Wettlauf der Schäbigkeiten

Aus Anlass des 60-jährigen Bestehens der Erklärung der Menschenrechte übersenden wir nachfolgend einige Beispiele aus der Beratungspraxis des Flüchtlingsrats zur Verweigerung eines sicheren Bleiberechts für lange in Deutschland lebende Flüchtlinge durch niedersächsische Behörden. Wenn wir die Säle verlassen, in denen das Jubiläum feierlich begangen wird, und die Menschenrechte, um mit Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr zu sprechen, „vom Himmel auf die Erde“ holen, stellen wir fest, dass die Menschenrechte und die Menschenwürde der Flüchtlinge auch durch niedersächsische Behörden immer wieder verletzt werden.

gez. Kai Weber

(Rechtswidrige) Ablehnung eines Bleiberechts wegen Erreichen der Volljährigkeit
Familie M. stellte im Jahr 2000 bei der deutschen Botschaft einen Antrag auf Einreise im geregelten Aufnahmeverfahren als jüdische Kontingentflüchtlinge. Da das Verfahren zu lange dauerte und die Familie die Einziehung ihres herzkranken Sohns zum Militär befürchtete, floh die armenische Familie am 25.03.01 nach Deutschland und beantragte Asyl. Nach der Ablehnung des Antrags wurde die Familie geduldet.
Während des Aufenthalts in Deutschland starb der Vater. Der Sohn V. gründete mit einer ebenfalls geduldeten Armenierin eine Familie. Obwohl das Paar inzwischen zwei gemeinsame Kinder hat, durften die beiden nicht zusammen ziehen, da die Ausländerbehörde die Genehmigung hierzu an den Nachweis einer Arbeitsstelle band. V. lebt daher weiterhin zusammen mit seiner Mutter.
Im Jahr 2007 stellen V. und seine Mutter einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsreglung. Die Ausländerbehörde verlangte als Vorbedingung zunächst die Vorlage der armenischen Pässe. Nachdem die Familie die Pässe beschafft und vorgelegt hatte, lehnte die Ausländerbehörde die Anträge auf Erteilung eines Bleiberechts mit Begründung ab, dass V. inzwischen volljährig und als alleinstehende Person zu betrachten sei. Als alleinstehender Flüchtling habe er das Stichdatum verpasst (Einzelpersonen: Einreise vor dem 1.7.1999, Familie: Einreise vor dem 1.7.2001).
Auch der Bleiberechtsantrag der Mutter wurde abgelehnt, da sie ohne ihren verstorbenen Mann und ohne ihren Sohn ebenfalls als Alleinstehende zu betrachten sei. Außerdem seien ihre Deutschkenntnisse unzureichend
Inzwischen hat die Ausländerbehörde den Betroffenen die Arbeiterlaubnis entzogen und ihnen ein Arbeitsverbot erteilt.

Ablehnung eines Bleiberechts nach Widerruf der Asylanerkennung
Die Roma-Familie C. floh im Frühjahr 1992 aus dem Kosovo in die Bundesrepublik Deutschland, ihre vier 11 “ 13 jährigen Söhne wurden in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Familie C. war sehr gut integriert. Nach der Asylanerkennung erhielt Familie C. im Sommer 1994 einen unbefristeten Aufenthaltstitel.
Nach Stellung von Einbürgerungsanträgen im Jahre 2000 wurde das asylrechtliche Widerrufsverfahren eingeleitet, mit Urteil von Ende 2004 wurde die Asylanerkennung widerrufen. Aufgrund von Sozialhilfebezugs wurden anschließend die Niederlassungserlaubnisse widerrufen, rechtskräftig seit Ende 2007.
Herr C. arbeitete ab Anfang 2005 als Autohändler, nachdem er mehrfach in den letzten zehn Jahren versucht hatte, über verschiedene selbständige Tätigkeiten den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Er konnte mit seiner Arbeit den Lebensunterhalt für sich und seine Familie vollständig sichern.
Die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 104 a AufenthG wurde dennoch abgelehnt. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass Familie C. nicht durchgängig eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen besessen habe wegen des Besitzes der Niederlassungserlaubnis. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass Familie C. ihre mangelhafte Integration dadurch bewiesen habe, dass die Niederlassungserlaubnis mangels vollständiger wirtschaftlicher Integration widerrufen worden sei. Als die Familie abgeschoben werden sollte, tauchte sie unter, war kurzfristig im Kirchenasyl in Holzminden und ist nun nicht mehr erreichbar.

Herr D. reiste mit seinen Eltern im Sommer 1992 im Alter von zwei Jahren aus dem Kosovo in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach Asylanerkennung erhielt er im Herbst 1994 einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Nach Stellung eines Einbürgerungsantrags nach asylrechtlichem Widerruf wurde die Niederlassungserlaubnis rechtskräftig seit Ende 2007 widerrufen wegen Sozialhilfebezugs.
Im Falle der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis könnte Herr D. sofort eine Arbeit aufnehmen, um einen Lebensunterhalt zu sichern. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104 a AufenthG wurde jedoch abgelehnt wegen des vorübergehenden Besitzes einer Niederlassungserlaubnis, die mangels wirtschaftlicher Integration widerrufen worden war. Ein Klageverfahren ist noch anhängig, ebenfalls ein Antragsverfahren im Hinblick auf § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK.
Herr D. ist lediglich im Besitz einer ausländerbehördlichen Bescheinigung, da die Abschiebung eingeleitet ist und erfolgen soll, sobald die entsprechende Zustimmung der albanischen Behörden vorliegt.
Herr E. floh ebenfalls im Sommer 1992 aus dem Kosovo in die Bundesrepublik Deutschland, wo er Asyl erhielt und in Folge dessen einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Auch bei ihm wurde die Niederlassungserlaubnis nach asylrechtlichem Widerruf ausgelöst durch einen Einbürgerungsantrag widerrufen. Herr E. ist 67 Jahre alt und alleinstehend, er hat keinerlei Familie im Kosovo, während seine zehn Kinder in Deutschland leben, viele seiner Kinder und Enkel sind deutsche Staatsangehörige. Die Kinder können auch für den Lebensunterhalt des Herrn E. aufkommen.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104 a AufenthG wurde abgelehnt wegen des vorübergehenden Besitzes einer Niederlassungserlaubnis, die mangels wirtschaftlicher Integration widerrufen worden war. Ein Klageverfahren ist noch anhängig, ebenfalls ein Antragsverfahren im Hinblick auf § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK. Die Abschiebung des Herrn E. ist eingeleitet, er ist nur noch im Besitz einer ausländerbehördlichen Bescheinigung.

Familia M. floh mit ihren zwei minderjährigen Kindern 1992 aus der Stadt Mitovica (Kosovo) nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. 1997 wurde die Familie zunächst als asylberechtigt anerkannt. 2004 widerrief das Bundesamt auf Grund veränderter politischer Verhältnisse im Kosovo den Flüchtlingsstatus, die Niederlassungserlaubnis wurde jedoch zunächst verlängert. Die beiden Söhne sind hier aufgewachsen und arbeiten bzw. sind in der Ausbildung, der ältere hat bereits die deutsche Staatangehörigkeit erworben.
Da den Eltern eine wirtschaftliche Integration jedoch bislang nicht gelungen ist, hat die Ausländerbehörde nun die Niederlassungserlaubnis der Eltern widerrufen und eine Frist für die Ausreise aus Deutschland gesetzt. Während die Kinder integriert sind und hier bleiben, sollen die alten Eltern nach 16-jährigem Aufenthalt abgeschoben werden.

Frau G. floh Anfang der 90er Jahre aus der Türkei und wurde 1993 als Asylberechtigte anerkannt. Nach 15 Jahre leitete das Bundesamt das Widerrufsverfahren gegen die Anerkennung ein. Frau G. willigte in den Widerruf ein, erklärte der Verzicht auf ihren Flüchtlingsstatus und besorgte einen türkischen Nationalpass in der Erwartung, dass ihre Niederlassungserlaubnis nach 15-jährigem Aufenthalt verlängert würde.
Die Ausländerbehörde widerrief jedoch auch ihren Aufenthaltstitel und forderte Frau G. mit der Begründung zur Ausreise auf, sie erhalte öffentliche Leistungen und sei daher im Bundesgebiet nicht hinreichend wirtschaftlich integriert.

Ablehnung eines Bleiberechts wegen einer Vorstrafe
Herr S. floh 1986 als Siebenjähriger mit seiner Familie aus dem libanesischen Bürgerkrieg in die Bundesrepublik. Er gehört der Gruppe der sog. Mahalmi an, einer arabischen Minderheit, die ursprünglich in der Türkei angesiedelt waren, die aber ab ca. 1920 in den Libanon umsiedelten, da sie als Kurden Repressionen ausgesetzt waren. Familie S. erhielt im Oktober 1990 im Rahmen einer Bleiberechtsregelung des Niedersächsischen Innenministeriums eine Aufenthaltsbefugnis in Deutschland.
Diese verlor Herr S. aber im April 2001 mit der Begründung, er habe türkische Vorfahren. Auch wenn ihm dies nicht bekannt gewesen sei, müsse er dies gegen sich gelten lassen: Als Nachfahre von Türken habe er ebenfalls eine türkische Staatsangehörigkeit und daher das Bleiberecht, das 1990 u.a. für Libanesen und Kurden aus dem Libanon erteilt wurde, zu Unrecht erhalten. Der in der BRD sozialisierte Herr S., der kein Wort Türkisch spricht, ist im Libanon geboren, mit dem Heimatland seines Urgroßvaters verbindet ihn nichts. Seit neun Jahren lebt er mit einer Duldung in Deutschland.
Herr S. erfüllt alle zeitlichen und finanziellen Bedingungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung: Er lebt über zwanzig Jahre in der BRD und arbeitet hier in Vollzeit als Schlachter. Seine beiden Kinder, die bei ihm leben (10 und 9 Jahre alt), sind in Deutschland geboren und gut integriert. Zudem unterstützt ein breiter Unterstützerkreis die Bemühungen der Familie, die vor vier Jahren abgeschobene Mutter und zwei Kinder in die BRD wieder einreisen zu lassen und der sechsköpfigen Familie in Deutschland einen sicheren Aufenthalt zu ermöglichen. Ein Bleiberecht wird Herrn S. jedoch bislang verweigert: Wegen Schlachtens ohne die Anwesenheit eines Veterinärs wurde er zu einer Strafe von 100 Tagessätzen á 10 Euro verurteilt worden. Aufgrund dieser Verurteilung soll er nach Auffassung des niedersächsischen innenministers von der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen bleiben.

Verweigerung eines dauerhaften Bleiberechts nach § 23,1 AufenthG trotz Erfüllung aller Bedingungen der Bleiberechtsregelung
Familie A. floh vor politischer Verfolgung durch das Baath-Regime aus dem Irak nach Deutschland und wurde Mitte 2001 als Flüchtling anerkannt
2004 leitete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) trotz des Bürgerkriegs im Irak ein Widerrufsverfahren gegen die Familie ein: Saddam Hussein sei nicht mehr an der macht, so die Begründung, eine Verfolgung daher auch nicht mehr zu befürchten.
Nach dem Widerruf der Flüchtlingsanerkennung erteilte die Ausländerbehörde der Familie eine „Grenzübertrittsbescheinigung“ und forderte sie zur „freiwilligen Ausreise“ auf. Aufgrund des Entzugs der Aufenthaltserlaubnis verweigerte das JobCenter die Unterstützung für Herrn A., der daraufhin seine im März 2006 begonnene Ausbildung als Altenpfleger abbrechen musste.
Ende 2007 erteilte der Landkreis auf Antrag eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104 AufenthG lediglich auf Probe, da die Familie noch ergänzend öffentliche Leistungen bezog. Nach kurzer Zeit konnte die Familie ihren Lebensunterhalt aus eigener Erwerbtätigkeit decken. Herr A. legte der Behörde einen unbefristeten Arbeitsvertrag vor und stellte einen Antrag auf der Aufenthaltserlaubnis nach §23 Abs.1 auf Dauer. Dieser Antrag wurde abgelehnt: Herr A. müsse noch bis Ende 2009 abwarten und könne erst dann eine Aufenthaltserlaubnis auf Dauer bekommen.

Familie B. floh aus dem Kosovo und lebt seit 1989 in Deutschland. Die Familie arbeitet und finanziert sich selbst. Auch alle anderen Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsregelung sind erfüllt. Die zuständige Ausländerbehörde beanstandet jedoch eine angeblich fehlende Integration der Kinder und begründet dies damit, dass die in Deutschland geborenen Kinder die Sonderschule besuchen. „Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Kinder im Elternhaus nicht gefördert werden und Bildung offensichtlich als nicht wichtig erachtet wird“, schreibt der Landkreis und spricht von einem „schwerwiegenden Integrationshindernis“. Dass das deutsche Schulsystem migrantische Kinder systematisch benachteiligt und ausgrenzt, hat der Landkreis trotz PISA offenkundig noch nicht zur Kenntnis genommen. Gegen die Verpflichtung, im Rahmen einer „Integrationsvereinbarung“ eine Hausaufgabenbetreuung zu engagieren und sich von einem „Integrationslotsen“ betreuen zu lassen, hat die Familie Widerspruch eingelegt.

Verweigerung eines Bleiberechts, weil der Aufenthalt nicht ununterbrochen geduldet, sondern zwischenzeitlich aus „nicht humanitären Gründen“ erlaubt war.
Herr A. reiste mit seiner Familie aus dem ehemaligen Jugoslawien im Frühjahr 1992 im Alter von neun Jahren in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach negativem Abschluss des Asylverfahrens im Frühjahr 1994 wurde Herr A. geduldet. Seit der Scheidung seiner Eltern lebt er Antragsteller bei seiner Mutter, die infolge ihrer Kriegserlebnisse schwer psychisch erkrankt und daher auf seinen psychischen Beistand dringend angewiesen ist. Herr A. selbst leidet unter Panikattacken sowie sonstigen psychischen Beschwerden.
Herr A. hat in der Bundesrepublik Deutschland seinen Realschulabschluss gemacht, er hat seine zweijährige Berufsausbildung als „Fachkraft im Gastgewerbe“ abgeschlossen und befindet sich gerade im dritten Lehrjahr, um den Berufsabschluss eines „Restaurantfachmanns“ zu erlangen. Zuvor waren mehrere Ausbildungsversuche als Altenpfleger wegen Nichterteilung einer Arbeitserlaubnis für den praktischen Ausbildungsteil gescheitert. Nach der Eheschließung mit seiner deutschen Freundin erhielt Herr A. am 07.08.2003 eine Aufenthaltserlaubnis, die nach der späteren Trennung nachträglich auf den 30.11.2005 befristet wurde. Der Antragsteller ist seit 01.02.2007 lediglich im Besitz einer bis 31.07.2007 befristeten „ausländerbehördlichen Bescheinigung gemäß § 84 Abs. 2 AufenthG“ nebst Beschäftigungsgestattung. Ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren gegen die Abschiebung des Herrn A. scheiterte; es konnte mit der Ausländerbehörde lediglich ausgehandelt werden, dass Herr A. bis Sommer 2008 seine Ausbildung beenden durfte, um dann „freiwillig“ auszureisen.

Frau B. reiste mit ihren Eltern aus der Türkei im Frühjahr 1995 im Alter von zwölf Jahren in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens im Sommer 2000 wurde sie wegen Passlosigkeit geduldet. Anfang 2005 war Frau B für ein Jahr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 17 AufenthG im Rahmen ihrer Ausbildung zur Krankenschwester. Neben ihrer Ausbildung musste sie ihre psychisch schwer kranke Mutter versorgen und betreuen, so dass eine Beistandsgemeinschaft vorlag, mithin auch während des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 17 AufenthG humanitäre Gründe für den Aufenthalt vorlagen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG i. V. m. dem niedersächsischen Bleiberechtserlass vom 06.12.2006 sowie gemäß § 104 a AufenthG wurde im Oktober 2007 unter Abschiebungsandrohung abgelehnt mit der Begründung, dass Frau B nicht durchgängig eine Duldung oder Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen besessen habe aufgrund des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 17 AufenthG für ein Jahr.
Während des Klageverfahrens konnte inzwischen ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen werden , so dass Frau B. inzwischen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104a Abs. 2 AufenthG “ wonach es auf den durchgängigen humanitären Aufenthalt der Eltern ankommt “ erhalten hat.

Ablehnung eines Bleiberechts wegen unzureichender Mitwirkung bei der eigenen Abschiebung
Herr A. floh Anfang 1998 aus Syrien nach Deutschland und beantragte unter Bezugnahme auf seine jezidische Religion und seine kurdische Volkszugehörigkeit Asyl. Nach negativen Asylverfahren wurde er ab Januar 2005 geduldet. Auf Forderung der zuständigen Ausländerbehörde für die Beschaffung von syrischen Identitätsnachweisen war er paar Mal bei der syrischen Botschaft, erhielt jedoch keine Passpapiere. Im Januar 2006 entzog ihm der Landkreis daraufhin die Arbeitserlaubnis.
Im November 2007 beantragte Herr A. die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallreglung. Als Voraussetzung für die Bearbeitung des Antrags forderte der Landkreis die Vorlage des nationalen Reisepasses. Unter Bezugnahme auf die in Aussicht gestellte Aufenthaltserlaubnis konnte Herr A. im Januar 2008 endlich auch einen syrischen Pass von der Botschaft erhalten und der Ausländerbehörde vorlegen.
Statt nun die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, lehnte die Ausländerbehörde Ende April 2008 ein Bleiberecht mit der Begründung ab, dass Herr A. sich nicht aktiv genug um die Ausstellung eines Passes gekümmert und daher seine Abschiebung nicht tatkräftig genug unterstützt habe. Dieser Bewertung widersprach zunächst das Verwaltungsgericht Hannover und stellte in seiner Entscheidung vom 7. Juli 2008 fest, dass eine „wesentliche Behinderung bzw. gravierende Verzögerung vorsätzlicher Art“ im Rahmen der Passbeschaffung nicht festzustellen sei. Dennoch leitete die Ausländerbehörde die Abschiebung ein. Das erneut angerufene Verwaltungsgericht Hannover entschied am 18.11.2008, dass die Abschiebung zulässig sei, da Herr A. bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit Hilfe seiner Schwester einen syrischen Pass hätte besorgen können.

Infragestellung eines schon erteilten Bleiberechts durch das nds. Innenministerium
Frau N. flüchtete im Jahr 2001 als religiös Verfolgte nach Deutschland. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt. Amtsärzte attestierten ihr jedoch unter anderem schwere psychische Störungen und Wahrnehmungsprobleme, die mit traumatischen Erlebnissen in der Türkei im Zusammenhang ständen. Frau N. sei, so die ßrzte, auf unabsehbare Zeit nicht zur selbstständigen Lebens- und Haushaltsführung in der Lage. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse erteilte ihr der zuständige Landkreis im April 2007 eine Aufenthaltserlaubnis, die 2008 für zwei Jahre verlängert wurde.
Als Frau N. immer antriebsloser und desorientierter wurde, stand für ihre zweite Tochter in Delmenhorst fest: Allein gelassen, ist die Mutter eine Gefahr für sich und andere. Sie nahm ihre Mutter bei sich auf. Das Problem: Ihr Pass enthält eine ausländerrechtliche Wohnsitzbeschränkung für den Landkreis Wesermarsch, und die Tochter wohnt in Delmenhorst. Dort war man nicht bereit, den Zuzug der Mutter zu ihrer Tochter zu erlauben.
Das Tauziehen zwischen den ßmtern zog sich so lange hin, bis der Anwältin im Frühjahr 2008 der Kragen platzte: Sie schaltete die oberste Fachaufsicht ein, das niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Integration. Ein halbes Jahr später kam Antwort : Die Frage der Wohnsitzbeschränkung sei „nicht kurzfristig“ zu beantworten, schreibt der zuständige Abteilungsleiter. Vordergründig gehe es um „eine gesundheitliche Begutachtung der Reisefähigkeit“ von Frau N. Im Klartext: Der Kreis Wesermarsch soll prüfen, ob eine Abschiebung in die Türkei möglich sei. „Bei den heutigen technischen Möglichkeiten“, meint das Innenministerium, müsse Krankheit kein Hinderungsgrund sein. „Es geht doch um die Möglichkeit der Weiterbehandlung im Heimatland.“ Von Behandlung war gar keine Rede. Die Tochter will ihre Mutter weiter pflegen und betreuen, zu Hause.

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