In einen Artikel aus der heutigen Ausgabe der Neuen Presse beschwert sich die Stadt Hannover darüber, dass die Kommunen vom BAMF aufgefordert werden, nicht nur Flüchtlinge aufzunehmen, die noch gar keinen Asylantrag stellen konnten, sondern nun auch die Empfehlung erhalten, zusätzliche Dienstleistungen für das BAMF wie z.B. die Durchführung von ED-Behandlungen etc. zu übernehmen, um die Durchführung des Asylverfahrens zu beschleunigen. Der Unmut der Stadt geht auf ein Schreiben des BAMF vom 30.12.2014 zurück.
Die Verteilung von Flüchtlingen schon vor der Asylantragstellung ist im Grunde ein alter Hut: Diese Praxis gibt es schon seit 2013 und ist der Tatsache geschuldet, dass die Landesaufnahmebehörde nicht genügend Unterbringungskapazitäten und das BAMF nicht genügend Personal hat, um zeitnahe Entscheidungen zu treffen. Diese Situation verursacht nicht nur zusätzliche Kosten und Reibunsverluste, sondern ist aus Sicht der Flüchtlinge v.a. deshalb problematisch, weil im Rahmen der erforderlichen erneuten Anreise zum BAMF immer wieder Flüchtlinge ihre Termine verpassen, sei es, weil sie nicht die richtigen Verkehrsmittel wählen und zu spät kommen, weil sie den Weg zur Landesaufnahmebehörde nicht finden, oder weil sie am Abend vorher wegen des Fehlens einer Ladung im Original vom Wachpersonal nicht eingelassen werden. Der Vorschlag des BAMF, die Wege zu verkürzen und Flüchtlingen eine Asylantragstellung in der nächsten BAMF-Außenstelle zu ermöglichen, ist insofern zu begrüßen.
Problematisch erscheint allerdings, dass das BAMF nicht nur die Asylanhörung auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt, sondern auch die Anlage einer Akte sowie die ED-Behandlung nicht vor einer Verteilung der Asylsuchenden erledigt. Diese Tätigkeiten erscheinen – anders als die eigentliche Anhörung – nicht derartig zeitaufwendig und anspruchsvoll, dass sie nicht vor einer Verteilung abgeschlossen werden können. Durchführbar sind sie allerdings nur, wenn Flüchtlinge auch lange genug in der Erstaufnahme bleiben und nicht schon nach wenigen Tagen verteilt werden. Die Problematik einer Verteilung von Asylsuchenden ohne vorherige Registrierung gibt es derzeit nur in NRW und Niedersachsen.
Gefordert sind BAMF und Land: Flüchtlinge müssen mindestens drei Wochen in der Erstaufnahme verbleiben, und das BAMF muss verstärkte Anstrengungen unternehmen, damit in dieser Zeit eine Registrierung erfolgt. Für die schon verteilten Flüchtlinge wird es nötig sein, mit pragmatischen Vorschlägen, wie sie das BAMF macht, eine Nachregistrierung und beschleunigte Bearbeitung der Asylanträge zu erreichen. Eine Akzeptanz und Unterstützung der Kommunen wird nur zu erreichen sein, wenn BAMF und Land für die Zukunft ein geordnetes Verfahren gewährleisten können.
Kai Weber
Nachtrag: Innenminister Pistorius nahm das Schreiben des BAMF zum Anlass, den Bundesinnenminister de Maiziere aufzufordern, für eine zügigere Bearbeitung von Asylanträgen zu sorgen. In der heutigen Pressemitteilung des Innenministeriums heißt es dazu:
Pistorius: „Bund muss seiner Pflicht bei der Bearbeitung von Asylanträgen zügiger nachkommen“
Durch die zunehmende Zahl an Flüchtlingen kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Niedersachsen 60 bis 90 Prozent der Anträge nicht mehr in der Erstaufnahmeeinrichtung entgegennehmen, wozu es eigentlich verpflichtet ist. Das führt dazu, dass die Flüchtlinge aus der Kommune, der sie zugewiesen wurden, noch einmal an den Ort ihrer Erstaufnahme zurückkehren müssen – beispielsweise von Harburg in die Landesaufnahmebehörde Braunschweig. „Dies führt zu zusätzlichen Fahrt- und teilweise Übernachtungskosten, die dann beim Land und den Kommunen hängenbleiben, obwohl sie durch den Bearbeitungsstau beim Bund verursacht wurden“, so Pistorius.
Der Bund wollte dem in einem heute öffentlich gewordenen Schreiben begegnen, indem Flüchtlinge nun auch in die Außenstelle des BAMF fahren können, die sich am nächsten zu ihrem Wohnort befindet. Pistorius schreibt zu dieser Initiative des BAMF heute an den dafür zuständigen Bundesinnenminister: „Beide Verfahren stellen für die Kommunen zunächst eine Erleichterung dar. Trotzdem kann auch dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bund nach wie vor nicht seiner Pflicht nachkommt, die Verfahren zügig zu bearbeiten.“ Pistorius bezeichnet diese Ausnahmeregelung als „Hilfskonstruktion“, mit der „die Verantwortung…leider wieder nur auf die Länder und Kommunen verschoben“ werde. Daher bittet der niedersächsische Innenminister erneut eindringlich darum, die nötige Personalaufstockung beim BAMF voranzutreiben.
Darüber hinaus erneuerte Pistorius seine Forderung nach einer „strukturellen Beteiligung“ des Bundes an den Kosten der Flüchtlingsaufnahme:
„Auch hier sind wir, trotz der Aufforderung der Ministerpräsidentenkonferenz, beispielsweise die Kosten nach dreimonatiger Verfahrensdauer an den Bund zu übertragen, kein Stück weiter gekommen. Ein erster – wenn auch nur sehr kleiner Schritt – wäre es, wenn das BAMF entgegen der Regelung des Schreibens vom 30.12.2014 zumindest die Kosten für die An- und Abreise der Flüchtlinge zu den Außenstellen des BAMF zur Asylantragstellung übernehmen könnte“, so der Minister.
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