bundesweit 19.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo eingereist.
Er halte es für fragwürdig, die Menschen dort zurückhalten zu wollen, betonte Weber. Deutschland und Europa seien mitverantwortlich für die schlimme Krise in dem Balkanstaat. Immerhin habe auch Deutschland dort Krieg geführt und bis heute Truppen im Kosovo stationiert. Zudem habe Westeuropa es versäumt, mit entsprechenden Programmen die Wirtschaft zu stabilisieren. Möglicherweise sei aber das Kosovo aber auch als sehr kleiner Staat allein nicht überlebensfähig. Aber auch für die Grenzziehungen auf dem Balkan trage Westeuropa eine Mitverantwortung.
Auch sei es durchaus möglich, den jetzigen Flüchtlingen zu helfen. Man könnte etwa ausgebildeten Arbeitern befristete Arbeits- und Aufenthaltsmöglichkeiten anbieten. „Das hat in den 80er und 90er Jahren mit Tausenden Werksvertrags- und Saisonarbeitnehmern aus Polen auch funktioniert. Dort hat sich die Lage dadurch sehr gut stabilisiert, und heute ist Polen EU-Mitglied.“
Während in Deutschland 2013 die Anerkennungsquoten zu den drei Westbalkanländern nur bei 0,0 bis 0,6% lagen, betrugen sie z.B. in Italien 37 – 67 % (vor allem humanitärer Schutz), in Frankreich 3 – 17 %, in Belgien 6 – 8%, in Österreich 10% (Serbien) und in Dänemark 20 % (Bosnien). „Da sind die Bewertungsmaßstäbe durchaus nicht überall gleich.“ (Quelle: EASO 2014, S. 46 f.)
Dass jetzt die Aufnahmelager überfüllt seien, führte Weber auch auf das stark bürokratische deutsche Asylsystem zurück. Es biete zwar allen ein Dach über dem Kopf und das sei auch gut so. Es weise aber Asylbewerber nach bestimmten Schlüsseln den Bundesländern, und dort den Aufnahmelagern und Kommunen zu. Dabei könnten viele Flüchtlinge etwa zu bereits im Land lebenden Verwandten oder Freunden ziehen. „Wenn zum Beispiel der Arzt in Delmenhorst sagt, er würde wohl seine Großmutter bei sich aufnehmen, dann wird ihm gesagt, dass sei nicht möglich. Die Großmutter müsse ins Aufnahmelager nach Horst in Mecklenburg-Vorpommern.“
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