Das niedersächsische Landesaufnahmeprogramm zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien durch ihre in Niedersachsen lebenden Angehörigen ist am 30.09.14 nach zwei Verlängerungen ausgelaufen. Es hat trotz der hohen Hürden bei der Lebensunterhaltssicherung und Krankenversicherung einen wichtigen Beitrag zur Aufnahme einiger syrischer Flüchtlinge geleistet, welche keinen Platz im Kontingent der Bundesprogramme finden konnten. So wurden bis Ende Juni 2014 in Niedersachsen 984 Visa erteilt, also fast genauso viele Flüchtlinge aufgenommen, wie im Rahmen der beiden Bundesprogramme zusammen. Das niedersächsische Programm hat damit – unabhängig davon wie man die Bereitschaft der BRD zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge insgesamt bewertet – Angehörigen von hier lebenden Syrer:innen eine effektive Möglichkeit geboten, Schutz zu finden.
Gemessen an dem Ausmaß der Krise, in deren Folge weit mehr als 3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien in Nachbarländern und Anrainerstaaten Zuflucht suchen, scheint der Beitrag Niedersachsens jedoch immer noch marginal. Daher es ist nicht verständlich, warum das niedersächsische Innenministerium das Landesprogramm – anders als andere Bundesländer wie z.B. Schleswig-Holstein – nicht über den September 2014 hinaus verlängert hat. Nach Information aus dem Innenministerium hat dies v.a. haushaltstechnische Gründe: Man wolle, so heißt es, die Übernahme auch von Krankenversicherungskosten im Landeshaushalt sicher stellen. Die dafür nötigen Mittel ständen aber 2014 nicht mehr zur Verfügung.
Es ist aus unserer Sicht dennoch inakzeptabel, dass das Land das gesamte Programm gerade jetzt auf Eis legt, in einer Situation, in der immer mehr Schutzsuchende aus Syrien dringend Hilfe benötigen. Die begrüßenswerten bisherigen Aufnahmeprogramme durch Deutschland waren bislang nicht mehr als der sprichwörtliche „Tropfen auf dem heißen Stein“, wenn man sich vor Augen führt, dass von ca. 3,5 Millionen syrischen Flüchtlingen gerade einmal 20.000 in ganz Deutschland aufgenommen wurden. Da Niedersachsen anders als Schleswig-Holstein im Rahmen des laufenden dritten Bundesaufnahmeprogramms keine neue Interessensbekundung ermöglicht, gibt es derzeit keine Möglichkeit, bedrohte Angehörige legal aus den Anrainerstaaten Syriens nach Deutschland zu holen.
Obwohl sich die Innenministerkonferenz im Frühjahr in Bonn dafür ausgesprochen hat, dass die Länder anfallende Kosten der Krankenversorgung im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetz übernehmen sollen, was eine Vielzahl von Bundesländern seither auch praktiziert, wurde in Niedersachsen nur eine nachträgliche Kostenübernahme für Flüchtlinge vereinbart. Erst am 24.07.14 – also fast ein Jahr nach Programmstart und lange nachdem Bundesländer wie z.B Thüringen, NRW, Hessen oder Sachsen-Anhalt solche Kosten für unbestimmte Zeit übernommen hatten, – entschloss sich Niedersachsen nachzuziehen und besagte Kosten zu übernehmen; allerdings nur für diejenigen Flüchtlinge, welche vor dem 31.05.14 eingereist sind. Eine weitere Kostenübernahme soll noch für Krankenkosten von Flüchtlingen erfolgen, die bis Ende September 2014 in Deutschland aufgenommen wurden. Mehr Geld sei, so heißt es, nicht da.
Die Konsequenz des Verhaltens der Landesregierung ist, dass uns derzeit nichts anderes übrig bleibt, als den verzweifelten Angehörigen in Niedersachsen, welche auf die Aufnahme ihrer Angehörigen hoffen, zu erklären, dass es keine Möglichkeiten der Aufnahme mehr für diese gibt, und dass im nächsten Jahr vielleicht eine Neuauflage des Programms gibt. Die vielen Schutzsuchenden, die bisher erfolglos versucht haben Zuflucht bei ihren Verwandten in Niedersachsen zu bekommen, was ihnen jedoch aufgrund der geringen Kontingente verwehrt blieben, bleiben bei all dem auf der Strecke.
Gerade jetzt, wenn gesellschaftliches Engagement für die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen sich in Form von vielfältigen Initiativen ausdrückt, die eine Verpflichtungsabgabe für syrische Flüchtlinge auch ohne Verwandtschaftsbezug aus Solidarität und gesellschaftlicher Verantwortung in Erwägung ziehen, ist es mehr als enttäuschend, dass das Land Niedersachsen, Vorreiter bei der Initialisierung des Aufnahmeprogramms, dieses Programm nun stillschweigend auslaufen lässt.
Das Innenministerium hat in Aussicht gestellt, dass die Verfahren so gestaltet werden, dass Visumsanträge nach einem Haushaltsbeschluss für 2015 schnell und unbürokratisch entschieden werden können. Es erscheint insofern sinnvoll, jetzt die Ausländerbehörden um einen Termin Anfang Januar zu bitten, wenn (hoffentlich) eine Grundlage für die Fortsetzung des Landesprogramms unter Verzicht auf die Verpflichtung zur privaten Übernahme von Krankenversicherungskosten geschaffen ist.
Karim Alwasiti
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