Yassin Abbas darf bleiben; vorerst zumindest. Durch die Unterstützung von etwa 200 Aktivist:innen konnte die geplante nächtliche Abschiebungen des sudanesischen Flüchtlings im letzten Moment gestoppt werden (wir berichteten). Doch ein Grund für Entwarnung ist keinesfalls gegeben, da er weiterhin damit rechnen muss, dass die Behörden einen neuen Versuch unternehmen werden, ihn endgültig nach Bulgarien abzuschieben. Dorthin war der Igeniuer zunächst – aufgrund drohender Verfolgung durch das diktatorische sudanesische Regime – geflohen. In Bulgarien lebte er anfangs in Flüchtlinsunterkünften mit Gefängnischarakter, in denen 200 Afrikaner:innen zusammengepfercht in einer Zelle ohne sanitäre Einrichtungen untergebracht waren. In der Montagsausgabe der HAZ berichtet Abbas von Misshandlungen seitens der bulgarischen Polizei, durch welche er u.a. dazu gedrängt wurde, eine Verzichtserklärung auf Sozialhilfe abgeben zu müssen, um im Anschluss in die Obdachlosigkeit gezwungen zu werden (genauer nachzulesen unter: HAZ vom 01.09.). Solcherlei Zustände in Bulgarien sind hinlänglich bekannt, was u.a. in der Empfehlung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) vom Januar 2014 an die EU-Staaten zum Ausdruck kommt, keine Flüchtlinge nach Bulgarien auszuweisen (hier nachzulesen). Am 30.08. machte Kai Weber, Geschäftsführer des niedersächsischen Flüchtlingsrats – (ebenfalls in der HAZ), noch einmal deutlich, dass Abschiebungen in diese für Flüchtlinge katastrophalen Verhältnisse unverantwortlich sind.
Über Serbien und Ungarn kam Abbas dann – zu großen Teilen zu Fuß – zunächst nach Dresden, von dort aus weiter nach Braunschweig, Stade und Hannover, wo er nun lebt und arbeitet. Die Dublin-Verordnungen, die besagen, dass Flüchtlinge nur in demjenigen EU-Staat Asyl beantragen dürfen, welchen sie zuerst betreten haben, halten dabei als Argumentation der ausführenden Organe für die versuchte Überstellung her – wohl wissend, dass sich solche rigorosen Abschiebepraktiken an der Grenze zur Rechtswidrigkeit bewegen. Diese würde nämlich nach geltendem europäischen Recht faktisch dann eintreten, wenn Überstellungen an Länder stattfinden, in denen strukturelle Mängel im Asylsystem vorliegen. Solche Mängel stellt die UNHCR aktuell in Bulgarien immer noch fest, auch wenn die Forderung nach einem umfassenden, allgemeinen Rückführungsstopp dorthin mittlerweile relativiert wurde (hier nachzulesen). Das was hier als „Mängel“ betitelt wird, sind massive Menschenrechtsverletzungen, wie sie Abbas selbst zu spüren bekam.
Yassin Abbas muss trotz der großen Solidarität vieler Hannoveraner:innen weiterhin jeden Tag mit seiner Abschiebung rechnen. Er lebt deshalb in ständiger Angst, kann kaum noch schlafen, wie er der HAZ erzählte. Er würde gerne einen Deutschkurs besuchen, sich an einer Universität weiterbilden und am gesellschaftlichen Leben in seinem neuen zu Hause teilhaben dürfen. Der gebürtige Sudanese lebt nun seit fünf Monaten in Deutschland, seit letzter Woche ist seine Duldung abgelaufen. Nach sechs Monaten sind Abschiebungen in Drittstaaten, über welche die Flucht nach Deutschland erfolgte, prinzipiell nicht mehr möglich. Dann besteht die Möglichkeit, einen Asylantrag in der BRD stellen zu können. „Es ist ein Zeitspiel“ fasst Weber die Situation zusammen, in der Abbas noch einige Wochen in Furcht vor einer möglichen Abschiebung überstehen muss, bis sich ihm die Chance auf Asyl eröffnet. Zwar müssen alle Abschiebeversuche, die in dieser Zeit stattfinden, nach Vorgaben des niedersächsischen Innenminsteriums vorher angekündigt werden, doch ist nicht sicher, ob sich die zuständige Stader Ausländerbehörde auch daran halten wird; zumal eine weitere Vorgabe – die Unterlassung nächtliche Abschiebungen – bereits gebrochen wurde. Wir fordern das für Dublin-Fälle zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf, keine weiteren Abschiebeversuche gegen Abbas zu unternehmen und darüber hinaus generell keine weiteren Abschiebungen nach Bulgarien anzuordnen!
Yannic Dyck
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