Das erste Jahr der neuen HFK – Eine Bilanz

Im September vergangenen Jahres wurde die Verordnung zur niedersächsische Härtefallkommission (HFK) grundlegend überarbeitet. So trugen eine Reduzierung von Nichtannahmegründen sowie eine verbesserte Kommunikation – durch zweimaliges Informieren der von Abschiebung Bedrohten über die Möglichkeit eines Härtefallantrags – dazu bei, dass Flüchtlinge grundsätzlich faire Chancen auf ein Bleiberecht durch eine positive Härtefallentscheidung erhalten konnten. Darüber hinaus wurde die Kommission um eine Ärztevertretung mit psychotherapeutischer Erfahrung ergänzt, und auch der Flüchtlingsrat Niedersachsen ist erstmals mit einem festen Sitz in die Entscheidungsfindung eingebunden.

Jetzt hat das niedersächsiche Inneministerium einen Tätigkeitsbericht über die Arbeit der neuen HFK vorgelegt. Darin ist vermerkt, dass im Zeitraum vom 01.09.2013 bis zum 31.08.2014 insgesamt 804 Eingaben an die Kommission gerichtet wurden, wovon 345 zur Beratung angenommen und 114 tatsächlich beraten wurden. Von diesen 114  Fällen führten 100 zu Härtefallersuchen. Bis jetzt ist das Innenministerium 79 dieser Ersuchen nachgekommen und hat ein Ersuchen abgelehnt (20 Entscheidungen stehen noch aus). Von den postiven Ersuchen der HFK profitierten insgesamt 200 Personen. Die Anzahl der Eingaben ist deutlich höher als den vergangenen Jahren, was in erster Linie an den insgesamt höheren Flüchtlingszahlen und den besseren Informationsstrukturen liegen dürfte.

Die Tatsache, dass die in der Kommission beratenen Eingaben größtenteils zu positiven Ersuchen aufgrund humanitärer oder persönlicher Gründe führten, zeugt von einer positiven Entwicklung. Der hohe Anteil der nicht zur Beratung angenommenen bzw. schon in der Vorprüfung abgelehnten Eingaben erfüllt uns allerdings mit Sorge. Zwar ist die HFK insofern nur eingeschränkt handlungsfähig, als Asylgründe nicht erneut geprüft werden dürfen und aufgrund kurzer Aufenthaltszeiten für viele Anträge keine hinreichenden Integrationsleistungen nachgewiesen werden können. Doch sind einige vom Innenministerium festgelegte und für die HFK bindende Ausschlussgründe aus unserer Sicht immer noch kontraproduktiv für eine faire Entscheidung zu Gunsten der Flüchtlinge. So wird  Personen, die Ausweisungsgründe erfüllen oder die ihren Aufenthalt aus Angst vor einer Abschiebung verheimlichen, nach wie vor die Möglichkeit eines Härtefallantrags verwehrt. Ebenso kritisieren wir die Praxis, dass eine Aufenthaltserlaubnis oft nur unter strikten Auflagen (z.B. vollständige Sicherung des Lebensunterhalts) erteilt wird, was das Risiko in sich birgt, dass die Betroffenen ihr zunächst auf ein Jahr befristetes Aufenthaltsrecht wieder verlieren.

Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass die Härtefallkommission in ihrem ersten Jahr – durch eine veränderte Zusammensetzung und neue Handlungsmöglichkeiten aufgrund deutlich weniger vorgegebener Ausschlussgründe – viele Verbesserungen durchsetzen konnte. Knapp 200 Menschen, die auf juristischem Wege keine Chance mehr auf einen sicheren Aufenthaltstitel hatten und akut von der Abschiebung bedroht waren, konnten durch die Arbeit der HFK eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Oft betraf das Personen, die schon seit etlichen Jahren mit einer Duldung in Niedersachsen leben, Familien, die hier sozial  fest verwurzelt sind und Kinder, die zu dem Land keinerlei Bezug haben, aus dem ihre Eltern einmal geflohen sind.

Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass allein in Niedersachsen mehr als 10.000 (oftmals langjährig) Geduldete leben, deren Rechte und Partizipatzionsmöglichkeiten elementar eingeschränkt sind, die täglich mit der Angst leben müssen, abgeschoben zu werde, und die dadurch  nicht selten erhebliche psychosoziale Erkrankungen erleiden. Einem kleinen Teil von ihnen vermag die niedersächsische HFK zu helfen. Wir brauchen jedoch nicht nur individuelle Gnadenentscheidungen über die Härtefallkommission, sondern auch eine liberalere Auslegung der bestehenden Gesetze sowie eine allgemeine, rollierende Bleiberechtsregelung. Je großzügiger das allgemeine Aufenthaltsrecht ausgelegt wird, desto geringer ist die Zahl der Fälle, die noch über die Härtefallkommission gelöst werden müssen. Deshalb freuen wir uns, dass der Innenminister angekündigt hat, noch in diesem Jahr einen Erlass zu § 25 Abs. 5 AufenthG zu veröffentlichen und damit die Ausländerbehörden anzuhalten, denjenigen Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht zu erteilen, die bereits in Deutschland verwurzelt sind. Ergänzt werden muss dies noch um eine generelle Bleiberechtsregelung, welche die Kriminalisierung, Entrechtung und soziale Ausgrenzung der Geduldeten stoppt und ihnen die Möglichkeit bietet, sich gleichberechtigt in die Gesellschaft einzubringen.

Yannic Dyck

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